11:00 BAUBRANCHE

Bauregion Freiburg, Neuenburg und Jura: Die Westschweiz im Wandel

Teaserbild-Quelle: Photodrone.pro – Pedro Gutiérrez

Die Westschweizer Kantone stehen vor grossen baulichen Herausforderungen. Während Freiburg stark wächst und seine Stadtlandschaften anpasst, muss Neuenburg seinen in die Jahre gekommenen Immobilienbestand sanieren. Der Jura wiederum setzt auf seinen Baustellen verstärkt auf Wiederverwendung.

Rolex-Baustelle bei Stadt Bulle

Quelle: Photodrone.pro – Pedro Gutiérrez

Die Stadt Bulle wurde 2021 von der Zeitschrift «Bilan» zur dynamischsten Stadt der Romandie gekürt. Das Uhrenhersteller Rolex, der gerade sein 1-Milliarde-Franken-Bauprojekt gestartet hat, lässt sich also in einer Region nieder, die sich in einem wirtschaftlichen Aufschwung befindet.

Von Jean-A. Luque (Freiburg) und Philippe Chopard (Neuenburg und Jura)

Mit mehr als 340000 Einwohnern im Jahr 2025 verzeichnet der Kanton Freiburg eines der stärksten Bevölkerungswachstums in der Schweiz. Getragen von einer über dem nationalen Durchschnitt liegenden Geburtenrate und einer konstanten Binnenmigration – insbesondere aus den Kantonen Waadt, Neuenburg und Bern – zieht das Gebiet neue Einwohner an, die ein erschwingliches und gut angebundenes Lebensumfeld suchen. In Zahlen ausgedrückt bedeutet dies mehr als 5000 neue Einwohner pro Jahr.

Die Gemeinden am Rande des Kantons Freiburg, wie Givisiez, Villars-sur-Glâne, Corminboeuf oder Avry, verzeichnen ein zweistelliges Wachstum. Selbst die historisch stabilen ländlichen Regionen verzeichnen einen Bevölkerungszuwachs.

Starker Druck auf den Wohnungsmarkt

Die direkte Folge: Der Wohnungsmarkt steht unter Druck. Die einst komfortable Leerstandsquote liegt in mehreren Gemeinden mittlerweile unter 1 %. Die Nachfrage übersteigt das Angebot bei weitem, und die Preise folgen diesem Trend. So sind beispielsweise die Durchschnittsmieten in einigen Gemeinden des Glâne-Distrikts innerhalb von sechs Jahren um 15 Prozent gestiegen.

Um dieser Nachfrage gerecht zu werden, wurden zahlreiche Immobilienprojekte gestartet. Ganze Stadtviertel entstehen, wie in Granges-Paccot, Marly oder Bulle, in denen Wohnraum, lokale Geschäfte und Grünflächen miteinander kombiniert werden. Die Behörden fördern die Verdichtung statt der Zersiedelung mit Bebauungsplänen, die vertikale Bauweisen und die Sanierung von Industriebrachen begünstigen.


Quelle: Bundesamt für Statistik * Stand per 31. 12. 2023 bzw. 31. 12. 2024

Wirtschaftsstruktur im Wandel

Das Bevölkerungswachstum geht mit einer Veränderung der Industriestruktur einher. Auch wenn die Landwirtschaft und das Handwerk nach wie vor eine wichtige Rolle spielen, entwickelt sich Freiburg zu einem Innovationszentrum. Der Technologiepark Bluefactory im Herzen der Stadt Freiburg verkörpert diesen Übergang zur Wissenswirtschaft.

In der Broye und in der Region Villaz-Saint-Pierre wachsen die Industriegebiete und beherbergen Akteure aus den Bereichen Logistik, Biopharma und Lebensmittelindustrie. Die bevorstehende Ansiedlung einer Logistikniederlassung für die Lagerung ungekühlter Produkte der Elsa Group, einer Tochtergesellschaft der Migros, in Estavayer-le-Lac – die öffentliche Auflage wurde gerade eingereicht – verdeutlicht diese Dynamik.

Und wie könnte man das 1-Milliarde-Franken-Megaprojekt von Rolex in Bulle unerwähnt lassen? Das renommierte Uhrenunternehmen lässt sich in einer Region nieder, die sich in einem wirtschaftlichen Aufschwung befindet, um einen neuen Produktionsstandort zu errichten und 2000 Arbeitsplätze zu schaffen. In den letzten zehn Jahren verzeichnete La Gruyère das zweitstärkste Wachstum des Landes in Bezug auf die Schaffung von Arbeitsplätzen (+23 Prozent zwischen 2011 und 2020). Innerhalb von dreissig Jahren hat sich die Einwohnerzahl von Bulle mehr als verdoppelt. Und die Prognosen gingen von 7000 zusätzlichen Einwohnern und fast 4000 zusätzlichen Fahrgästen pro Tag in Zügen und Bussen bis 2020 aus. hat sich die Einwohnerzahl von Bulle mehr als verdoppelt. Und die Prognosen, die bis 2030 mit 7000 zusätzlichen Einwohnern und fast 4000 zusätzlichen Fahrgästen pro Tag in Zügen und Bussen rechneten, scheinen bereits jetzt überholt zu sein.

Infrastrukturen müssen modernisiert werden

Es liegt auf der Hand, dass eine der grössten Herausforderungen des Kantons darin besteht, die Infrastruktur an die wachsende Bevölkerung anzupassen. Das Strassennetz, das zu den Stosszeiten oft überlastet ist, und der öffentliche Nahverkehr müssen ausgebaut werden. Der Kanton investiert massiv in multimodale Mobilität. Die S-Bahn Freiburg wird häufiger verkehren, mit Halbstundentakt zwischen Freiburg, Romont, Bulle und Murten. Am Stadtrand werden neue Park-and-Ride-Parkplätze geschaffen und es entstehen immer mehr Radwege.

Auch die Schul- und Gesundheitsinfrastruktur steht unter Druck. Freiburg plant die Schaffung mehrerer Grundschulen sowie die Erweiterung von Gymnasien und Fachschulen. Im Gesundheitsbereich plant das Freiburger Spital (HFR) eine umfassende Umstrukturierung seiner Standorte, um die ambulante Versorgung und die spezialisierten Dienstleistungen besser zu verteilen.

Baustelle Projekt Concept B.180 in Neuenburg

Quelle: Philippe Chopard

Mit dem laufenden Projekt «Concept B.180» von Bonhôte-Immobilier SICAV entstehen im Westen von Neuenburg neue Wohnungen. Der Bau geht zudem mit dem Ausbau eines Fernwärmenetzes einher.

Neuchâtel renoviert, Jura recycelt

Die Kantone des Jurabogens nutzen die etwas verlangsamte Bautätigkeit, um sich im Kampf gegen die globale Erwärmung zu engagieren. Der Kanton Neuenburg steht insbesondere vor der Notwendigkeit, einen alten und in die Jahre gekommenen Immobilienbestand zu renovieren. Der Kanton Jura seinerseits ist bestrebt, den Anteil der Wiederverwendung auf seinen öffentlichen Baustellen zu erhöhen.

Während sich die Sozialpartner über die Erneuerung des nationalen Tarifvertrags für das Baugewerbe streiten, wagt der Neuenburger Unternehmerverband in seinem letzten Jahresbericht die Behauptung, dass ein Arbeitnehmer in seinem Kanton die gleiche Kaufkraft habe wie ein Zürcher. Dies zeigt, dass die in der Schweiz festgestellten Unterschiede etwas übertrieben sind. Wie dem auch sei, das Baugewerbe in Neuenburg unterliegt denselben Schwankungen wie in anderen Kantonen und steht vor denselben Herausforderungen. Ausbildung, Sicherheit auf Baustellen, sich ändernde Normen und Anforderungen, wiederholte Hitzewellen und das Investitionsvolumen sind allesamt Anliegen des Dachverbands der Unternehmen.

In Neuenburg ist in diesem Jahr kein Anstieg der Zahl der Bauprojekte zu verzeichnen. Dies könnte sich in den nächsten Jahren positiv entwickeln. Derzeit steht jedoch mit Ausnahme des Stadtteils Beauregard Est, der derzeit von der Bank Bonhôte geleitet wird, kein grosser Wohnungsbauvorhaben vor dem Start. Der Immobiliensektor steht jedoch vor der Notwendigkeit, zu renovieren. Fast die Hälfte der Wohnungen in Neuenburg befindet sich in Gebäuden, die vor 1946 erbaut wurden. Ihre Sanierung wird daher zu einem Anliegen und einer Priorität für Eigentümer und politische Entscheidungsträger.

Die beiden Städte des Kantons, Neuenburg und La Chaux-de-Fonds, haben wichtige öffentliche Projekte in Angriff genommen. Der Kanton wartet auch auf die endgültigen Entscheidungen zum Bau seiner seit Jahren erwarteten direkten Eisenbahnlinie, die die Mobilitätsgewohnheiten der gesamten Bevölkerung grundlegend verändern wird. Die Veränderung zeigt sich vor allem in der bevorstehenden Aufhebung der Eisenbahnumkehr in Chambrelien zugunsten einer geradlinigeren Strecke, die unter dem Val-de-Ruz und dem Pass La Vue-des-Alpes verläuft.


Quelle: Bundesamt für Statistik * Stand per 31. 12. 2023 bzw. 31. 12. 2024

Baustelle von Energieversorger Viteos in La Chaux-de-Fonds

Quelle: Philippe Chopard

Der Neuenburger Energieversorger Viteos lässt seinen Worten Taten folgen und baut seinen neuen Hauptsitz in La Chaux-de-Fonds in einem Gebiet, in dem derzeit umfangreiche Strassenbauarbeiten stattfinden.

Jura schreibt nun Recycling vor

Mit der Verabschiedung einer neuen Richtlinie wollen die Kantonsbehörden des Jura die Wiederverwendung von Materialien auf ihren Baustellen allgemein einführen. Mit dem Schwerpunkt auf nachhaltiger Entwicklung schreibt der Kanton Jura daher vor, dass ein bestimmter Prozentsatz der im Bauwesen verwendeten Mengen aus der Wiederverwendung von Abbruchbeton oder altem Asphalt sowie aus bio- oder geobasierten Materialien stammen muss. Er engagiert sich auch für kurze Transportwege, gemäss einer interkantonalen Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen. Die Bestimmung geht auch aus dem Klimaplan des Jura hervor, der bis 2050 CO2-Neutralität anstrebt.

Dieser Text wurde vom Batimag – dem französischsprachigen Pendant des Baublatts – verfasst. 


Quelle: Bundesamt für Statistik * Stand per 31. 12. 2023 bzw. 31. 12. 2024

Geschrieben von

Redaktor Batimag

Chefredaktor Batimag

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