14:57 BAUPRAXIS

Gründerzeithäuser aufstocken: Verdichten auf den Dächern der Stadt

Teaserbild-Quelle: holding graz, CC BY 2.=

In den Städten für weniger versiegelten Grund und mehr Verdichtung sorgen und dazu Gründerzeithäuser mit modularen Holzbauten aufstocken: Das Projekt «Holz-on-Top» der TU Graz liefert konkrete Vorschläge.

Graz aus der Vogelperspektive.

Quelle: holding graz, CC BY 2.=

Die Gründerzeithäuser von Graz haben Verdichtungspotenzial.

Mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen, indem die Bau- und Zonenordnung so angepasst wird, dass bestehende Bauten unkompliziert um ein bis zwei zusätzliche Geschosse aufgestockt werden können. Dies forderte die Volksinitiative «Mehr Wohnraum durch Aufstockung – quartierverträglich und nachhaltig», die letztes Jahr in der Stadt Zürich zwar zustande gekommen war, dann aber vom Stadtrat im November für ungültig erklärt worden war, mit der Begründung, dass sie im Widerspruch zum regionalen Richtplan steht. Unter anderem, weil sie zwischen bestehenden und neuen Gebäuden unterscheidet, was, wie der Stadtrat damals mitteilte, rechtlich unzulässig sei, und weil das Kantonale Planungs- und Baugesetz keine solche Unterscheidung auf Gemeindebene zulässt. 

Dass ein zusätzliches Stockwerk möglich sein könnte, zeigt Genf, wo man diese Praxis seit 2008 kennt. Auch eine anfangs Jahr publizierte Studie von Wüest Partner im Auftrag von Lignum kommt zum Schluss, dass sich Aufstockungen aus Holz durchaus lohnen können: «Es zeigt sich, dass die Aufstockung bei gleicher Fläche wirtschaftlicher besser abschneidet als der Neubau.» Weiter kommen die Studienautoren zum Schluss, dass aus Sicht der GEAK-Klassifizierung eine Sanierung grösstenteils mit einem Neubau mithalten kann. 

Mit modularisierten Holzbauten mehr Raum schaffen

Doch wie sieht solches in der Umsetzung konkret aus? Und wie müssen ein- bis zweigeschossige Aufbauten auf Gründerzeithäusern geplant werden, damit sie sich möglichst unkompliziert errichten lassen und nachhaltig funktionieren können? Diesem Thema geht das Projekt «HOT – Holz on Top» eines Konsortiums mit Beteiligung der TU Graz auf den Grund und zeigt auf, wie solche  Konstruktionen geplant und gebaut werden könnten. Die Beteiligten schlagen dazu modularisierte Holzbauten vor, die so gestaltet sind, dass sie den ursprünglichen Charakter des Gebäudes, auf dem sie zu stehen kommen, nicht beeinträchtigen.   

Dissertation «Gründerzeitstadt 2.1»: Das Potenzial von Altbauten

Den Ausschlag für das Projekt hatte die Dissertation «Gründerzeitstadt 2.1» von Ida Pirstinger vom Institut der Gebäudelehre der TU Gaz gegeben. Die Doktorandin befasste sich darin mit dem Nachverdichtungs-Potenzial von Gründerzeitquartieren: In ihren Untersuchungen kommt sie zum Schluss, dass, wenn in Graz lediglich «die gut- und bestgeeigneten Wohnblöcke» nachverdichtet werden, Wohnraum für 35'000 Menschen geschaffen werden könnte. Solche Berechnungen stellte sie auch für Wien an, hier kam die Doktorandin auf Wohnraum für 54'000 Menschen.

 «Diese Analyse hat eindeutig gezeigt, dass innerstädtisch noch viel Wohnraum für ein weiteres Bevölkerungswachstum geschaffen werden kann, ohne neue Flächen versiegeln zu müssen», kommentiert Andreas Ringhofer vom Institut für Holzbau und Holztechnologie der TU Graz, die Pirstingers Erkenntnisse.  (mgt/mai)


Um herauszufinden, was solche Aufbauten brauchen, erhoben Ringhofer und seine Kollegen zunächst den derzeitigen Bestand von Graz: Dafür besichtigten sie in der Stadt insgesamt 45 Dachtragwerke von Gründerzeitgebäuden und ermittelten ihren deren baulichen Zustand. Dabei zeigte sich: Über 80 Prozent der inspizierten Dachtragwerke haben den nächsten fünf Jahren Sanierungsbedarf.-Für erhaltenswerte Dachtragwerke sieht das Team Instandsetzungsmassnahmen vor, um diese Objekte zu erhalten. Für nicht erhaltenswerte wurde ein Nachverdichtungskonzept entwickelt, mit dem der Bestand um bis zu zwei Geschosse nachverdichtet und gleichzeitig die Dachform erhalten werden kann, sodass sich auch den Anforderungen der Schutzzonen entsprechen lässt.

Modulares Gebäudetechnikkonzept und ein bauphysikalischer Leitdetailkatalog

Darauf aufbauend entwickelte das Team ein modulares Gebäudetechnikkonzept und in Zusammenarbeit mit dem Büro «rosenfelder & höfler consulting engineers» einen bauphysikalischen Leitdetailkatalog: Die Basis für die Aufstockung bildet ein mit Brettsperrholz abgedeckter Stahlbeton-Trägerrost, während das neue Dachtragwerk aus einem neuartigen Faltwerkträger respektive aus einem dreiecksförmigen Brettsperrholzträger besteht. Zentrale Punkte dabei:  Ein möglichst geringer Eingriff in den vorhandenen Bestand sowie eine kurze Bauzeit dank einem hohen Vorfertigungsgrad. Des Weiteren lässt sich der Grundriss flexibel gestalten, damit unterschiedlichen Gegebenheiten und Wohnraumwünsche Rechnung getragen werden kann. Ausserdem habe das Team darauf geachtet, dass die Konstruktionen einerseits resilient und andererseits unkompliziert zu überprüfen und reparieren seien schreibt die TU Graz.

Die integrierte Gebäudetechnik ist flexibel: Sie reichen von einer minimalen bis zu einer umfassenden Ausstattung. Gemeinsam sind ihnen allerdings möglichst kurze Wasserleitungen und eine zentrale Leitungsführung. Dies, damit die vorgefertigten, modularen Gebäudeteile besser integriert werden können und zugänglich bleiben. Damit umweltfreundlich geheizt werden kann, wird auf Luft-Wasser-Wärmepumpen gesetzt.

«Wir haben das fertige Planungskonzept von ‘Holz-On-Top’ bereits hinsichtlich seiner Anwendbarkeit auf Basis der uns bekannten Dachstühle analysiert. Es ist auf 85 Prozent von ihnen anwendbar», sagt Projektleiter Dominik Matzler. Mit den detaillierten Leitfäden für die Planung  sowie einer frei verfügbaren Planungssoftware (CLTdesigner) zur Berechnung von Holz-Beton-Verbundelementen seien alle Werkzeuge vorhanden, um die Ergebnisse von «Holz-on-Top» umzusetzen. Wie Matzler weiter erklärt, eignet sich «Holz-On-Top»  nicht nur für Gründerzeitgebäude sondern auch für andere Bestandsgebäuden. Jetzt liege es an den Entscheidungsträgerinnen und -trägern, an den  und Immobilienbesitzern und -besitzerinnen, dieses Konzept aufzugreifen. (mai/Material der TU Graz)

Studie von Wüst und Partner auf https://www.wuestpartner.com


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