11:21 KOMMUNAL

Solarstrom auch für Mieter

Teaserbild-Quelle: zvg

Ein Solarkraftwerk auf dem Dach war bisher vor allem für Einfamilienhausbesitzer eine Option. Seit Januar erleichtert der Gesetzgeber die Bildung von Eigenverbrauchsgemeinschaften (EVG). Damit öffnen sich ganz neue Möglichkeiten für den Einsatz von Photovoltaik auf Mehrfamilienhäusern. Und mit der Umsetzung der Mustervorschriften der Kantone im Energiebereich (Muken) könnten EVG teilweise gar zur Pflicht werden.

EVG Mehr als Wohnen

Quelle: zvg

Pioniere: Die Baugenossenschaft Mehr als Wohnen errichtete auf dem Hunziker-Areal in Zürich bereits 2015 eine gemeinschaftlich genutzte Photovoltaikanlage.

Wer ein Einfamilienhaus besitzt, und insbesondere wer eines baut, hat sich sicher schon einmal mit Sonnenenergie befasst. Seinen eigenen Strom zu produzieren und somit Geld zu sparen und erst noch etwas Gutes für die Umwelt zu tun, ist zumindest eine Überlegung wert. Wer also ein Haus besitzt, kann relativ einfach zum «Prosumenten» werden, diesem schicken Kofferwort aus Konsument und Produzent.

Doch fast zwei von drei Schweizern sind Mieter. Ihnen sind in dieser Sache die Hände gebunden. Denn noch kaum ein Hauseigentümer hat auf dem Dach seines Mehrfamilienhauses eine Solaranlage installiert. Das erstaunt auch nicht, denn bis anhin waren die gesetzlichen Bestimmungen ein ziemlicher Hemmschuh.

Schützenhilfe via Gesetz

Wenn sich mehrere Parteien eine Energiequelle teilen, bevor der überschüssige Strom ins Netz gespeist wird, spricht man in der Schweiz von einer Eigenverbrauchsgemeinschaft (EVG). Diese sind eigentlich schon seit 2014 zugelassen, wurden aber selten implementiert, weil dies sehr kompliziert war. Meist werden Photovoltaikanlagen dafür genutzt, es eignet sich aber auch ein Windkraftwerk oder eine Wärme-Kraft-Koppelungs-Anlage. «Die Umsetzbarkeit hing bisher sehr stark vom Goodwill des jeweiligen Energieversorgers ab», sagt David Stickelberger, Geschäftsleiter von Swissolar, dem Fachverband für Sonnenenergie.

Per 1. 1. 2018 trat nun das totalrevidierte Energiegesetz in Kraft. Es vereinfacht die Bildung von EVG vor allem in zwei Punkten:

  • Neu können EVG auch über mehr als ein Grundstück hinweg gebildet werden, sofern dabei das öffentliche Stromnetz nicht beansprucht wird.
  • Die EVG verfügt gegenüber dem Netzbetreiber über einen einzigen Messpunkt.

Der erste Punkt ermöglicht viel grossflächigere EVG. Bereits entsteht in Huttwil BE eine ganze Siedlung, die eine einzige, grosse EVG bilden wird (mehr dazu im nächsten Kommunalmagazin).

Vor allem den zweiten Punkt erachten Experten aber als essenziell für den künftigen Erfolg von EVG. «Bisher musste bei jedem Mieterwechsel ein neuer Vertrag mit dem Energieversorger gemacht werden. Das war mühsam, unpraktisch, kompliziert und teuer, denn die Energieversorger verlangten teilweise hohe Gebühren dafür», sagt Cyrill Burch, Gründer des EVG-Zentrums, einer der ersten auf EVG spezialisierten Dienstleister der Schweiz. Jeder Mieter brauchte seinen eigenen Zähler und seinen eigenen, komplizierten Vertrag mit dem Versorger. «Der Aufwand war unverhältnismässig, darum wurden viele Projekte nicht umgesetzt», so Burch.

Mit der heutigen Gesetzeslage ist das nicht mehr so: Hat sich ein Mieter für den Anschluss an die EVG entschieden, muss auch der Nachmieter mitmachen. Der bürokratische Prozess konnte also stark vereinfacht werden. «Bestehende Mieter kann man natürlich nicht zum mitmachen bei der EVG zwingen», sagt Stickelberger. «Doch die Stromrechnung wird mit einer EVG praktisch immer kleiner, es gibt also keine guten Gründe sich nicht anzuschliessen.»

Nachteil fürden Hauseigentümer: Er ist nun selbst dafür verantwortlich, den Eigenverbrauch des Solarstroms zu verwalten, denn der Netzbetreiber kontrolliert mit der neuen Gesetzesgrundlage nur noch einen Messpunkt. Im Normalfall macht der Eigentümer das nicht selber, sondern bezieht diese Dienstleistung vom Energieversorger, sofern dieser sie anbietet. Oder er wendet sich an spezialisierte Dienstleister wie das EVG-Zentrum.

Dass es bei kleineren Projekten für den Hausbesitzer aber durchaus möglich ist, die EVG selbst zu verwalten, zeigt ein Beispiel aus Liestal BL: Bereits 2014 hat Eigentümer Andreas Appenzeller im Rahmen eines Pilotprojekts eine kleine Dünnschicht-Solaranlage mit einer Stromproduktion von 4300 Kilowattstunden (kWh) im Jahr auf seinem Dreifamilienhaus errichten lassen. Nun kümmert er sich selbst um die Abrechnung. Der Energieversorger schickt Appenzeller nur noch eine Rechnung für den Verbrauch der gesamten Liegenschaft, der an einem bidirektionalen, zentralen Zähler erfasst wird. Basierend auf den Verbrauchsdaten der vier individuellen Zähler (3 × Wohnung, 1 × Allgemeinstrom) erstellt Appenzeller die Stromrechnung an seine Mieter selber und rechnet sie über die Nebenkosten ab.

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