12:33 BAUPRAXIS

Swiss-Life-Arena in Zürich: «Gefaltete» Sichtbetonfassade

Geschrieben von: Robert Mehl (rm)
Teaserbild-Quelle: Caruso-St-John-Architects

Zürich hat mit der Swiss-Life-Arena ein neues Eisstadion erhalten. Der fast 34 Meter hohe Bau sorgt vor allem mit seiner Sichtbetonfassade für Aufmerksamkeit. Deren wellige Form erinnert an einen Vorhang. 

Swiss Life Arena Aussenansicht

Quelle: ZSC Lions AG

Die fertige Swiss Life Arena in Zürich Altstetten: 170 mal 110 Meter misst der 33 Meter hohe Neubau.

Die Zürcher Niederlassung des Londoner Architekturbüros Caruso St John liegt im kleinen, industriell geprägten Quartier Binz in Zürich-Wiedikon. Das Team hat die Swiss-Life-Arena entworfen und realisiert. Das Stadion wurde im vergangenen Jahr eröffnet.

Baugrund Schrebergartenkolonie

Es war die neue Homebase des ZSC Lions, dem mitgliederstärksten Eishockey-Club der Schweiz. Denn dieser Verein unterhält neben der bekannten A-Mannschaft der eidgenössischen Eishockeyliga noch zahllose Amateurmannschaften in allen Ligen – für beide Geschlechter. In der bisherigen Spielstätte, dem Hallenstadion, wurden zahlreiche Konzerte aufgeführt. Die Kapazitätsgrenzen waren damit allerdings erreicht. Es gab zu wenig Eiszeiten für das Training aller Sportmannschaften.

Der Verein überzeugte die Stadt Zürich, ein weiteres Eisstadion zu bauen. Die  Verpachtung eines geeigneten Grundstücks stand zunächst im Vordergrund. Ausgewählt wurde eine etwas über zwei Hektar grosse Teilfläche des Familiengartenvereins Altstetten-Albisrieden, die sich im kommunalen Eigentum befindet. Der Baugrund umfasst etwa ein Drittel der ursprünglichen Schrebergartenkolonie und liegt zwischen der breiten, zum Hauptbahnhof führenden Gleisschneise und der Zubringerautobahn zur A1.

Die Arena ist quaderförmig. Die Fläche ist 180 mal 120 Meter gross und rund 34 Meter hoch.  Mit diesem Volumen ist die Arena im Vergleich zum Hallenstadion das zweite grosse Eisstadion der Stadt.

Swiss-Life-Arena Fassade

Quelle: Caruso-St-John-Architects

Die formal «harten» Fensteröffnungen wollte man mit etwas Stofflichem, «Weichem» stimmig verbinden.

Zwei niedrige Gebäudeteile

Das Besondere an der Swiss-Life-Arena ist, dass die Spielfläche nicht – wie üblich – längs seiner äusseren Silhouette, sondern quer dazu platziert wurde. Die Architekten entwarfen an zwei Seiten beziehungsweise an den Kopfenden des Gesamtvolumens zwei niedrigere Gebäudeteile, von denen der südwestliche von einer grossen Zuschauerdachterrasse bekrönt wird.

Dieser Aussenbereich ist in den Spielpausen für alle Zuschauer frei zugänglich, wobei die Ticketing-Zone nicht verlassen werden muss. Dazu sind die Wege dorthin ausgesprochen kurz, da die Aussenterrasse auf der Hauptzugangsebene zu den Rängen liegt. Laut Michael Schneider vom planenden und ausführenden Architekturbüro Caruso St John gaben diese zwei tiefen Gebäudeteile 2011 den Ausschlag zum Wettbewerbssieg.

Faltenwurf einer Vorhangfassade

Eine weitere Besonderheit ist die «gefaltete» Sichtbetonfassade. Die Architekten liessen sich dafür vom Faltenwurf barocker oder klassizistischer Festzelte inspirieren. Schneider spricht vom «Theater of Dreams». Das Team wollten mit diesem versteinerten Faltenschwung den illusionären Charakter einer Sportstätte betonen, in der Menschen wünschen, hoffe und mitfiebern.

Gleichzeitig suchten sie nach einem formellen Gestaltungselement für die Fassade. Denn diese sollte bei einem Eisstadion aus thermischen und Nutzungsgründen möglichst geschlossen sein. Nur an den beiden Stirnseiten sahen die Planer Fenster in Form runder, festverglaster Bullaugen vor, deren Öffnungen einen Durchmesser von 184 Zentimeter haben. Sie belichten die Verwaltungseinheiten und das grosse Restaurant – also Räumlichkeiten mit Tageslichtbedarf.

Swiss-Life-Arena

Quelle: Robert Mehl

Das Team wollte mit diesem versteinerten Faltenschwung den illusionären Charakter einer Sportstätte betonen.

Auf den ersten Blick scheint die Fassade aus Betonfertigteilen zu bestehen. Das war auch zunächst so vorgesehen, was sich aber als zu teuer in der Ausführung erwies. Da die Architekten jedoch alternative Materialangebote durch die Bau­firmen vermeiden und an einer Betonkonstruktion festhalten wollten, liessen sie eine Studie erstellen, ob ihr Aussenhaut-Entwurf auch in Ortbeton zu realisieren wäre – und ob das günstiger sei. Die Untersuchung ergab, dass eine Ortbetonkonstruktion tatsächlich etwa eine Million Franken günstiger wäre, weshalb es so ausgeschrieben und schliesslich ausgeführt wurde.

Nach aussen gestülpt

Mit der Ortbetonbauweise der Fassade wurde auch die gesamte Tragkonstruktion umgekehrt: Nunmehr gab es nicht mehr eine Unterkonstruktion, die alle Lasten aufnahm. Vielmehr war die Sichtbetonwand nicht nur selbsttragend, sie nimmt auch alle vertikalen Gebäudelasten auf. Anlass war eine bauliche Besonderheit bei Eis­stadien: Drinnen ist es kälter als draussen, weshalb eine Innendämmung sinnvoller ist als eine aussen angebrachte Dämmung.

Tatsächlich suggeriert die fertige Fassade eine Fertigteilkonstruktion. Michael Schneider räumt jedoch ein, dass dies eher unbeabsichtigt sei. Sie resultiere aus den Stössen der Schalungsmatrizen. Diese hatte man jeweils nur geschosshoch und immer eine Gebäudeachse breit angelegt. Auf diese Weise liessen sich unvermeidliche Dehnungsfugen (in Längsrichtung) und Betonierabschnitte (in vertikaler Richtung) elegant kaschieren.

Mit den Schalungsmatrizen wurde insbesondere an den bullaugenbesetzten Stirnseiten gearbeitet, weil die Planer nach einer formal befriedigenden Lösung suchten, um die formal «harten» Fensteröffnungen mit etwas Stofflichem, «Weichem» stimmig zu verbinden. So ergab sich der gewünschte Vorhangeffekt.

Gebaeudegrundriss_Terrassenebene

Quelle: Caruso-St-John-Architects

Das Besondere an der Swiss-Life-Arena ist, dass die Spielfläche nicht – wie üblich – längs seiner äusseren Silhouette, sondern quer dazu platziert wurde.

Gebaeudeschnitt_EG-1

Quelle: Caruso-St-John-Architects

Die Architekten entwarfen an zwei Seiten beziehungsweise an den Kopfenden des Gesamtvolumens zwei niedrigere Gebäudeteile.

Grosse Betonbauerkunst

Besondere Herausforderungen waren auch die Sichtbetonflächen an den Längsseiten des Stadions. Diese sitzen auf einer durchlaufenden Betonsäulenflucht, die formal den Charakter eines Gebäudesockels hat. Auf diese zur ihrer Schaftmitte hin expressiv dicker werdende Säulenschar eine Ortbetonkonstruktion sauber aufzusetzen, ohne dass bei der Betonage unten flüssiger Beton aus der Schalung herausläuft, kann grosse Betonbauerkunst genannt werden.

Konstruktiv trägt der Faltenwurf im Beton nur sechs Zentimeter auf. Die statisch wirksame Wandstärke schliesst sich daran an und beträgt weitere 25 Zentimeter. Die Gesamtwandstärke misst somit an den dicksten Stellen 31 Zentimeter. Ganz ohne Betonfertigteile kommt allerdings auch diese Fassade nicht aus: Michael Schneider weist darauf hin, dass die oberen Wand-abschlüsse als solche ausgeführt würden.

Spieler von Weltrang einladen

Diese Eissporthalle ersetzt – wie erwähnt – nicht das Hallenstadion. Vielmehr hat Zürich dem ZSC Lions im Grundstückspachtvertrag untersagt, Events wie etwa Konzerte zu veranstalten, obwohl dies vom technischen Gebäudeausbau durchaus möglich wäre. Zulässig sind beliebige Sportevents und auch besucherstarke Kongresse. Ein Plan ist, eine grosses Hallentennisturnier mit Spielern von Weltrang auszurichten. Die Kartennachfrage ­dafür dürfte mit einem Konzert einer ­namhaften Rockband durchaus vergleichbar sein.

Geschrieben von

Freier Mitarbeiter für das Baublatt.

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