12:06 BAUPRAXIS

Öko-Beton: Empa-Forscher arbeiten an alternativem Zement

Teaserbild-Quelle: Empa

Sieben Prozent des weltweiten Kohlendioxid-Austosses lassen sich auf die Zementindustrie zurückführen. Empa-Forscher arbeiten deshalb an alternativem Zement, der deutlich weniger Emissionen verursacht oder sogar CO2-negativ ist.

Blatt auf Asphalt

Quelle: jplenio, Pixabay-Lizenz

Empa-Forscher arbeiten an alternativem Zement, der deutlich weniger Emissionen verursacht oder sogar Kohlendioxid binden kann.

Zement zählt zu den meistgenutzten Produkten der Welt. Bei der Herstellung von einer Tonne des Materials steigen rund 700 Kilogramm Kohlendioxid in die Atmosphäre, wie die Empa in einer Mitteilung von Donnerstag schreibt. Zwar fallen diese Emissionen im Vergleich zur Stahl- oder Aluminiumgewinnung geringer aus. Aber schlussendlich mache es die Menge aus. Denn jedes Jahr werden weltweit rund zwölf Kubikkilometer Beton produziert, womit sich der Vierwaldstättersee jedes Jahr aufs Neue komplett auffüllen liesse.

Rund sieben Prozent des weltweiten Kohlendioxid-Ausstosses lassen sich auf die Zementindustrie zurückführen. Während die Produktion in Europa stabil ist, dürfte diese Zahl laut der Empa in Zukunft aber dennoch ansteigen. Dies aufgrund des wachsenden Bedarfs in Asien und Afrika. Daneben fordert auch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen die Entwicklung und den Einsatz von neuen zementbasierten Materialien, die klimafreundlicher und kostengünstig sind. So arbeiten auch Empa-Forscher an alternativen Zement- und Betonarten, bei dessen Herstellung weniger schädliches Klimagas entsteht oder sogar Kohlendioxidgebunden wird.

CSA-Zement aus Calciumsulfoaluminat

Traditionell werde Zement im Drehrohr-Ofen bei rund 1450 Grad Celcius gebrannt, wie Empa-Forscher Frank Winnefeld von der Abteilung «Concrete & Asphalt» in der Mitteilung erklärt. Zwar lassen sich Fossile Brennstoffe hierbei durch alternative Energien ersetzen. Allerdings sei das Sparpotenzial mit den heutigen Technologien zumindest in Europa bereits sehr ausgereizt.

Mit dem Einsatz von Rohstoffen, die eine geringere Brenntemperatur benötigen, lasse ich jedoch mehr Energie sparen. Ein vielversprechender Kandidat hierfür sei CSA-Zement aus Calciumsulfoaluminat. Dieser benötige eine um 200 Grad niedrigere Brenntemperatur und stosse pro Tonne Zement rund 200 Kilogramm weniger Kohlendioxid aus. Diese Reduktion sei aber nicht nur auf die geringere Brenntemperatur zurückzuführen: Die Rohstoffmischung von CSA-Zement beinhalte auch eine geringere Menge an Kalkstein.

Weniger Kalkstein für Öko-Zement

Denn Kalkstein verursacht durch eine chemische Reaktion während der Zementherstellung den Grossteil der CO2-Emissionen, wie die Empa erklärt. Die Verringerung des Kalkstein-Anteils sei aus diesem Grund ein interessanter Aspekt, um Öko-Zement zu entwickeln. Neben CSA-Zement lassen sich hierfür auch Inhaltsstoffe verwenden, die als Abfälle anderer Industriezweige anfallen. Zum Beispiel Schlacke aus Hochöfen bei der Roheisengewinnung oder Flugasche, die bei der Kohleverbrennung übrigbleibt. Beide Produkte lassen sich mit Zement vermischen und tragen so zur Senkung der CO2-Emissionen bei.

Der Knackpunkt dabei: Mit diesen Sekundärrohstoffen lässt sich der gigantische Bedarf der Branche nicht decken. Die Empa-Forscher suchen aus diesem Grund derzeit nach Industriezweigen, deren Sekundärrohstoffe noch wenig genutzt werden. Ein Beispiel hierfür ist laut Frank Winnefeld die metallurgische Rückgewinnung von Edelmetallen aus Elektroschrott, bei der eine hochwertige Schlacke übrig bleibt, die wiederum in Pulverform mit Zement vermischt werden kann. Wenn der Gehalt an Schwermetallen den gesetzlichen Normen entspricht, könne dieser Zement auch in der Schweiz zum Einsatz kommen. Laut Winnefeld ist es zudem auch möglich, mineralische Bauabfälle für Mischzement zu verwenden.

Die Art der Zusatzstoffe im Zement lässt sich sogar derart verändern, dass der Vorgang des Brennens komplett entfällt. Im sogenannten alkali-aktivierten Zement werden die Bestandteile wie Schlacke, Asche oder calcinierter Ton durch starke alkalische Lösungen wie etwa Natriumsilikate zur erwünschten chemischen Reaktion animiert. Die Produkte dieser Reaktion verbinden sich daraufhin zu einem Material, dessen Druckfestigkeit jener von gebranntem, herkömmlichen Zement entspricht.

CO2-negativer Beton?

Ein wahrer Klimafreund wäre ein CO2-negativer Beton, der das Kohlendioxid bindet, anstatt es frei werden zu lassen. Die Forscher arbeiten hierbei beispielsweise an einem Magnesium-basierten Zement, der die Grundlage für diesen Öko-Beton liefern soll. Ressourcen für den Rohstoff finden sich in Regionen, in denen magnesiumhaltiges Olivin im Boden vorkommt. Allerdings befindet sich das Mineral vor allem tief im Erdmantel. Wird es aber durch vulkanische Aktivität an die Erdoberfläche transportiert, etwa in Skandinavien, lässt es sich abbauen.

Bei der Zementherstellung aus Olivin wird dem rohen Magnesiumsilikat dann Kohlendioxid zugeführt. Und da in einem weiteren Verarbeitungsschritt nur ein Teil des Materials gebrannt wird, entsteht beim Brennen des Zements weniger CO2 als vorher verbraucht wurde. Das Ergebnis trägt zwar bereits den eingängigen Namen «MOMS» (Magnesium Oxide derived from Silicates), seine Eigenschaften sind laut der Empa jedoch noch weitgehend unerforscht.

Fehlende Rezepte für alternativen Zement

Für die industrielle und kosteneffiziente Produktion solcher Ansätze seien jedoch Analysen nötig, die zeigen, dass der Öko-Zement die gleichen Anforderungen erfüllt wie herkömmliche Produkte. Das Problem hierbei: Bei vielen alternativen Zementarten fehlen derzeit noch die Rezepte, die aufzeigen, in welchen Mengen neue Bestandteile zugemischt oder Herstellungsverfahren abgewandelt werden können, ohne die begehrte Eigenschaften des traditionellen Zements aufs Spiel zu setzen.

Solange sich die mindestens gleichwertige Leistungsfähigkeit von Öko-Zement nicht aufzeigen lässt, werde der klassische Portland-Zement für Bauingenieure weiterhin das massgebliche Material bleiben. Aus diesem Grund analysieren die Zementforscher der Empa derzeit chemische Mischungsverhältnisse und Konformitätskriterien wie Festigkeit und Dauerhaftigkeit von neuen Zementarten. Damit werde der Weg zu normgerechten Zulassungen bereitet.

Labormörtel Empa

Quelle: Empa

Magnesiumoxid und Hydromagnesit geben dem Labormörtel seine weisse Farbe.

Optimierung von Industrie-Prozessen

Nebst chemischen Untersuchungen werden durch mikroskopische Analysen und thermodynamische Modellierungen auch die Reaktionen im Inneren des Zements erforscht und die Belastbarkeit grosser Bauteile aus verschiedenen Zementarten verglichen. Gemäss Winnefeld müssen Industrielle Prozesse noch optimiert werden, da sie in vielen Fällen noch zu teuer sind. Klar sei aber bereits, dass sich Beton mit alternativen Zementarten mit einer vergleichbaren oder sogar besseren Dauerhaftigkeit herstellen lasse.

In dieser Hinsicht zeichne sich aber bereits eine Entwicklung ab: Die Vielfalt der Zement- und Betonprodukte werde künftig zunehmen. Für die Baustoffproduzenten bringt diese Vielfalt erhöhte Anforderungen mit sich. Zudem, so ist sich Winnefeld sicher, würden bei der Nutzung von Sekundärrohstoffen lokale Lösungen attraktiver, wenn Transportwege entfallen, weil beispielsweise passende Industrierückstände in der Nähe eines Zementwerks anfallen. (mgt/pb)

Weitere Informationen: https://www.empa.ch/web/s604/oekobeton

CO2-Emissionen von Zement und Beton

Die Betonproduktion ist global für etwa 6 Prozent, in der Schweiz sogar für 9 Prozent der menschgemachten CO2-Emissionen verantwortlich. Im Heimwerkerbereich wird Beton anhand einfacher Faustformeln gemischt. So ergeben 300 Kilogramm Zement, 180 Liter Wasser sowie 1890 Kilogramm Gesteinskörnung einen Kubikmeter Beton. Der CO2-Ausstoss des Betons stammt grösstenteils vom Zementanteil: Zement muss bei 1450 Grad gebrannt werden, dabei löst sich mineralisch gebundenes CO2aus dem Kalkstein. Weltweit werden jährlich 2,8 Milliarden Tonnen Zement hergestellt. (Text: Andrea Six,Empa)

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