Warum in London ein 700 Jahre alter Kirchenturm auf Stelzen steht
Inmitten einer riesigen Baugrube in London thront derzeit ein kleines Stück Mittelalter: Der Turm von All Hallows Staining. Der kleine Bau steht auf 14 Meter hohen Stelzen, während rundherum ein neues Bürohochhaus gebaut wird.
Blick auf die Baustelle im Video. (Quelle: The B1M)
Der im Jahr 1320 errichtete Turm ist alles, was von der einstigen Kirche All Hallows Staining übriggeblieben ist, die zwar das verheerende «Great Fire» in London von 1666 überstand, später aber zu grossen Teilen einstürzte. Heute gilt das Bauwerk als «Grade I listed building» – eine Einstufung, die in Grossbritannien nur Objekten von «aussergewöhnlichem Interesse» zuteilwird. Damit darf der historisch wertvolle Turm weder verändert noch abgerissen werden.
Dieser Umstand hat ein besonderes Projekt hervorgebracht. Denn auf dem Grundstück «50 Fenchurch Street», auf dem sich das Bauwerk befindet, soll ein 36-geschossiges Bürogebäude entstehen. Die für den Neubau verantwortlich zeichnenden Architekten Eric Parry Architects und das Ingenieurbüro Arup integrierten den fast 700 Jahre alten Turm aktiv in die Entwicklung des Areals: Das Überbleibsel von All Hallows Staining soll zum Mittelpunkt eines öffentlichen Gartens am Fusse des Hochbaus werden.
Die Bauarbeiten sind bereits seit längerem im Gange und bieten für die Bewohnerinnen und Bewohner Londons aktuell ein ungewöhnliches Bild: Die bereits ausgehobene Baugrube, aus der mittendrin auf 14 Meter hohen Stahlstelzen der kleine Kirchenturm herausragt. Über 125’000 Tonnen Erdreich wurden bislang direkt unter dem mittelalterlichen Bauwerk ausgehoben, um dort die Fundamente für den Bürobau zu erstellen.

Quelle: Eric Parry Architects
Wo ist Walter: Der kleine Kirchenturm (unten rechts) ist aktiv im Grossprojekt integriert – und wirkt inmitten der riesigen Hochhäuser rundherum winzig.
Krypta wird wiederhergestellt
Neben dem Kirchenturm wird ausserdem ein zweites unter Denkmalschutz stehendes Objekt Teil der «50 Fenchurch Street» sein: Eine Krypta. Denn Teil des Grundstücks ist auch die unterirdische Lambe's Chapel Crypt aus dem 12. Jahrhundert. Genau wie der Turm von All Hallows Staining war diese bislang aber nicht öffentlich zugänglich. Im Zuge des Projekts wird das Gewölbe wiederhergestellt – und zusammen mit dem Kirchenturm für die Bevölkerung geöffnet.
Die Bauherrin des Projekts, die Investmentgesellschaft AXA IM Alts, richtete am 23. September eine «Bottoming-out»-Zeremonie aus, um die Ingenieursleistung im Projekt zu würdigen. Londons stellvertretender Bürgermeister Howard Dawber sprach dabei unter anderem von einem «Meilenstein, der Tradition und Moderne auf einzigartige Weise verbindet». Die Fertigstellung des Hochhauses ist für 2028 geplant. (pb)

Quelle: Andreas Wolf 01 - Eigenes Werk, wikimedia CC0
Der winzig wirkende Kirchenturm auf der Baustelle für den Fifty Fenchurch.

Quelle: Eric Parry Architects
Visualisierung: Der Kirchenturm soll zum Mittelpunkt eines öffentlichen Gartens am Fusse des Hochbaus werden.