14:04 KOMMUNAL

Nachhaltige Energiequelle: Wärme und Kälte aus dem Bielersee

Geschrieben von: Stefan Schmid (sts)
Teaserbild-Quelle: Stefan Schmid

Die Städte Biel und Nidau zapfen den See an, um mehrere Quartiere mit insgesamt 3000 Wohnungen mit Wärme zu versorgen. Für Grosskunden wird zugleich ein Kältenetz gebaut. Planung und Bau zur Erschliessung der Energiequelle dürfte in der Schweiz Schule machen. Wegen Lieferengpässen ist das Projekt zwar etwas in Verzug geraten, ab nächstem Herbst werden die ersten Haushalte jedoch nachhaltig heizen können.

Pumperk

Quelle: Stefan Schmid

Die Energiezentrale im denkmalgeschützten Gebäude (hinten im Bild) wird auf lediglich 720 Quadratmetern eingerichtet. Das kompakte Pumpwerk (vorne links) befindet sich unweit des Sees.

Silbern glänzt die Oberfläche des Bielersees bei frühlingshaften Temperaturen. Nun soll das Seewasser für die Gewinnung von Wärme und Kälte veredelt werden durch ein Projekt des Energieverbunds Bielersee (EVB). Unmittelbar hinter dem Bootshafen befindet sich das Pumpwerk, in das zwei Leitungen münden. Mittels Spülbohrung wurden diese rund 460 Meter durchs Erdreich getrieben bis zum Seegrund, wo die Wassertiefe zehn Meter beträgt. Erst danach dürfen Leitungen den kantonalen Bestimmungen entsprechend über den Seegrund geführt werden. Damit soll vermieden werden, dass die Aktivitäten auf dem See den Fassungsrohren in die Quere kommen und Schaden nehmen könnten.

Die insgesamt 1370 Meter langen Leitungen führen zu drei Meter hohen Fassungskonstruktionen, deren Lochkorb sich in Tiefen von 30 und 20 Metern befinden. «Wir wollten tief genug fassen, denn je näher man an die Wasseroberfläche kommt, umso volatiler verhält sich die Seetemperatur, weil ein Austausch zwischen dem Seewasser und der Umgebung stattfindet», sagt Projektleiterin Katrin Fischer. Ausser bei seltenen Umschichtungen des Wassers in der Tiefe, ist die Temperatur umso konstanter je tiefer die Fassung ist.

Die tiefe Fassung ist vor allem für die Sicherstellung der Kälteversorgung ohne maschinelle Nachkühlung erforderlich, bei einer flacheren Fassung wird die Temperatur im Sommer zu hoch. Diese Auslegung der Anlage mit zwei Fassungen ist auch für den Betrieb und die Effizienz des gesamten Systems von entscheidender Bedeutung.

Kühlung für Grosskunden

Das für die Kühlung bereitgestellte Anergienetz wird auf einem gleitenden Temperaturniveau zwischen vier und 15 Grad gefahren, je nachdem, was der See an Kälte hergibt. Das gefasste Wasser wird sodann zu den Kältekunden geleitet. «Wir wollen weitestgehend  mit Seewasser kühlen und mit wenig Laufzeitstunden im Jahr maschinell nachkühlen», führt Fischer aus. Geliefert wird die Kälte vorab an Grosskunden wie den Bildungscampus oder den Switzerland Innovation Park, wo sie neben der Gebäudekühlung auch zu Forschungszwecken eingesetzt wird. 

Kühlenergie benötigen auch Rechenzentren, Provider sowie Hotels. In speziellen Fällen ist auch der Anschluss von Gewerbeliegenschaften mit einem tieferen Temperaturniveau möglich, wo die Kälte aus dem Netz mit einer dezentralen Kältemaschine unterstützt werden muss. Die Kälteversorgung des EVB ist laut Fischer aber eher nicht dafür gedacht, einzelne Räume in Mehrfamilienhäusern zu kühlen. Der Aufwand für den Anschluss und die im Gebäude erforderliche Kälteübergabestation wäre für einen kleinen Leistungsbedarf und wenige Kühllaststunden im Jahr einfach zu hoch.

Energiezentrale innen

Quelle: Stefan Schmid

In der Energiezentrale stehen zwei Maschinenräume für vier Wärmepumpen mit einer Abgabeleistung von je 1400 Kilowatt bereit. Die Kapazität ist abgestimmt auf die konzessionierte Wassermenge.

Heizen mit Kühlungsabwärme

Mit der Kühlung wird Gebäuden Energie entzogen. Dem wärmeren Wasserrückfluss entnimmt die Wärmepumpe diese Energie wieder, die dann nach der thermischen Aufbereitung Kundinnen und Kunden zum Heizen oder für die Warmwasserbereitung zugeführt wird. Im Kühlbetrieb besteht laut Fischer eine maximale Temperaturdifferenz von sechs Kelvin. Beim Vorlauf liegt das Kühlmaximum bei 15 Grad, beim Rücklauf sind es somit 21 Grad. Wenn der See in den oberen Wasserschichten zu warm ist, ist die Wassertemperatur in der tieferen Fassung noch ausreichend fürs Kühlen. «In 98 Prozent der Stunden ist das in 30 Metern Tiefe gefasste Wasser kalt genug, um die Kühlung in den Gebäuden der Kunden zu bewerkstelligen», sagt Fischer. 

Doch auch im Sommer gibt es Warmwasserbedarf. Dazu wird dem Kühlrücklauf die Wärme wieder entzogen und  für die Produktion von heissem Brauchwasser genutzt. «Wenn die Kunden gleich viel kühlen wie heizen, benötigen wir den See gar nicht», beschreibt Martin Kamber, Leiter Marketing und Vertrieb beim Energie Service Biel (ESB), den Nutzen der Rückgewinnung von Wärmeenergie. Je grösser das Wärmenetz ist, desto mehr Wärme lässt sich aus dem Rücklauf von den Kältekunden wiederverwenden.

Bedarf mit Speichern entkoppeln

«Der Zweck solcher gekoppelter Netze ist es, dass man die Abwärme der Kältekunden nicht in den See oder den Fluss abführt, denn die Abwärme von Kühlkunden lässt sich für die Warmwasserbereitung anderer Kunden wiederverwerten. Diese Abwärme in den See abzuleiten, wäre wirtschaftlicher und ökologischer Unsinn», sagt Fischer. Damit lassen sich der Strombedarf der Wärmepumpen für die Warmwasserbereitung und der Bezug von Seewasser fürs Kühlen verringern. Allerdings werden oft nicht beide Systeme gleichzeitig beansprucht, beispielsweise für die Kühlung oder das Aufladen der Wärmespeicher im Haus. 

Um beide Systeme besser aufeinander abstimmen zu können, stehen in der Energiezentrale zwei Pufferspeicher mit einem Fassungsvermögen von je 58 Kubikmetern bereit, die den Bedarf entkoppeln. Die Abwärme der Kältekunden wird den Wärmepumpen als Quellenenergie zur Verfügung gestellt. Falls der Wärmebedarf der Wärmekunden zu gering ist, wird der erzeugte Wärmeüberschuss in die  Pufferspeicher geladen. Sind die Pufferspeicher voll, werden die Wärmepumpen abgeschaltet, und der Wärmeüberschuss der Kühlung wird über die Wärmetauscher im Pumpwerk in die Zihl weitergeleitet.

Schlossstrasse

Quelle: Stefan Schmid

Die Erschliessung von Quartieren mit Einfamilienhäusern ist aufwendig wie jenes unweit von Schloss Nidau (Bild). Wegen beengter Platzverhältnisse müssen Vor- und Rücklauf im gleichen Rohr geführt werden.

Strenge Umweltauflagen

Aufgrund der Klimaerwärmung sind die Auflagen für die Nutzung des Seewassers für Kühlzwecke deutlich höher als für die Erschliessung als Energiequelle zum Heizen. Daher ist die konzessionierte Wassermenge des EVB für die Kühlnutzung auch deutlich geringer als jene zum Heizen. Laut kantonalen Auflagen dürfen dem See für die Wärmegewinnung pro Minute 30'000 Liter Wasser entnommen werden, für den Kühlkreislauf sind es lediglich 8000 Liter. 

Die maximale Temperaturerhöhung im Kühlbetrieb beträgt sechs Kelvin. «Wir sehen im Rahmen dieses Projekts jedoch auch nicht viel mehr Potenzial für Kühlkunden», schränkt Kamber ein. Wie beim Brauchwasser handelt es sich bei der Lieferung von Kühlenergie für Grossabnehmer zumeist um ein Ganzjahresgeschäft. Der Anteil der verwertbaren Abwärme des Kühlbetriebs steigt laut Fischer dabei mit der Grösse des Fernwärmenetzes. 

Gemäss Kamber dürfte die Austrittstemperatur in die Zihl in der Regel unter der Oberflächentemperatur des Flusses liegen, da das am Grund gefasste Seewasser deutlich kühler ist als das Oberflächenwasser der Zihl. Der Fluss wird laut Kamber daher tendenziell eher gekühlt als erwärmt. Das gelte sowohl für den Winter- als auch für den Sommerzyklus. 

Zwei von vier Wärmepumpen sind bereits eingebaut, zwei weitere kommen mit der Ausweitung des Netzes dazu. Mit den vier geplanten Wärmepumpen von je 1400 KW Abgabeleistung ist die konzessionierte Wassermenge aufgebraucht. Für grössere Anlagen als jene in Biel / Nidau wäre eine nationale Konzession erforderlich, mit anderen Prüfberichten und Umweltauflagen.

Wärmeerzeugung aus Seewasser

Für die Wärmeerzeugung drücken die Pumpen das Seewasser nach der Filterung über vier Plattenwärmetauscher, sodass die Energie ans Anergienetz abgegeben werden kann. Die Grädigkeit der Wärmetauscher beträgt ein Kelvin, was bedeutet, dass die Temperatur des Seewassers immer ein Kelvin höher oder tiefer ist als das dahinter geschaltete Netz. Um eine möglichst hohe Vorlauftemperatur zum Heizen zu generieren, läge die optimale Tiefe der Wasserfassung für die Wärmegewinnung bei rund 20 Metern. 

Die aus dem See gewonnene Wärme wird den Wärmepumpen als Quellenenergie zugeführt und dort auf das zum Heizen und für die Warmwasserbereitung benötigte Temperaturniveau angehoben. In den Wärmepumpen findet Ammoniak als Kältemittel Verwendung. Der Einsatz des natürlichen Kältemittels bedingt zwar hohe Sicherheitsauflagen, kann den erforderlichen Temperaturhub jedoch hocheffizient bewerkstelligen und hat auch kein CO2-Abbaupotential, falls es in einem Störfall an die Umwelt gelangen sollte. 

Aufgrund der Daten von Temperaturfühlern an den Fassungen und den Bedürfnissen der Kunden wird jeweils entschieden, woher das Wasser prioritär bezogen wird. Dabei lassen sich im Winter grundsätzlich beide Fassungen fürs Heizen nutzen, zumal laut Kamber der Temperaturunterschied zwischen 30 und 20 Metern Tiefe nicht allzu gross ist.  

Ausgleich mit Zwischenkreislauf

Zum Prinzip des Bieler Projekts gehört es zudem, den Seewasserkreislauf möglichst klein zu halten, da es durch Muscheln, Schlammgut oder Algen verunreinigt sein kann. Daher fliesst das Seewasser nur über die Fassungsleitungen, wird im Pumpwerk filtriert, über die Wärmetauscher abgekühlt oder erwärmt und durch die Rückgabeleitungen in die Zihl zurückgeführt. Als Verbindung von Wärme- und Kältenetz dient der Zwischenkreislauf. Eingesetzt wird er zwischen Pumpwerk und nebenliegender Energiezentrale.

Zwischenkreis

Quelle: zvg

Angeordnet zwischen Energiezentrale und Pumpwerk gleicht der Zwischenkreis die verschiedenen Wassermengen aus und entkoppelt das Kälte- und Wärmenetz, sodass beide Netze autark betrieben werden können. Die Abwärme des Kältenetzes wird aber auch für die Produktion von Brauchwasser genutzt.

Er fungiert als Dreiwegemischer zwischen den Netzen und gleicht die verschiedenen Wassermengen aufgrund des zeitlich sehr unterschiedlichen Lastbedarfs auf dem Heiz- und dem Kühlnetz aus. So muss an heissen Sommertagen ein hoher Kühlbedarf gedeckt und damit eine grosse Wassermenge im Kältenetz umgewälzt werden. An kalten Wintertagen ist hingegen der Wärmebedarf deutlich höher und damit auch die umgewälzte Wassermenge im Fernwärmenetz. 

Der Zwischenkreis entkoppelt das Kälte- und das Wärmenetz, sodass beide Netze autark betrieben und die Wassermengen darüber ausgeglichen werden können. Technisch sei immer sehr viel möglich, meint Fischer. Doch könne der Einsatz von 100 Prozent regenerativer Energie zu teuren Lösungen führen, die fast niemand mehr bezahlen könne oder wolle. Schliesslich gehe es auch um die Versorgungssicherheit. Dies lasse sich anhand der Jahresdauerlinie des Wärmebezugs erklären.

Auf Mittellast ausgelegt

Ein Lastmaximum ist etwa bei Temperaturen von minus zehn Grad und tiefer erreicht. Dann wird eine Leistung von rund 14 MW benötigt, um den Bedarf aller angeschlossenen Haushalte zu decken. «Einen solchen Spitzenbedarf braucht es aber erfahrungsgemäss nur während 50 Stunden im Jahr oder manchmal auch gar nicht. Wenn man Wärmepumpen auf diesen maximalen Lastfall auslegen würde, hätte man 100 Prozent Deckung, aber sie wären doppelt so gross und die Kosten entsprechend hoch», gibt Fischer zu bedenken. 

Daher wurden die Wärmepumpen auf die Mittellast ausgelegt, um damit zirka 80 Prozent des jährlichen Wärmebedarfs abdecken und eine hohe jährliche Laufzeit generieren zu können. Die an nur wenigen Stunden im Jahr benötigte Spitzenlastdeckung wird hingegen über kostengünstige Gaskessel abgedeckt. Mit diesem Produktionsmix erreicht man einen hohen regenerativen Deckungsanteil zu einem vertretbaren Wärmepreis. Das ist wichtig. Denn nur dann wechseln Kunden auf dieses Prinzip der Wärmeversorgung», betont Fischer. «Die beste Lösung nützt wenig, wenn es für die Kundschaft zu teuer ist.» 

Eine Alternative zu fossilem Gas sei der Einsatz von Biogas. Dann wäre auch der Fossilanteil erneuerbar, betont Kamber. «Die Wahl, ob der gesamte Wärmebedarf mit erneuerbarer Energie gedeckt werden soll, überlassen wir den einzelnen Kunden.» Die Gesamtwärmelieferung erfolgt über das Jahr (siehe Grafik unten). Im Sommer wird der Wärmebedarf für die Warmwasserbereitung vollständig aus den Wärmepumpen gedeckt. Mit fallenden Aussentemperaturen steigt dann auch der Heizwärmebedarf langsam an und wird ebenfalls durch die Wärmepumpen gedeckt.

Übersteigt die Last auf dem Wärmenetz die verfügbare Wärmeleistung der Wärmepumpen, werden die Heizkessel zur Unterstützung hinzugeschaltet. Unter dem Strich können mit diesem Konzept aber mehr als 80 Prozent aus den Wärmepumpen und damit einer erneuerbaren Energiequelle gedeckt werden (grüne Fläche in Grafik unten) und der fossile Spitzenlastanteil auf weniger als 20 Prozent beschränkt werden (rote Fläche in Grafik unten).

Jahresdauerlinie

Quelle: zvg

Ein Lastmaximum ist etwa bei Temperaturen von minus zehn Grad und tiefer erreicht. Dann wird eine Leistung von rund 14 MW benötigt, um den Bedarf aller angeschlossenen Haushalte zu decken. Einen solchen Spitzenbedarf braucht es allenfalls während 50 Stunden pro Jahr. Die Spitzenlasten lassen sich mit günstigen Wärmeerzeugern mit hohen Leistungen abdecken, was die Kosten senkt.

In Umgebung integriert

Der Bielersee verfügt über ein riesiges Energiepotenzial von rund 10000 TJ fürs Heizen und etwa 2000 TJ fürs Kühlen. Mit seinem Projekt macht der EVB dieses Energiepotenzial für die Wärme- und Kälteversorgung der Region nutzbar. Bei der Projektentwicklung mussten viele ortsspezifische Rahmenbedingungen berücksichtigt werden, um die erforderliche Infrastruktur bedarfsgerecht zu dimensionieren und optimal zu platzieren. So ist das gesamte Gebiet am See von archäologischem Interesse und steht daher unter Schutz. 

Gleichzeitig gibt es bestehende Anlagen wie beispielsweise den Barkenhafen, die durch die neue Seewassernutzung nicht beeinträchtigt werden durften. Und schliesslich war es auch nicht einfach, die benötigten Flächen für die erforderliche Infrastruktur in einer akzeptablen Entfernung zum See zu finden. Das entwickelte Projekt schafft den Spagat zwischen all diesen Anforderungen und integriert sich damit optimal in die örtlichen Gegebenheiten. Die Fassungsleitungen wurden durch eine Spülbohrung unterhalb der geschützten Uferanlagen und archäologischen Grabungsstätten eingezogen.

«Es war ein Glücksfall»

Das Pumpwerk am See erhielt nur ein Untergeschoss, um die mögliche Beeinträchtigung archäologischer Siedlungsschichten zu minimieren. Und die Energiezentrale wird in einem vorhandenen denkmalgeschützten Gebäude direkt gegenüber des Pumpwerks integriert. Dafür hat die EVB im Gebäude, das wegen der Erdbebensicherheit nachgerüstet werden musste, 720 Quadratmeter angemietet. Sicherheitsvorschriften wegen des Einsatzes von Ammoniak erforderten weitere bauliche Massnahmen. Den Platz für das Pumpwerk erhielt die Betreiberin von der Stadt Nidau im Baurecht. Heizzentrale, Zwischenkreis und Pumpwerk. Alles findet unweit des Sees auf relativ kleinem Raum Platz. In der Nähe fliesst die Zihl vorbei. «Es war ein Glücksfall», sagt Fischer zur Standortwahl. Wegen Lieferengpässen von Bestandteilen und Fernwärmeleitungen ist das Projekt in Verzug geraten.

Die Inbetriebnahme musste vom September 2022 auf dieses Jahr verschoben werden. Erste Lieferungen von Wärme können voraussichtlich ab Juli dieses Jahres erfolgen, die Kälte folgt im nächsten Jahr. Ob das Projekt in Biel Schule macht und ähnliche Projekte rund um den Bielersee realisiert werden, hält Kamber für eher unwahrscheinlich. Denn neben einem See brauche es auch genügend Abnehmer, um ein solches System wirtschaftlich betreiben zu können. Das sei lediglich in der Stadt Biel der Fall. Bei einem grösseren See liesse sich aber ein umfangreicheres Projekt für mehr Kunden realisieren. Kontakte für einen Erfahrungsaustausch gab es bereits mit Kommunen entlang des Neuenburgersees.

Effizient und weniger CO2

Im Sommer und im Frühjahr und Herbst läuft der Betrieb der Wärmepumpen monovalent und deckt den gesamten Energiebedarf der angeschlossenen Wärmekunden. Wegen der Gefahr von Legionellen muss die zentrale Austrittstemperatur aus der Energiezentrale mindestens 68 Grad Celsius betragen. Bei Heizperioden im Winter können dem Seewasser lediglich noch zirka zwei Grad entnommen werden. Ein sehr kalter Winter hat auf dem Wärmenetz eine grosse Last zur Folge. Dann ist die Leistung der Wärmepumpe nicht ausreichend, weil gleichzeitig die Temperatur des Seewassers tief ist. In solchen Fällen werden die Wärmepumpen durch den Einsatz von Spitzenlastkesseln unterstützt. Die gesamte Wassermenge im Netz wird über die Wärmepumpe geleitet. Sie soll so viel Energie wie möglich liefern auf einem möglichst tiefen Energieniveau.

Das Fernwärmenetz wird mit einer gleitenden Vorlauftemperatur in Abhängigkeit der Aussentemperatur betrieben. Im Sommer beträgt die Sockeltemperatur des Netzes 65 Grad Celsius auf der Primärseite der Wärmeübergabestationen. Bei fallenden Aussentemperaturen wird das Netz dann bis auf maximal 80 Grad hochgefahren, um die benötigte Leistung über das Netz transportieren zu können. Der Betrieb von Wärmepumpen erfordert die Zufuhr von Energie. Beim Projekt in Biel beträgt die mittlere Jahresarbeitszahl 3,9. Mit diesem Konzept kann zukünftig in den fernwärmeversorgten Gebieten der Einsatz von Primärenergie ohne Komforteinbussen halbiert werden. Im Vergleich zu heute sinken die CO- Emissionen dabei um 80 Prozent. (sts)

Vergütete Investitionen

Das Projekt in Biel / Nidau setzt die Energieverbund Bielersee AG (EVB) um. Im geplanten Endausbau generiert das System eine Wärmeleistung von 14 Megawatt, was dem durchschnittlichen Wärmebedarf von 2800 Wohnungen entspricht oder rund fünf Prozent der Bieler Haushalte. Zusätzlich werden Grossabnehmer mit Fernwärme und –kälte aus dem See versorgt, Wohnhäuser jedoch nur mit Wärme und Brauchwasser. Bei Grossabnehmern kann die gelieferte Energie bis zu 1000 KW betragen. Die Erneuerung der Kanalisation bot Gelegenheit für die Erweiterung des Projekts im Gebiet zwischen Bahnhof und Hafen Biel, sodass damit nochmals zusätzliche 50 Wohnungen ans Fernwärmenetz angeschlossen werden können.

Das Investitionsvolumen betrug ursprünglich 46 Millionen Franken, mit der Erweiterung sind es 52 Millionen Franken. Der EVB verfügt über ein Eigenkapital von 13 Millionen Franken, der Rest wird über Kredite finanziert. Pläne für die Versorgung neuer Quartiere gibt es bereits. Nachdem der Kanton Bern die Seewassernutzung für den Betrieb des Bildungscampus Campus BFH in Biel ins Spiel brachte, verfolgten beide Städte zuerst eigene Projekte bis zur Gründung der EVB AG 2020, an der Nidau und über den ESB auch die Stadt Biel beteiligt sind. Auf Basis der KliK-Verordnung des Bundes und des nachgewiesenen Energieabsatzes wird dem EVB jede eingesparte Tonne CO2 vergütet. Die Stiftung Klimaschutz und CO2-Kompensation (KliK) führt im Auftrag des Bundesamts für Energie (BfE) die Vermarktung von CO2-Einsparungen durch. (sts)

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