09:01 BAUPROJEKTE

Berlin: Neues Leben oder Ende für Gasometer Schöneberg?

Geschrieben von: Silva Maier (mai)
Teaserbild-Quelle: Andras Schwarz, Euref AG

Der stillgelegte Gasometer Schöneberg in Berlin steht unter Denkmalschutz. Nun soll die über 100jährige Stahlkonstruktion zu neuem Leben erweckt werden, als Hülle eines Bürogebäudes. Das Projekt polemisiert.

Das Industriedenkmal hat seine Spuren auch in der Kunst hinterlassen: Kurz nachdem der Gasometer Schöneberg 1913 in Betrieb gegangen war, porträtierte Ernst Ludwig Kirchner die Stahlkonstruktion. Mehr oder weniger zur selben Zeit faszinierte der Bau auch den US-amerikanischen Maler Lyonel Feininger, der ihn ebenfalls verewigte.  Mit einer Höhe von 78 Metern und einem Nutzvolumen von 160‘000 Kubikmetern war der Gasometer damals einer der grössten seiner Art in Europa. Er sollte zwei Weltkriege überstehen. 1994 wurde er unter Denkmalschutz gestellt und im Jahr darauf stillgelegt.

Nun soll der Gasometer zu neuem Leben erweckt werden – als Fassade eines Bürohauses: Im Innern des zylinderförmigen Gerippes, mit einem „Respektabstand“ von rund einem Meter zur alten „Hülle“, ist ein dem einstigen  auf- und abfahrenden Teleskopbehälter nachempfundenes Glasgebäude geplant. Es soll bis zum zweitletzten Ring reichen und nebst einem Konferenzzentrum auch eine Skylounge umfassen.

Die Bauarbeiten sind bereits im Gang. Seit vergangener Woche wird die Kuppel im unteren Bereich des Bauwerks entfernt. Läuft alles nach Plan, kann das Gebäude 2023 bezogen werden. Es wird mit Baukosten von rund 200 Millionen Euro gerechnet.

Bürgerinitiative wehrt sich gegen Umbau

Gasometer Schöneberg

Quelle: Gasometer Tour

Die Besucher der geplanten Skylounge sollen die spektakuläre Aussicht auf die Stadt geniessen können.

Das Stahlgerüst bleibe in seiner Pracht erhalten und sichtbar, schreibt die Eigentümerin und Bauherrin, die Euref AG, auf ihrer Website dazu. Mit jedem Geschoss werde gleichzeitig das Stahlgerüst denkmalgerecht mit Hilfe von Laser- und Sandstrahltechnik in Stand gesetzt.

Doch das Projekt, das auch den Segen der Denkmalpflege erhalten hat, passt nicht allen. Der Umbau polarisiert. Unter dem Titel „Gasometer retten“ startete eine Bürgerinitiative im November eine Online-Petition zur Rettung des Industriedenkmals. Mittlerweile sind rund 6000 Unterschriften zusammengekommen.

Bald werde der Gasometer „ein weiterer gesichtsloser Büroturm“ sein, heisst es auf der Website der Initiative. „Dunkel und klobig, verwechselbar mit der Billig-Architektur, die überall entsteht“.  Nebst einer „Verschandelung des Industriedenkmals“ fürchten die Initianten unter anderem, dass der Gasometer während der Bauarbeiten beschädigt wird. Sie fordern daher, dass mittels eines unabhängigen Gutachtens geklärt wird, ob der Ausbau den Gasometer gefährdet. Zudem verlangen sie, dass man sich an eine Bauhöhe von nur bis dritten Gerüstring hält.

„Gigantische Planung“

Der Widerstand gegen das Projekt ist allerdings einiges älter als die Initiative: Das Gelände, auf dem der Gasometer steht, erstreckt sich über rund 5,5 Hektaren. Zudem stehen hier noch weitere denkmalgeschützte Bauten. 2007 hatte der Projektentwickler Reinhard Müller das Areal erworben und die Euref gegründet, um auf dem Areal ein neues Stadtquartier zu schaffen. Ein Jahr später formierte sich die „Bürgerinitiative Gasometer“, die sich gegen die „gigantische Planung“ wehrte.

Unterdessen ist der Campus zu einem grossen Teil realisiert, und laut Euref „in nur einem Jahrzehnt zu einem europaweit einmaligen Zentrum für Innovation und Kommunikation in der Energiewirtschaft geworden“. 

Internettipps
Informationen zum Projekt von Euref: https://euref.de/gasometerausbau
Bürgerinitiative „Gasometer retten“:  www.gasometer-retten.de


Geschrieben von

Chefredaktorin Baublatt

Ihre Spezialgebiete sind Architekturprojekte, Kultur- und Wissenschaftsthemen sowie alles Schräge, was im weitesten Sinn mit Bauen zu tun hat.

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