07:28 BAUPRAXIS

Nachhaltigkeit im Betonbau: Auf Zement basierte Mineralschaumdämmung

Geschrieben von: Robert Mehl (rm)
Teaserbild-Quelle: Geolyth

In Crailsheim entsteht derzeit ein Betonfertigteilbau dessen Aussenwände keine erdölbasierte Sandwichdämmung, sondern eine zementbasierte Mineralschaumdämmung aufweisen. Es bildet, zusammen mit dem Betontragwerk eine monolithische Konstruktion.

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Quelle: Geolyth

Für einen Neubau in Crailsheim wurden Aussenwände verwendet, die eine zementbasierte Mineralschaumdämmung aufweisen.

Im Frühsommer 2022 wies der österreichische Montanwissenschaftler Matthias Katschnig in einer Studie nach, dass die Produktion von hochdämmenden Mineralschaum nur 57 Kilogramm pro Kubikmeter Kohlendioxid erfordert. Bei Mineralschaum handelt es sich um ein neuartiges, zementgebundenes Dämmmaterial, das von der österreichischen Geolyth Mineral Technologie GmbH zur Marktreife entwickelt wurde. Es findet in einem eingeschossigen Bauwerk, das die Zuber Beton GmbH auf ihrem Firmengelände in Crailsheim errichtet hat, seine erste Anwendung.

Neubau ersetzt Provisorium

Der Neubau nach dem Entwurf des Stuttgarter Büros Berger + Architekten steht unmittelbar neben dem im Vorjahr bezogenen, neuen Verwaltungsgebäude des Betonfertigteilherstellers. Das etwa 400 Quadratmeter grosse, eingeschossige Gebäude ersetzt einen volumenmässig vergleichbaren 1960er-Jahre-Bau, der seinerzeit als Provisorium errichtet wurde. Den Neubau wird nun die Crailsheimer Kolping Bildungswerk als Verwaltungs- und Schulungsbau nutzen, da es seit Jahren in den benachbarten Hallen Schulungswerkstätten unterhält. 

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Quelle: Geolyth

Der eingeschossige Neubau am Tage des Richtfestes.

Das Areal – eine ehemalige Kunststofffabrik – liegt gegenüber den Produktionsstätten des Betonfertigteilherstellers. Es ist deren potentielle Expansionsfläche und derzeit komplett fremdvermietet. Äusserlich prägt eine Blendfassade aus gespaltenen Klinkersteinen den Neubau. Um einen Vintage-Look zu erreichen, wurden Steine aus vier verschiedenen Bränden miteinander vermischt. In den Wandflächen sitzen grossformatige Sichtbeton-Fensterleibungen. Mit seiner schmalen Stirnseite ist der niedrige Bau zur Strasse orientiert und wird hier von einem Dreiecksgiebel aus Sichtbeton bekrönt. Das um elf Grad geneigte Satteldach wurde vollständig mit einer Photovoltaikanlage bedeckt, die eine maximale Stromleistung von 150 Kilowattstunden erbringt.

Mineralisch gedämmte Fassade

Die Aussenwände bestehen aus 70 Zentimeter starken Betonfertigteilen, die eine zehn Zentimeter dicke Vorsatzschale aufweisen. In diese wurden der Länge nach gespaltene, rund vier Zentimeter starke Ziegelsteinhälften einbetoniert. Diese setzten Betonbauer in die mit Strukturmatrizen vorbereiteten Schalungen ein und bedeckten diese anschliessend mit Beton. Neben der erforderlichen Flächenbewehrung brachten die Techniker noch eine extra grosse Version der Delta-Anker ein, die 55 Millimeter tief in die Vorsatzschale hineinreichen. Die Schale verblieb nach ihrem Abbinden liegend in der extra tiefen Schalung, worauf auf diese eine 40 Zentimeter starke Mineralschaumlage aufgebracht wurde.

Im flüssigen Zustand hat der zementgebundene Dämmstoff eine fluffig-sahnige Konsistenz und muss nicht verdichtet werden. Neben einem geringen Gewicht von nur 65 Kilogramm pro Kubikmeter zeichnet sich das Produkt durch eine hohe Frühfestigkeit aus: Nach 15 Minuten ist der Mineralschaum schnittfest und schon nach 45 Minuten kann eine neue Betonlage aufgebracht werden. Auch in diese, nunmehr 20 Zentimeter starke und statisch tragende Innenwand, ragt der Verbindungsanker 55 Millimeter tief hinein. 

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Quelle: Geolyth

Im flüssigen Zustand hat der zementgebundene Dämmstoff eine fluffig-sahnige Konsistenz und muss nicht verdichtet werden.

Mit einer Gesamtkonstruktionshöhe von 510 Millimeter verhindern diese Verbindungselemente, dass die gesamte Konstruktion in aufrechter Position nicht aneinander abschert. Immerhin wiegen die einzelnen Betonfertigteile, die sich über je drei Fensterachsen erstrecken, etwa 17 Tonnen. Mit der Dämmstärke von 400 Millimeter ging man bewusst an die Grenzen des Machbaren, da der Verbindungsankerhersteller eine bauaufsichtliche Zulassung für diese Maximaldimension besitzt.

Hohe Recyclingfähigkeit

Gerhard Vorwagner, Geschäftsführer von Geolyth stellt zufrieden fest, dass der Wert des benutzten Mineralschaums durchaus den vergleichbaren, erdölbasierten Dämmmaterialien entspricht. Von diesen unerreicht ist jedoch die lange Lebensdauer eines mineralischen Baustoffs und damit verbunden, dessen hohe Recyclingfähigkeit. Denn mit Mineralschaum gedämmte Aussenwände könnten als Ganzes zermahlen werden. Anders als bei anderen Sandwichbauweisen muss nicht erst das Dämmmaterial etwa vom Beton getrennt werden. Vertretbare Verunreinigungen ergeben sich bei diesem Bauwerk nur aus der dekorativ applizierten Ziegelverkleidung, die jedoch ebenfalls mineralischen Ursprungs ist.

Statisch betrachtet, ähnelt der zementbasierte Mineralschaum in seinen Eigenschaften allerdings mehr einer Dämmmatte als einer Betonplatte: Auf Druck ist er nur in geringem Masse belastbar, auf Zug hingegen überhaupt nicht. Dies ist der Grund, warum die drei Fertigteilschichten mit je acht Ankern pro Element verbunden werden mussten.

Durchlaufzeit von einer Minute

Der mineralische Dämmstoff wird in zwei unmittelbar nacheinander erfolgenden Arbeitsschritten erstellt. Zunächst wird der Grundstoff «Geobase», eine spezielle Zementmischung, mit Wasser angemacht. Es entsteht eine breiige Masse, ein «Slurry», welche über eine Quetschpumpe zu einem Mischrohr geführt wird, wo ein eigens dafür entwickelter Schaum zugegeben wird. 

Aufgebracht auf eine Platte weist dieser Zugabeschaum ein hohes Anhaftmoment auf. Kippt man die Platte, rutscht die Masse nur langsam herunter. Es besteht die Möglichkeit, die Fliessfähigkeit des Mineralschaums zu steuern: Geschieht die Betonage etwa unter freiem Himmel bei Sonnenschein, setzt man den Mineralschaum tendenziell etwas flüssiger an als bei einer Verarbeitung in geschlossenen Werkshallen. In die Schalungen eingebracht wird er über Schläuche. 

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Quelle: Geolyth

Mit einem Mischrohr wird die breiige Masse zugeführt.

Zum Beschicken der Rütteltische, auf denen die Wandelemente in Crailsheim gefertigt wurden, legte man deren Länge auf 20 Meter fest. Die Produktion des benötigten Mineralschaums erfolgte vor Ort in einer Kompaktanlage, die von dem Schaumhersteller gestellt wurde. Konkret war das ein modifizierter 16 Fuss-Container, in dem alle produktionserforderlichen Maschinenmodule untergebracht waren. Auf dessen Oberseite sass ein grosser Trichter, in den die pulverförmigen Festbestandteile eingefüllt wurden, es gab einen Wasseranschluss, einen Stromanschluss und schliesslich den Ausgabestutzen für den flüssigen Mineralschaum. Die Durchlaufzeit der Rohstoffe bis zum verarbeitungsfähigen Produkt durch seine Maschine wird auf etwa eine Minute geschätzt.

Schneller Rohbau

«Der Rückbau dauerte drei Wochen, der Neubau nur drei Tage», merkt Laurenz Zuber, Geschäftsführer von Zuber Beton an. Tatsächlich kamen der hohe Grad der Vorfertigung und die hohe Präzision der Betonfertigteile der Umsetzung zu Gute. Zuber resümiert, dass der enge Zeitrahmen von knapp drei Monaten Bauzeit keine andere Wahl als eine enge Taktung zuliess: Im März begann der Abriss, das Aufstellen der Betonfertigteile begann am Montag vor Ostern, mittwochs stand bereits der Rohbau. 

Die Decke des eingeschossigen Schulungszentrums besteht aus Spannbetonhohldecken, auf dem 20 Zentimeter Dämmung liegt und ein Kaltsatteldach bildet, auf dem die erwähnte PV-Anlage montiert ist. Die Innenwände sind reiner Trockenbau, bestehend aus einem mittigen Flur und beidseitig davon abgehenden Büroflächen. Während die Flurwände aus Brandschutzgründen bis zur Bodenplatte herabgezogen sind, stehen für eine einfache Umnutzung die weiteren Trennwände auf dem Estrich. Beheizt wird der Neubau über eine Fussbodenheizung und eine Luft-/Wärmepumpe.

In dem Bauen mit mineralischen Dämmstoffen sehen sowohl Zuber als auch Vorwagner nicht nur ein riesiges Marktpotenzial, sie betrachten das Material auch als eine «echte und nachhaltige Alternative zu erdölbasierten Dämmstoffen».

Geschrieben von

Freier Mitarbeiter für das Baublatt.

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