11:48 BAUBRANCHE

Stahl Gerlafingen befürchtet Billigimporte wegen Zöllen

Geschrieben von: Stefan Schmid (sts)
Teaserbild-Quelle: Yasin Hemmati, Unsplash

Die EU-Kommission will das Zollregime auf Stahl verschärfen. Länderspezifische Kontingente soll es nicht mehr geben. Produzenten wie Stahl Gerlafingen befürchten als Folge Billigimporte in die Schweiz.

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Quelle: Unsplash / Yasin Hm

Die von der EU-Kommission initiierten neuen Regeln für Stahl sehen zwar keine länderspezifischen Kontingente vor. Doch Vertreter der Behörde betonen, Freihandelspartner fair zu behandeln.

Stahl Gerlafingen befürchtet wegen der verschärften EU-Hürden für Stahlimporte eine Flut von Billigstahl hierzulande. «Ohne Schutzmassnahmen steigt aufgrund der neuen EU-Zölle der Druck weiter, dass Drittanbieter versuchen werden, den Schweizer Markt mit unökologischem Billigstahl zu fluten», teilte das Unternehmen auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP mit. 

Die Preise würden auch in der Schweiz weiter unter Druck geraten. Zudem subventioniere die EU ihre Stahlproduktion bereits mit verschiedenen Stützungsmassnahmen, während die Schweiz diesbezüglich nur sehr zögerlich und langsam reagiere, heisst es von Seiten des Stahlproduzenten: «Wir kämpfen deshalb schon länger um gleich lange Spiesse im Wettbewerb.» Das Unternehmen gehört zur italienischen Beltrame-Gruppe.

Stahl Gerlafingen sei das einzige Stahlwerk in der Schweiz, das hochwertigen Stahl aus Strahlschrott für die einheimische Bauindustrie produziere. «Für die autonome Versorgungssicherheit unserer Bauindustrie und unsere Infrastruktur ist das Stahlwerk in Gerlafingen unverzichtbar», hiess es weiter.

Umsetzung der Stützungsmassnahmen gefordert

Die vom eidgenössischen Parlament beschlossenen Stützungsmassnahmen für die einheimische Stahlproduktion müssten deshalb nun endlich rasch umgesetzt werden. Diese seien zwingend, um die Stahlproduktion in der Schweiz und damit auch die Versorgungssicherheit der Schweiz mit Stahl zu sichern. «Wir hoffen deshalb, dass das Solothurner Parlament und der Bund die Dringlichkeit und Notwendigkeit erkennen, die heimische Stahlproduktion zu stützen», schrieb das Unternehmen mit Sitz im solothurnischen Gerlafingen.

Kontingente für Stahlproduzenten «enorm wichtig»

Nach der Stilllegung der Produktionslinie für den exporttauglichen Profilstahl in Gerlafingen im vergangenen Jahr wegen der damals bereits existierenden EU-Zölle sei das Unternehmen nicht mehr ganz so anfällig auf Zölle. Vom Abbau waren 95 Angestellte betroffen. «Trotzdem sind auch für uns die Kontingente nach wie vor enorm wichtig, da wir immer noch einen Teil unseres Qualitätsstahls in das grenznahe Ausland exportieren. Angesichts der generell angespannten Lage ist jede weitere Verschlechterung der Wettbewerbsbedingungen einschneidend», wie Stahl Gerlafingen mitteilte. Trotz der neuen EU-Verschärfungen sei eine Produktionsverlagerung aus der Schweiz in die EU «weder sinnvoll noch vorgesehen», hiess es weiter. Denn Stahl Gerlafingen sei Teil der europaweit tätigen Beltrame Gruppe und produziere Stahl primär für die heimische Bauindustrie.

Kommission will Schutz der Stahlindustrie in der EU

Die Europäische Kommission unterbreitete Anfang Woche einen Vorschlag, der eine signifikante Verschärfung der bestehenden Schutzmassnahmen auf Stahl vorsieht. Demnach sollen künftig jährlich noch 18,3 Millionen Tonnen Stahl zollfrei in die EU importiert werden können, wie die EU-Kommission diese Woche forderte. Damit würden die heutigen zollfreien Mengen von insgesamt 30,5 Millionen Tonnen um 47 Prozent reduziert. 

Zusätzlich schlägt die Brüsseler Behörde vor, Stahlimporte ausserhalb der Kontingente mit einem 50-Prozent-Zollsatz zu belegen. Derzeit liegt dieser Zollsatz bei 25 Prozent. Die Kommission will mit den Massnahmen die Stahlindustrie in der EU vor weltweiten Stahlüberkapazitäten schützen. Gemäss eigenen Angaben betragen diese derzeit 620 Millionen Tonnen und würden zunehmen. Nach Ansicht der Kommission sind die Massnahmen mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) konform. 

Hoffen auf Verhandlungen

Die neuen Regeln sollen weltweit gelten und länderspezifische Kontingente seien derzeit nicht vorgesehen, wie ein EU-Beamter in Brüssel sagte. Ausnahmen gebe es für die Länder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) - Norwegen, Island und Liechtenstein - sowie Beitrittskandidaten, die sich in einer «aussergewöhnlichen und unmittelbaren Sicherheitslage» befänden wie die Ukraine. Unter den heutigen Schutzmassnahmen profitieren Schweizer Stahlproduzenten für spezifische Stahlprodukte von Kontingenten. Diese gewährte die EU-Kommission der Schweiz nach Verhandlungen mit dem Bund.

Nach Ansicht der Brüsseler Behörde besteht ein globales Problem, das eine globale Lösung erfordert. Es sei aber nun das Ziel mit gleichgesinnten Wirtschaftspartnern Gespräche aufzunehmen, sagte EU-Handelskommissar Maros Sefcovic diese Woche in Strassburg. Die Kommission habe diesen Weg gehen müssen, um WTO-konform zu handeln. «Wir wollen mit unseren Freihandels-Partner fair sein», sagte der Handelskommissar.

Ohne Lösung Schweizer Produktion «undenkbar»

Der Verband der Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie Swissmem erwarte nun, dass die Schweiz von der EU zumindest angemessene länderspezifische Kontingente erhalte, sagte ein Verbandssprecher auf Anfrage gegenüber Keystone-SDA. Das Ziel bleibe, dass die Schweiz von diesen Massnahmen ausgenommen werde.  Mit Kontingenten in der Grösse wie bis anhin oder einer minimen Reduktion würden sich die Folgen für die Schweizer Stahlindustrie in Grenzen halten. Wenn nicht, würde ein weiterer Teil des europäischen Stahlmarktes für Schweizer Firmen wegbrechen.
Auch der Dachverband des Werkstoffkreislaufs Metalle «Metal Suisse» hofft auf einen konstruktiven Dialog zwischen den schweizerischen und europäischen Behörden, wie sein Geschäftsführer, Andreas Steffes, auf Anfrage sagte. Ohne eine Lösung werde eine Produktion in der Schweiz «undenkbar».

Ohne länderspezifische Quote würde das Prinzip «first come, first serve» gelten. Dieses sei für die Schweizer Recyclingwerke keine Option, da jeweils nur Stahl produziert werde, wenn es auch Bedarf gebe. Daher tragen aus Sicht von «Metal Suisse» die Schweizer Werke nicht zum Problem der weltweiten Überproduktion bei, gegen welches sich die EU schützen möchte.

Rat und Parlament müssen Vorschlag genehmigen

Der Vorschlag der Kommission wird nun dem Rat der EU, in welchem die Mitgliedstaaten vertreten sind, und dem Europäischen Parlament unterbreitet. Die neuen Handelshürden sollen spätestens im Sommer 2026 in Kraft treten und die seit dem Juni 2018 geltenden Schutzmassnahmen ersetzen. Letztere wurden als Reaktion auf die damaligen US-Zölle auf Stahl und Aluminium eingeführt. Die EU-Schutzmassnahmen wurden mehrmals verlängert. Allerdings dürfen sie gemäss WTO-Regeln nicht über acht Jahre hinweg gelten. (sda/sts)

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