08:06 BAUPRAXIS

Recyclingbeton als zukunftsfähige Alternative

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Recyclingbeton ist ein alternatives Baumaterial, das Ressourcen schont und herkömmlichem Beton weder in qualitativer noch ästhetischer Hinsicht nachsteht. Doch das bewährte Material wird vor allem beim Hochbau noch zu wenig eingesetzt. Eine Gruppe von Studierenden der ETH Zürich will mit einem Aufklärungstool das Potenzial aufzeigen: Die Studentinnen Jessica Langer und Stella Harper erklären im nachfolgenden Artikel worum es geht.

Innenbereich der Schulanlage Hirzenbach.

Quelle: zvg

In Zürich sind zahlreiche öffentliche Gebäude mit Recyclingbeton gebaut worden. Ein Beispiel ist die 2008 fertiggestellte Schulanlage Hirzenbach aus der Feder der Boltshauser Architekten.

Beton besteht aus Kies und Zement. Weil die Kiesvorkommen schwinden, stellt sich bei der Herstellung von herkömmlichem Beton mit Zuschlagsstoffen aus Lagerstätten die Frage nach der Nachhaltigkeit. Studierende der Umweltnaturwissenschaften an der ETH Zürich haben daher untersucht, wie das Ausgangsmaterial von Beton aus abgebrochenen Häusern gewonnen werden kann, um daraus neue Gebäude entstehen zu lassen. Unter der Leitung von Christian Pohl, Dozent im Fach Umweltproblemlösen, analysierte das Team zunächst, wo und wie Recyclingbeton in der Schweiz bereits zum Einsatz kommt und welche Vorteile damit verbunden sind.

Den Ruf des Recyclingbetons in der Öffentlichkeit verbessern soll zudem das Aufklärungs-Tool «BAT». Die neu entwickelte Webplattform, die sich vor allem an private Bauherren richtet, vermittelt Hintergrundwissen über Recyclingbeton als nachhaltiges Baumaterial. Das «BAT» umfasst unter anderem Schätzfragen, kurze Info-Videos sowie Interviews mit wichtigen Akteuren der Schweizer Bauindustrie. Die Devise lautet: «Lerne mehr über den Beton der Zukunft». Denn für die fünf Studierenden ist klar, dass Recyclingbeton eine zukunftsfähige Alternative darstellt.

Lerne über den Beton der Zukunft.

Hier geht's zum Aufklärungstool«BAT»

Höherer Zementanteil

Die Rezyklierung erfolgt in der Regel durch den Rückbau abrissbereiter Häuser oder anderer Betonkörper. Der Beton wird dabei zu Granulat zerkleinert, das dann als Kiesersatz dient. Unter der Zugabe von Zement entsteht Recyclingbeton.

Wie Studien der Empa zeigen, ist bei Recyclingbeton das Verhältnis von Zement und Gesteinskörnung zugunsten des hydraulischen Bindemittels verschoben. Das liegt daran, dass Recyclinggranulat weicher ist als Kies. Um die gleiche Stabilität wie bei herkömmlichem Beton zu erhalten, wird deshalb der Zementanteil im Recyclingbeton erhöht. Auf diese Weise ergeben sich für beide Betonarten nahezu identische chemische und physikalische Eigenschaften.

Bereits bei 4500 Bauten eingesetzt

Allerdings ist Recyclingbeton bei vielen Architekten, Ingenieuren und Bauherren nach wie vor in Verruf, weil sie Qualitätseinbussen befürchten. Dies ist jedoch unbegründet. Denn Recyclingbeton lässt sich im Hausbau genauso wie herkömmlicher Beton einsetzen. Und bei guter Verarbeitung unterliegt Recyclingbeton seinem herkömmlichen Pendant weder in ästhetischer noch qualitativer Hinsicht. Ein Nachteil sind die hohen CO2-Emissionen durch den zusätzlichen Zementverbrauch. Durch kurze Transportwege von weniger als 25 Kilometer lässt sich dieser Nachteil jedoch kompensieren.

Was den Einsatz von Recyclingbeton angeht, ist in der Schweiz die Wiederverwertung von altem Beton auf gutem Weg und gemäss Laurent Audergon, Geschäftsführer vom Verband für Baustoffrecycling Schweiz, im Vergleich zu anderen Ländern in Europa sehr fortschrittlich. Bislang wurden hierzulande bereits 4500 Bauten mit Recyclingbeton erstellt.

Knappheit bei Vorkommen und Deponien

Ein zentraler Vorteil von Recyclingbeton ist, dass weniger Kies abgebaut werden muss, was einen schonenden Umgang mit der endlichen Ressource erlaubt. Denn wenn der Verbrauch im gleichen Ausmass weitergeht wie bisher, sind die zugänglichen Kiesvorkommen der Schweiz innerhalb von 50 Jahren erschöpft.

Dabei wird der Beton von abgerissenen Häusern zu rund 90 Prozent aufbereitet. Von diesen 90 Prozent werden nur 25 Prozent wieder im Hochbau eingesetzt. Hier besteht noch viel Potential, da ein Anteil von 30 Prozent des bereits aufbereiteten Materials auf unbestimmte Zeit gelagert wird und 40 Prozent im Tiefbau Verwendung findet. Diesen Prozess nennt man «Downcycling», da das Material nach der Verwendung entsorgt werden muss und so aus dem Kreislauf austritt.

5 Prozent des Recyclinggranulats werden direkt auf Deponien entsorgt. Laut Guillaume Habert, Professor für nachhaltiges Bauen an der ETH Zürich, wird der dafür verfügbare Platz für die Zwischenlagerung und die Entsorgung auf den Deponien knapp. Dies bestätigt auch eine Studie des Amts für Abfall, Wasser Energie und Luft. Demnach ist auf dem Gebiet des Kantons Zürich das aktuell bewilligte Deponievolumen nur noch für die nächsten zehn Jahre ausreichend.

Stadt Zürich als Vorreiterin

Beim Einsatz von Recyclingbeton nimmt die Stadt Zürich eine Vorreiterrolle ein. Auf Stadtgebiet wurden schon viele öffentliche Gebäude mit Recyclingbeton gebaut. Ein Beispiel ist die 2008 fertiggestellte Schulanlage Hirzenbach, die von Boltshauser Architekten konzipiert und realisiert wurde. «Durch dieses Projekt habe ich viel Vertrauen in Recyclingbeton gewonnen, da alles nach Plan verlaufen ist», sagt dazu der beteiligte Architekt Daniel Christen.

Recyclingbeton verfolgt das Ziel der Nachhaltigkeit konsequent. Speziell auch beim Hausbau bietet er eine Alternative für umwelt- und ressourcenschonendes Bauen. Mit Recyclingbeton steht somit ein ebenbürtiges Material zur Verfügung.

Dieser Artikel wurde von den Studentinnen Jessica Langer und Stella Harper verfasst.

Die Studierenden (v.l) Jessica Langer, David Jung, Stella Harper, Jon Went, Marcel Scheiwiller.

Quelle: zvg

Die Studierenden (v.l) Jessica Langer, David Jung, Stella Harper, Jon Went, Marcel Scheiwiller.

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