07:39 BAUPRAXIS

Ferngesteuerte Heizung: Energiesparen aus der Ferne

Geschrieben von: Michael Staub (ms)
Teaserbild-Quelle: zvg

Viele Heizungen in Zweitwohnungen laufen im Dauerbetrieb. In Vella GR hingegen kann die Heizung nicht nur ferngesteuert, sondern auch präziser und mit merkbaren Einsparungen betrieben werden. Möglich macht es eine Regelung für Fussbodenheizungen und TABS.

Ferienhäuser Surselva

Quelle: zvg

An bester Lage in der Surselva befinden sich die zwei Häuser mit insgesamt acht Ferienwohnungen.

Am Rand von Vella GR befindet sich ein moderner Duplexbau. Zwei Häuser mit insgesamt acht Eigentumswohnungen sind über ein gemeinsames Treppenhaus verbunden. Der 2010 erstellte Bau besitzt eine sehr gut gedämmte Gebäudehülle, dreifach verglaste Fenster und eine kontrollierte Lüftung. Für Raumwärme und Warmwasser sorgt eine innen aufgestellte Luft-Wasser-Wärmepumpe. Die Wärmeabgabe erfolgt über eine normale Fussbodenheizung. 

Diese gute energetische Ausgangslage wollte Miteigentümer Roger Neukom nochmals verbessern. Denn der Geschäftsleiter der Neukom Engineering AG in Adliswil ZH ist Gebäudetechniker mit Leib und Seele. Deshalb installierte er in seiner 4,5-Zimmer-Zweitwohnung bereits 2010 eine Heizungsfernsteuerung.

Exakte Steuerung

Damit konnte die Heizung aus der Ferne ein- und ausgeschaltet werden. Das System war einfach, funktionierte via SMS und hätte vermutlich noch einige Jahre seinen Dienst getan. Doch die Abschaltung des 2G-Mobilfunknetzes zog der Lösung gewissermassen den Stecker. Eine neue Fernsteuerung musste her. Diesen Auftrag erhielt die Caduff Haustechnik AG (Ilanz). Projektleiter Dino Blumenthal war erst kurz zuvor auf die Einzelraumregelung Therm-Control von Nussbaum aufmerksam geworden. Dieses System kann für eine beliebige Anzahl von Heizkreisen verwendet werden und führt einen vollautomatischen thermischen Abgleich durch.

Speziell ist das Steuerungsprinzip. Konventionelle Regelsysteme arbeiten bekanntlich mit einem Feedback-Loop: Fällt die Raumtemperatur unter den definierten Sollwert, beginnt der Wärmebezug der Heizkreise im Raum. Sobald der Sollwert erreicht ist, stoppt man den Bezug. Wegen der Trägheit des Systems wird der Sollwert aber regelmässig überschritten. Deshalb entspricht die Raumtemperatur einer Sinuskurve, die immer mal wieder kurz den Sollwert erreicht, meistens aber darunter oder darüber liegt.

Bauherren

Quelle: zvg

Erfolgreiches Trio: Rolf Schümperli (Nussbaum), Dino Blumenthal (Caduff Haustechnik) und Bauherr Roger Neukom (Neukom Engineering AG).

Im Gegensatz zu dieser konventionellen Lösung steuert und regelt Therm-Control die Heizkreise schrittweise, präzise und ohne Überschiessen auf die gewünschte Temperatur. «Jeder Heizkreis wird individuell bewirtschaftet. Wir setzen nur genau so viel Energie ein, wie nötig. Durch diese genaue Steuerung bleibt die Raumtemperatur viel konstanter und damit angenehmer», erläutert Sebastian del Valle, Produktmanager Heizung bei Nussbaum. Das System kann vom Installateur in den bestehenden Verteilkasten eingebaut werden. Es eignet sich für alle Objekte mit Fussbodenheizung und/oder TABS.

Die Regelung der Heizkreise übernimmt ein selbstlernender Algorithmus. In der Schweiz sind gemäss del Valle bereits mehrere tausend Einheiten verbaut worden, wovon etwa zwei Drittel auf Neubauten entfallen und ein Drittel auf Sanierungen. Therm-Control ist in vier Ausbaustufen erhältlich, von der einfachen Version ohne Konnektivität bis zur Variante mit mobilem Zugriff via Cloud. In Vella wurde letztere gewählt, weil sie eine problemlose Fernsteuerung via Desktop-Computer oder Smartphone ermöglicht.

Sparsam und flexibel

Die Installation in Vella verlief laut Dino Blumenthal problemlos: «Wir konnten den bestehenden Verteiler beibehalten und mussten nur die Rohre einige Zentimeter kürzen. So schufen wir Platz für die Rücklauf-Temperaturfühler und die neuen Stellantriebe. Dank der alten Fernsteuerung war im Verteilerkasten auch schon ein Stromanschluss vorhanden, das machte es nochmals einfacher.» Nicht alle Bereiche der Wohnung müssen fein geregelt werden. Im Schlafzimmer zum Beispiel reicht dem Bauherrn eine relativ tiefe Temperatur.

Für diese Fälle kann in Therm-Control eine fixe Leistungsstufe von 1-10 gewählt werden. Die Inbetriebnahme des gesamten Systems klappte reibungslos. Bauherr Roger Neukom hat mit der neuen Lösung mehr Flexibilität gewonnen: «Mit der alten Lösung konnte ich nur alle Zimmer gleichzeitig auf eine voreingestellte Temperatur heizen. Mit der Einzelraumregelung ist die Steuerung viel feiner. Falls zum Beispiel eine unserer Töchter nicht mitkommt, können wir auf das Aufheizen ihres Zimmers verzichten. Die gesamten Einstellungen laufen via Smartphone, was ich sehr angenehm finde.»

Heizungsverteiler

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Schnell installiert: Therm-Control konnte in den bestehenden Heizungsverteiler eingebaut werden.

Gemäss einer aktuellen Performance-Analyse der Hochschule Luzern spart Therm-Control gegenüber einer ungeregelten Wärmeabgabe bis zu 20 Prozent Energie. Deshalb ist Roger Neukom auf die Heizkostenabrechnung gespannt, die er in den nächsten Wochen auswerten kann: «Insbesondere der Vergleich zu einer Wohnung ohne Therm-Control wird interessant. Ich werde meine Erkenntnisse auf jeden Fall an der nächsten Stockwerkeigentümerversammlung vorstellen und hoffe, auch den einen oder anderen Nachbarn überzeugen zu können.»

Gute Erfahrungen

Bereits überzeugt ist Dino Blumenthal. Denn nach der erfolgreichen Installation bei Roger Neukom nahm sich die Caduff Haustechnik AG ihr eigenes Bürogebäude vor. Der dreigeschossige Bau mit Baujahr 1986 ist ebenfalls mit einer Fussbodenheizung ausgerüstet. Doch diese liess sich nur schlecht regulieren, berichtet Blumenthal: «Entweder war es in unserem Büro zu heiss oder zu kühl. Eine wirklich angenehme Temperatur gab es während der Heizperiode fast gar nicht.» 

Mit dem Einbau von Therm-Control habe sich die Situation nun schlagartig verbessert: «Bereits nach zwei, drei Tagen merkten wir, dass die Temperatur stabil blieb. Nun ist es richtig behaglich geworden, was unsere tägliche Arbeit viel angenehmer macht.»

Enormes Potential

In der ganzen Schweiz gibt es über 700'000 Zweitwohnungen. Deren Heizungen beanspruchen deutlich zu viel Energie. Denn etwa 85 Prozent aller Objekte werden durchgängig beheizt, selbst wenn wochen- oder monatelang niemand in der Wohnung anwesend ist. Würden diese Heizungen hingegen mit einer Fernsteuerung ausgerüstet und kurz vor dem Eintreffen der Bewohner auf die Komforttemperatur hochgefahren, könnten gemäss einer Schätzung von Energie Schweiz jedes Jahr ungefähr 2'000 Gigawattstunden eingespart werden. 

Das Energiegesetz verlangt deshalb bei neu erstellten Zweitwohnungen zwingend eine Heizungsfernsteuerung. Dieselbe Vorgabe gilt im Prinzip auch für bestehende Zweitwohnungen, wird im kantonalen Vollzug aber nur sehr selten durchgesetzt. Für Installierende liegt in diesem Markt ein enormes Potenzial. Ein wichtiger Punkt für erfolgreiche Projekte ist gemäss Branchenkennern die Kommunikation: Die Kosten einer Heizungsfernsteuerung (je nach Modell und Objekt ca. 1500-3000 Franken) sind nämlich schnell amortisiert. Bereits für eine Wohnung beträgt die jährliche Einsparung ungefähr 200-800 Franken, für freistehende Gebäude nochmals deutlich mehr.

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Freier Mitarbeiter für das Baublatt.

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