20:16 BAUPRAXIS

Cool und günstig: Werkzeug für das Design von kalt gebogenem Glas

Teaserbild-Quelle: Ruslan Guseinov / IST Austria

Gebogenes Glas für Glasfassaden ist günstiger, wenn es kalt gebogen wird. Allerdings ist diese Methode äusserst anspruchsvoll, was das Design und die dafür nötigen Berechnungen betrifft. Ein Internationales Wissenschaftsteam will dies mit einer Software ändern.

Schematisce Darstellung

Quelle: Ruslan Guseinov / IST Austria

Mit dem Tool kann ein ursprüngliches Konzept leicht angepasst und so eine Glasfassade geschaffen werden, die sich mittels Kaltbiegen hergestellen lässt.

Gebogene Glasfassaden können so atemberaubend wie teuer sein. In der Regel werden Scheiben solcher Gebäudehüllen durch „Heissbiegen“ hergestellt: Das Glas wird erhitzt und dann in Form gebracht. Allerdings ist dieses Verfahren sehr energieintensiv, zudem fällt viel Abfall an. Eine günstigere Alternative ist kaltgebogenes Glas: Flache Glasscheiben werden direkt auf der Baustelle an Rahmen befestigt. Wegen der Zerbrechlichkeit des Materials ist es jedoch äusserst schwierig, eine Form zu finden, die ästhetisch anspricht und machbar ist.

Über eine Million Simulationen mit kaltgebogenem Glas

Ein internationales Wissenschaftsteam der IST Austria, der TU Wien, der Universität Rey Juan Carlos in Madrid und der König Abdullah Universität in Saudiarabien hat eine Software entwickelt, mit der sich kalt gebogene Glasfassaden einfach entwerfen lassen. Sie basiert auf über einer Million Simulationen, die die Wissenschaftler durchgeführt und aus denen sie eine Datenbank möglicher gebogener Glasformen erstellt haben: Die Fassade kann am Bildschirm gestaltet oder vielmehr interaktiv manipuliert werden. Parallel dazu gibt das Programm Rückmeldung, ob sich das gewünschte Design herstellen lässt und liefert mehrere mögliche Glasformen. Je nachdem kann der Entwurf angepasst oder automatisch optimiert werden.

„Es ist zwar möglich zu berechnen, wann ein einzelnes Paneel bricht, oder eine Sicherheitsmarge für zusätzliche Lasten zu simulieren, aber die gesamte Fassade, die oft Tausende von Paneelen umfasst, ist einfach zu komplex für herkömmliche Designerwerkzeuge“, erklärt Ruslan Guseinov, Postdoc am IST. Ausserdem dauert es laut Guseinov auch ganz einfach zu lange, wenn Spannungen und Verformungen für jede Designänderung mit herkömmlichen Methoden kalkuliert werden müssen.

Wirtschaftliche, ästhetische und technische Kriterien

Um die Genauigkeit der Simulationen zu überprüfen, fertigte das Forschungsteam Rahmen und Glasplatten an, die unter extrem hoher Belastung standen. Alle Glaspaneele waren wie erwartet herstellerbar, im Extremfall stellten die Wissenschaftler lediglich eine minimale Abweichung von den vorhergesagten Formen von weniger als einer Paneeldicke fest.

„Wir glauben, dass wir ein neuartiges, praktisches System geschaffen haben, das geometrisches und fertigungsgerechtes Design miteinander verbindet und es ermöglicht, effizient ein Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen, ästhetischen und technischen Kriterien zu finden“, ist Bernd Bickel, Professor am IST, überzeugt. Laut Bickel und seinen Kollegen könnte das Pogramm in Zukunft um zusätzliche Funktionen für praktisches Architekturdesign erweitert oder zur Erforschung verschiedener Materialien und komplexerer mechanischer Modelle eingesetzt werden. (mai/mgt)

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