11:11 BAUPRAXIS

Carbonbeton: Bauen neu denken

Viele Bauwerke aus Stahlbeton werden kaum älter als der Mensch. Schuld ist zumeist die Korrosion. Deutsche Forscher arbeiten daran, dass Stahlbewehrungen einmal von nichtrostenden Carbongelegen abgelöst werden. Künftig soll mit weniger Beton kostengünstiger und flexibler gebaut werden.

Beton ist das unersetzbare «Schmiermittel» der weltweiten Bauindustrie. Schliesslich werden jährlich acht Milliarden Kubikmeter des wandelbaren Baustoffs verbraucht. «Um diese Zahl greifbar zu machen, muss man sich einen gewöhnlichen Tennisplatz vorstellen, um den wir einen Turm mit einer Wandstärke von 30 Zentimetern bauen. Dieser Turm hätte eine Höhe von etwa 384 000 Kilometern – und würde bis zum Mond reichen», erläutert Professor Manfred Curbach, Leiter des Instituts für Massivbau an der Technischen Universität Dresden.

Damit ist der ressourcenintensive Beton das weltweit am häufigsten verwendete Material nach Wasser. In der Konsequenz wird der für die Betonherstellung benötigte Sand in vielen Regionen der Welt langsam knapp. «Es gibt heute sogar Länder, in denen sich die Baufirmen den Sand gegenseitig von den Baustellen klauen», so Curbach pointiert. Zum hohen Rohstoffverbrauch kommen enorme CO2-Emissionen hinzu. Allein die Zementherstellung verursacht 6,5 Prozent des globalen Kohlendioxidausstosses. Das entspricht etwa der dreifachen Menge CO2, die durch die globale Luftfahrt emittiert wird.

Problematisch ist zudem, dass viele der Stahlbetonkonstruktionen wegen Korrosionsschäden nicht so lange halten, wie dies ihre Erbauer einmal dachten. Autobahnbrücken bröckeln beispielsweise bereits nach 40 bis 80 Jahren und müssen für teures Geld saniert werden. «Allein aus diesen wenigen Zahlen wird klar, dass wir so nicht weiterbauen können», sagt Curbach. Es brauche Veränderungen im Bauwesen, ja eigentlich eine neue Art des Bauens.

80 Prozent Beton einsparen

Ein Ansatzpunkt um den Betonverbrauch zu reduzieren und dauerhafter zu bauen, ist der Ersatz des korrosionsanfälligen Bewehrungsstahls durch Carbongelege. Da diese technischen Textilien aus Kohlenstofffasern nicht rosten, lässt sich all der Beton einsparen, der nur den Stahl vor dem Korrodieren schützen soll. Und das ist nicht wenig. Drei bis fünf Zentimeter dick ist heute jeweils die Schicht, welche die Stahlbewehrung schützend umhüllt. Bei der Herstellung von Carbonbeton kommt man folglich mit der Hälfte der Betonmenge aus, die für klassischen Stahlbeton benötigt wird. «Mit durchdachten, kreativen Entwürfen lässt sich der Betonverbrauch gar um bis zu 80 Prozent reduzieren», ist Professor Curbach überzeugt. Denn Leichtbau und Beton seien dank der Carbonfasern kein Widerspruch mehr. Eine andere architektonische Formensprache werde möglich. Das scheint plausibel, schliesslich ist Carbon viermal leichter und sechsmal tragfähiger als Stahl.

Seit Mitte der 90er-Jahre wird an den Technischen Universitäten in Dresden und Aachen der Textilbeton im Allgemeinen und der Carbonbeton im Besonderen erforscht. Die deutschen Wissenschaftler haben sich in dieser Zeit eine weltweit führende Position beim neuartigen Verbundwerkstoff erarbeitet – und wollen diese nicht mehr abgeben. Professor Curbach und seine Kollegen haben vor drei Jahren mit Bundesunterstützung das ambitiöse Forschungsprojekt «C3 – Carbon Concrete Composite» aufgesetzt. Dem interdisziplinären Konsortium, das vom Dresdner Institut für Massivbau angeführt wird, gehören über 170 Firmen, Verbände und Institutionen an. Das grösste Forschungsprojekt im deutschen Bauwesen will bis im Jahr 2020 alle Voraussetzungen schaffen, um Carbonbeton erfolgreich im Markt einzuführen. Bis 2025 soll dann die Bauweise dauerhaft etabliert sein. «Gelingt es uns, etwa 20 Prozent des Stahlbetonbaus durch den Carbonbetonbau zu ersetzen, können in Deutschland über 3000 Arbeitsplätze entstehen», so Curbach. Bei allen Unwägbarkeiten ist das wirtschaftliche Potenzial des Verbundwerkstoffs also gross. Wohl deshalb erhielt Manfred Curbach zusammen mit zwei anderen Carbonbetonforschern 2016 den Deutschen Zukunftspreis, den vom Bundespräsidenten verliehenen Preis für Technik und Innovation. (Gabriel Diezi)

Den ganzen Artikel über die Carbonbeton-Forschung lesen Sie im nächsten Baublatt.

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