10:07 BAUBRANCHE

Kanton Bern hat Viererfeld möglicherweise weit unter Wert verkauft

Teaserbild-Quelle: zvg

Der Kanton hat der Stadt Bern ein Grundstück auf dem Berner Viererfeld, wo eine Grossüberbauung entstehen soll, möglicherweise weit unter dem Marktwert verkauft. Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Grossen Rats zweifelt nach einer Geschäfts-Analyse jedenfalls, dass ein Marktwert zum Zug kam.

Das Siegerprojekt für den Städtebau und den Stadtteilpark auf dem Vierer- und Mittelfeld in Bern

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Visualisierung: Ungefähr so sollen das Berner Vierer- und Mittelfeld dereinst aussehen. Geplant sind unter anderem eine Grossüberbauung sowie ein Stadtteilpark.

Sie schreibt in einer Mitteilung vom Montag, das Gesetz verlange bei solchen Landverkäufen, dass der Marktwert gelte. Die GPK hat den Bericht zur Liegenschaftstransaktion am Montag auf der Internetseite des Kantons Bern veröffentlicht. In der kommenden Wintersession beschäftigt sich der Grosse Rat damit. 

Bei der Transaktion Viererfeld geht es um den Verkauf eines 84'482 Quadratmeter grossen Grundstücks sowie um die Abgabe eines 78'210 Quadratmeter grossen Grundstücks im Baurecht an die Stadt Bern. 

Der Kanton Bern erhielt für das verkaufte Grundstück 51,1 Millionen Franken. Das zweite Grundstück, das während der ganzen Baurechtsdauer von 40 Jahren als Grünfläche erhalten bleiben muss, gab der Kanton unentgeltlich ab. Auf dem Viererfeld soll eine Überbauung für rund 3000 Menschen entstehen. 

Am Anfang stand Finanzkontrolle 

Die GPK des bernischen Grossen Rats wurde in dieser Angelegenheit aktiv, weil die kantonale Finanzkontrolle 2018 bei der Prüfung der Kantonsrechnung auf eine unvollständige Dokumentation zur Grundstückstransaktion stiess. Das geht aus dem Bericht hervor. 

Die Unterlagen, die danach zum Vorschein kamen, enthielten nach Einschätzung der Finanzkontrolle Widersprüche und Unklarheiten. Die kantonale Finanzkontrolle ist ein von der Verwaltung unabhängiges Kontrollorgan des Kantons Bern. 

Laut dem GPK-Bericht ging der Kanton Bern von einem Quadratmeterpreis von 1000 Franken für nicht erschlossenes Bauland aus und kam auf einen Wert von 107 Millionen Franken für das ganze Viererfeld. Weil nur die Hälfte des Landes verkauft wurde, verlangte der Kanton von der Stadt Bern 53,3 Millionen. Schliesslich einigte man sich auf 51,1 Millionen. 

Fehlende Transparenz bei Geschäft 

Die Finanzkontrolle schätzt den Wert des Landes – nach Abschöpfung des Mehrwerts – auf zwischen 135 und 336 Millionen Franken. Sie ging von höheren Quadratmeterpreisen aus. Die GPK schreibt dazu, ob der Kanton einen angemessenen Preis bei der Transaktion erzielt habe, lasse sich nicht klar mit Ja oder Nein beantworten. Es gebe aber «zahlreiche Anzeichen, dass der Kanton Bern das grössere Grundstück auf dem Viererfeld nicht zu einem Marktpreis verkauft hat.» 

Die GPK spricht auch von fehlender Transparenz bei diesem Geschäft. Beispielsweise habe der Kanton Bern auf das Erstellen eines Verkehrswertgutachtens verzichtet. Und im Regierungsratsbeschluss zum Verkaufsentscheid seien ausser Verkaufssumme und Höhe der Mehrwertabschöpfung keine weiteren Zahlen vorhanden. 

Als die Finanzkontrolle 2019 die Transaktion vertiefter habe überprüfen wollen, habe die Bau- und Verkehrsdirektion (BVD) zunächst keine weiteren Unterlagen als den Regierungsratsbeschluss sowie den Verkaufsrechts- und Baurechtsvertrag vorlegen können. 

Regierungsrat: Zukunft wird es zeigen

In ihrem Bericht gibt die GPK eine Stellungnahme der Kantonsregierung wieder. Demzufolge findet der Regierungsrat, dass erst die Zukunft zeigen werde, ob der Verkaufspreis des Grundstücks zu tief gewesen sei. 

Die hohen Vorinvestitionen, die zu tätigen seien, die lange Zeitdauer von voraussichtlich rund 20 Jahren bis zur Überbauung und die mit dem ganzen Vorhaben verbundenen Risiken würden auch einen privaten Investor vorsichtig agieren lassen. Auch dieser würde bedacht sein, den Kaufpreis möglichst tief zu halten, heisst es weiter. Ein Investor würde zudem kaum das ganze Terrain auf einmal erwerben. 

Der Kanton Bern kaufte 1964 das Viererfeld der Burgergemeinde Bern ab, um dort die Uni Bern erweitern zu können. Der Preis betrug 33 Millionen Franken. Dann aber wurden die Uni-Erweiterungen auf dem von-Roll-Areal realisiert und das Land wieder der Landwirtschaftszone zugeteilt. 

Im zweiten Anlauf stimmten die Stadtberner Stimmberechtigten 2016 der Wiedereinzonung der Bauflächen und dem Kauf des Geländes durch die Stadt Bern zu. (sda/pb)

GPK-Kritik für Berner Finanzdirektor Aebersold «unverständlich»

Für den Stadtberner Finanzdirektor Michael Aebersold ist die Kritik der Geschäftsprüfungskommission des bernischen Grossen Rats (GPK) am Viererfeld-Landverkauf «unverständlich». Es gebe nicht nur den gesetzlichen Auftrag, bei solchen Landgeschäften Marktpreise zu erzielen. 

Laut der Berner Kantonsverfassung müssten sich Kanton Bern und Berner Gemeinden auch dafür einsetzen, dass alle Menschen zu tragbaren Bedingungen wohnen könnten. Ebenfalls in der Kantonsverfassung stehe, dass Kanton und Gemeinden den preisgünstigen Wohnungsbau zu fördern hätten. Das sagte Aebersold am Montag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA zum veröffentlichten GPK-Bericht.

Kernpunkt sei, welcher Wohnraum auf dem Viererfeld entstehe. Die Stadt Bern wolle dort zu 50 Prozent gemeinnützigen Wohnungsbau, so Aebersold. Die GPK des Grossen Rats und die kantonale Finanzkontrolle hätten also eine zu marktorientierte Sichtweise, wenn sie einen Landverkauf zum Marktwert forderten. 

Aebersold spricht auch von seriösen Abklärungen, welche erfolgt seien. Er staune über die Kritik. Und sagt weiter, die Erschliessung des Viererfelds und der Bau von weiteren Infrastrukturen für das geplante Quartier werde die Stadt Bern zusätzlich zum Kauf viel Geld kosten, nämlich mehr als 100 Millionen Franken. 

Es geht um öffentliche Erschliessungsanlagen, Entwässerung, Entsorgung, Recyling, den geplanten Stadtteilpark und Familiengärten. (sda/pb)

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