Michael Frank: «Netzausbau beginnt vor der Haustür»
Michael Frank, Direktor des Verbandes Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE, beschäftigt sich in seiner Kolumne mit der aktuellen Situation im Strombereich und plädiert für einen konsequenten Aus- und Umbau der Verteilnetze.

Quelle: zvg
Der Direktor des Verbandes Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE, Michael Frank.
Der Ausbau der erneuerbaren Energien und damit der Umbau des
Stromsystems sind in vollem Gange. Dafür muss der Strom allerdings nicht nur
zuverlässig produziert, sondern auch verteilt werden. Hier spielt das
Verteilnetz, welches direkt vor unserer Haustür beginnt, eine entscheidende
Rolle. Neben der Modernisierung und intelligenten Nutzung der bestehenden
Infrastrukturen ist ein konsequenter Ausbau vielerorts unumgänglich.
Der vom Volk beschlossene Ausbau erneuerbarer Energien funktioniert nur, wenn auch auf Seiten des Netzes die nötigen Vorkehrungen getroffen werden, denn eine Produktionsanlage dient niemandem, wenn nicht gleichzeitig der Anschluss bereitgestellt werden kann oder die Netzkapazitäten und Transformatorenleistungen nicht ausreichen, um den Strom zu verteilen. Doch der Platz für neue Transformatorenstationen ist begrenzt, und die unattraktiven Kasten sind in Wohnquartieren wenig beliebt.
Verteilnetze müssen mitgedacht werden
Der Bedarf an Trafostationen steigt aufgrund des rasanten
Ausbaus der Photovoltaikanlangen auf Hausdächern weiterhin stark an, und es ist
dringend notwendig, die Planungs- und Bewilligungsverfahren für den Netzausbau
zu beschleunigen und raumplanungsrechtliche Hürden abzubauen. Denn fehlende
Netzanschlüsse, Einsprachen gegen Trafostationen und unklare Zuständigkeiten
verzögern Bauprojekte und bremsen damit den Umbau des Energiesystems.
In seiner Botschaft zur Revision des Elektrizitätsgesetzes vom Mai 2025 sieht der Bundesrat zwar Massnahmen zur weiteren Beschleunigung der Bewilligungsverfahren für den Aus- und Umbau der Stromnetze vor. Während die Vorlage des Bundes für das Übertragungsnetz die notwendige Beschleunigung bringt, fehlen wirksame Massnahmen für die Verteilnetze weitgehend, obwohl auf dieser Ebene dringender Handlungsbedarf besteht. Denn gerade hier sind die Herausforderungen besonders gross, um der zunehmenden Anzahl an PV, Elektroautos und Wärmepumpen gerecht zu werden. Neben dem physischen Ausbau der Infrastruktur braucht es ausserdem Investitionen in sogenannte Smart Grids – also intelligente Verteilnetze, die Stromflüsse flexibel steuern, Lasten ausgleichen und so helfen, Engpässe zu vermeiden.
Stromnetze und Produktionsanlagen als Gesamtsystem begreifen
Zumindest wurde in der Vorlage eine Bestimmung zur
Standortgebundenheit von Transformatorenstationen ausserhalb der Bauzone
aufgenommen. Dennoch sind weitere politische Massnahmen notwendig: Das
Interesse am Netzanschluss muss gleich gewichtet werden, wie die
Produktionsanlage selbst – nebst dem Übertragungsnetz müssen zumindest alle
Leitungen, die für den Anschluss von Produktionsanlagen von nationalem
Interesse nötig sind, ebenfalls ein nationales Interesse erhalten. Ausserdem
braucht es für die unbestrittenen und einfachen Vorhaben auf den untersten
Netzebenen eine nachträgliche Plangenehmigung im Rahmen der ordentlichen
Inspektion sowie effiziente und klare Zuständigkeiten und Kompetenzen unter den
Behörden.
Stromnetze und Produktionsanlagen müssen endlich als
Gesamtsystem begriffen werden. Zuletzt profitieren davon insbesondere auch die
Kundinnen und Kunden: durch eine gesteigerte Versorgungssicherheit, sinkende
Projektkosten und damit positive Auswirkungen auf die Netztarife. Es ist an
der Zeit, dass die Politik endlich die entsprechenden Rahmenbedingungen schafft,
um den raschen Umbau des Energiesystems zu ermöglichen.