12:29 KOMMUNAL

Wer in der Stadt wohnt setzt eher auf umweltfreundliche Verkehrsmittel

Teaserbild-Quelle: Claudio Schwarz, Unsplash

Gut geplant und umgesetzt können Mobilitätskonzepte den Autoverkehr reduzieren und den Umstieg auf umweltfreundliche Verkehrsmittel fördern. Laut einer Studie der HSLU gilt dies vor allem für Städte. Und sie zeigt: So genannte Push-Massnahmen wirken eher als Pull-Massnahmen.

Velofahrer vor einer Baustelle.

Quelle: Claudio Schwarz, Unsplash

Welche Massnahmen gut dafür sorgen, dass umweltfreundliche Mobilität keine ewige Baustelle bleibt, war Gegenstand einer Studie, an der die HSLU mitgearbeitet hat.

Vor allem in städtischen Gebieten steigt die Mobilität im Zuge des Bevölkerungswachstums an. Dies zieht wiederum entsprechende Belastungen für Strassen und öffentlichen Verkehr. Umso wichtiger sei es, die Siedlungsentwicklung mit dem daraus resultierenden Verkehr und kommunalen Vorgaben wie Parkplatzreglementen abzustimmen, schreibt die HSLU in der Medienmitteilung zur Studie und verweist darauf, dass Mobilitätskonzepte bei der Entwicklung von Wohnarealen zu einem wichtigen Planungsinstrument geworden sind. «Sie können Massnahmen wie Autoverzichtserklärungen, reduzierte Parkplatzangebote, Carsharing, Veloverleihsysteme oder Mobilitätsgutscheine kombinieren, um in Siedlungen eine umweltfreundlichere Mobilität zu fördern und die Verkehrsinfrastruktur zu entlasten», heisst es weiter. 

Doch wie wirksam sind derartige Konzepte tatsächlich? Die HSLU ist dieser Frage zusammen unter Leitung des Beratungs- und Ingenieurunternehmens EBP Schweiz AG in einer vom Bundesamt für Strassen (Astra) finanzierten Studie nachgegangen. Ebenfalls mit dabei war die auf Mobilitätsprojekte spezialisierte Trafiko AG und die Bernhard UVB, ein Beratungbüros im Bereich Umwelt- und Verkehrsthemen. Wie die HSLU mitteilt, lieferte die Studie erstmals fundierte empirische Erkenntnisse zum Thema.

Geringerer Effekt bei «Pull»-Angeboten wie Sharing-Modelle

Für die Studie sind 19 Siedlungen mit und ohne Mobilitätskonzept in Städten und Agglomerationen unter die Lupe genommen worden. Bei städtischen Arealen zeigt sich: Wo Mobilitätskonzepte mit wirksamen Massnahmen umgesetzt worden sind, liegt der Anteil des motorisierten Individualverkehrs an der Gesamtmobilität deutlich tiefer, ebenso der Autobesitz geringer und die Nutzung von Sharing-Angeboten höher. Als Beispiele führen die Autoren die Überbauung «Matteo Mattenhof» in Kriens (LU) oder die Siedlung Burgunder in Bern-Bümpliz an. Sogenannte «Push»-Massnahmen wie zum Beispiel ein reduzierter Stellplatzschlüssel wirken gemäss Studie deutlich stärker als freiwillige «Pull»-Angebote, wie zum Beispiel Sharing-Modelle oder Mobilitätsgutscheine.

In weniger dichten Räumen stellten die Autoren hingegen keine signifikanten Unterschiede im Mobilitätsverhalten fest  – unabhängig davon, ob ein Mobilitätskonzept vorliegt. «Weniger dichte ÖV-Anbindungen, grössere Distanzen und eine generell höhere Autoabhängigkeit führen dazu, dass Mobilitätskonzepte ausserhalb urbaner Räume nicht für den Autoverzicht, sondern zur Erhöhung der Lebensqualität umgesetzt werden», kommentiert HSLU-Forscher und Co-Studienautor Michael Stiebe diese Umstand.

Damit zeigt die Studie, das nicht das blosse Vorhandensein eines Konzepts, sondern dessen konsequente Umsetzung entscheidend ist:  «Viele Konzepte bleiben bislang aber vage und ohne klare Wirkungskontrolle», sagt Stiebe. Das Forschungsteam rät deshalb unter anderem zu einem standardisierten Monitoringverfahren und zu einer frühzeitigen Integration der Mobilitätsplanung in allen Phasen der Projektentwicklung. Auch die Rolle der öffentlichen Hand erachtet es als zentral: Nur mit verbindlichen Vorgaben zu Inhalt und Qualität könnten Mobilitätskonzepte ihr Potenzial voll entfalten.

Fehlender Parkplatz als Ausschlusskriterium bei der Wohnungssuche

Dass Mobilitätskonzepte in städtischen Gebieten häufiger konsequent umgesetzt werden, erachtet Stiebe nicht als überraschend: «Viele Menschen sind bereit, ihr Mobilitätsverhalten an neue Rahmenbedingungen anzupassen – auch weil sie die Lage und Angebote schätzen. Die Wohnungsnot erhöht diese Bereitschaft zusätzlich.» Allerdings geht aus der Studie auch hervor, dass sich in solchen Arealen überdurchschnittlich viele Personen mit ohnehin nachhaltigem Mobilitätsverhalten zu Hause sind. Das heisst, für diejenigen, die ein Auto besitzen ist ein fehlender Parkplatz oft ein Ausschlusskriterium für eine Wohnung. Und dies wiederum zeigt, dass nicht das Verhalten sich ändert, sondern die Bewohnerschaft. Die Studie beschreibt diesen Effekt als Selbstselektion, er ist bereits aus einer Reihe früherer Studien bekannt und gut dokumentiert. 

Trotzdem verfehlen gemäss Stiebe derartige Mobilitätskonzepte ihre Wirkung nicht: «In urbanen Gebieten gibt es viele Menschen, die gut zu solchen Konzepten passen.» Von einer Verdrängung von Menschen mit einer häufigeren Nutzung des privaten Personenwagens aus der Innenstadt will er nicht sprechen: Areale mit Mobilitätskonzept machten einen kleinen Teil des Wohnungsmarkts aus. «Der Grossteil der Bevölkerung wird weiterhin in Wohnungen ohne solche Vorgaben leben.» Zumal Mobilitätskonzepte unterschiedlich restriktiv sein können und Parkplätze nicht kategorisch ausschliessen müssen. Stiebe dazu:  «Wer beispielsweise berufsbedingt auf ein Auto angewiesen ist, kann auch in der Freizeit von guten ÖV-Anbindungen und Veloweginfrastruktur profitieren.» (mgt/mai)

Die Studie kann hier heruntergeladen werden: https://www.mobilityplatform.ch/fileadmin/mobilityplatform/normenpool/2600030_1790_VPT_20_03B_02.pdf

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