Klimawandel und Waldwirtschaft: Gewinne im Norden, Verluste im Süden
Was bedeutet der Klimawandel für die europäische Waldwirtschaft? Wie hoch sind die wirtschaftlichen Einbussen? Ein Forschungsteam der TU München ist dieser Frage in einer Studie auf den Grund gegangen. Sie zeigt, dass manche Regionen von steigenden Temperaturen profitieren könnten, weil das Holz dort schneller wächst.

Quelle: Rupert Seidl / TUM
Nadelholzdominierte Wälder gelten oft als profitabler als stukturierte Mischwälder. Deren geringere Störanfälligkeit könnte dies im Klimawandel jedoch ausgleichen.
Der Klimawandel wirkt sich nicht nur ökologisch sondern auch ökonomisch auf den Wald aus: Suchen Schädlinge, Waldbrände, Stürme und lange Trockenheitsperioden die Wälder heim, fallen in kurzer Zeit grosse Schadholzmengen an oder das Holz gar wird so stark beschädigt, dass es sich nicht mehr verkaufen lässt. Eine der Folgen: Der Holzpreis sinkt drastisch.
Wie gross die wirtschaftlichen Einbussen in den Wäldern Europas in Verbindung mit den wärmeren Temperaturen sind, hat nun ein Team der Technischen Universität München (TUM) um Rupert Seidl, Professor für Ökosystemdynamik und Waldmanagement erstmals im Rahmen einer Studie berechnet. - Bei ihrer Untersuchung gingen von den Effekten des Klimawandels aus, wie man ihn für das Ende des Jahrhunderts erwartet: Mit Hilfe von Modellrechnungen simulierte das Team dann, wie die Wälder Europas unter verschiedenen Klimabedingungen wachsen und wie Brände, Stürme und Borkenkäfer auf die Waldentwicklung und Holzernte beeinflussen.
Zentraleuropa dürfte ebenfalls Verluste einfahren
Dabei kamen sie zum Schluss, dass die Erderwärmung verschiedene und teils gar gegenteilige Effekte hat. «Mit fortschreitendem Klimawandel wird es immer häufiger zu grossen Störungen kommen und die Kosten für die Waldbesitzenden werden steigen», sagt Rupert Seidl. «Während diese im Referenzzeitraum 1981 bis 2005 in Europa noch bei 115 Milliarden Euro lagen, steigen sie in allen von uns berechneten Szenarien deutlich an und könnten bei 4,8 Grad Erwärmung sogar um die 247 Milliarden betragen.» Gleichzeitig können längere Wachstumsperioden, höhere Temperaturen und die CO2-Konzentration in der Atmosphäre in einigen Regionen Europas zu beschleunigtem Baumwachstum führen. Die Folge: Das Holz gelangt dort schneller auf den Markt. Und daraus ergeben sich bei gesamteuropäischer Betrachtung wiederum nicht nur höhere Kosten durch Störungen, sondern auch höhere Einnahmen.
Allerdings verteilen sich derartige Gewinne nicht gleichmässig über Europa: Die Störungshäufigkeit und klimatische Bedingungen unterscheiden sich innerhalb des Kontinents stark voneinander: Während in Südeuropa die Schadkosten in jedem der berechneten Szenarien die möglichen Mehreinnahmen übersteigen, sind die skandinavischen Wälder hingegen sind nicht nur seltener von Störungen betroffen, sondern profitieren auch am stärksten von den klimatischen Veränderungen. Hier könnten die Produktionszuwächse die Schadenskosten gar übertreffen. – In zentraleuropäischen Ländern wie Deutschland, Österreich und Tschechien wird der Waldwert laut den Studienergebnissen bereits bei einer moderaten Erderwärmung von 2,6 Grad so stark sinken, dass ein etwaiger Produktionszuwachs die Störungsverluste nur schwer ausgleichen kann.
«Forstwirtschaft funktioniert nicht mehr nach Schema F»
«In solchen Modellrechnungen kann man immer nur ausgewählte Aspekte betrachten. Wir haben uns auf die drei aktuell häufigsten Störungsursachen konzentriert, doch es können neue Störungen hinzukommen», erklärt Johannes Sonnweber Mohr, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Ökosystemdynamik und Waldmanagement und Erstautor der Studie. «Insgesamt sehen wir, dass die Unsicherheiten in der Zukunft stark steigen. Forstwirtschaft funktioniert nicht mehr nach Schema F und wird immer weniger planbar. Diese Erkenntnisse zu nutzen und die Forstwirtschaft gezielt an den Klimawandel anzupassen, könnte ökonomische Verluste reduzieren und zugleich für klimafittere Wälder sorgen, die auch einen grossen ökologischen Wert haben.»
Soll sich die Forstwirtschaft an gewandelte Umstände anpassen, lohnt sich laut dem Wissenschaftsteam eine genaue ökonomische Bewertung. «Durch den Vergleich von Simulationen mit und ohne Störungen ist es uns möglich, die direkten ökonomischen Konsequenzen zu quantifizieren, die Störungsereignisse für Waldbesitzende haben», meint Thomas Knoke, der ebenfalls an der Studie mitgearbeitet hat. Das helfe auch, die Vorteile strukturierter Mischwälder mit vielen verschiedenen Baumarten zu verdeutlichen. Denn: «Aktuell werden sie oft noch als nicht so profitabel wie nadelholzdominierte Wälder eingeschätzt. Durch ihre geringere Anfälligkeit für Störungen können diese in Zukunft jedoch ökonomisch deutlich besser dastehen, als man auf den ersten Blick denken mag.» (mgt/mai)
Die Studie ist vor Kurzem im Fachmagazin Nature Climate Change veröffentlicht worden: www.nature.com