18:24 BAUPROJEKTE

Neues Leben für Saffa-Pavillon von Berta Rahm

Geschrieben von: Silva Maier (mai)
Teaserbild-Quelle: Denkmalpflege Kanton Zürich

Die Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit von 1958 (Saffa) ist vor allem wegen ihrer Architektur unvergessen. Beinahe vergessen ist hingegen der beteiligten Architektinnen: Berta Rahm. Sie schuf den Annexbau des Club-Pavillons. Dieser ist jüngst wieder aufgetaucht – kurz bevor er abgerissen werden sollte. Dank einer Rettungsaktion bleibt er erhalten.

Nun ist es so weit. In diesen Tagen öffnen sich die Tore der grossen Ausstellung über sämtliche Gebiete der Frauenarbeit», berichtete die Zeitschrift «Wohnen» im Jahr 1958, kurz vor der Eröffnung der zweiten Schweizerischen Ausstellung für Frauenarbeit (Saffa). «Im immer härter werdenden Generationenproblem und dem Kulturzerfall unserer Zeit ist es sicher gut, einmal statt der negativen die positiven Kräfte sprechen zu lassen und in einer gesamtschweizerischen Schau darzustellen.»

Nachdem die erste Saffa 1928 in Bern stattgefunden hatte, wurde sie 1958 in
Zürich auf und bei der Landiwiese am linken Seeufer durchgeführt. Unter dem Motto «Lebenskreis der Frau in Familie, Beruf und Staat» sollte die Schau alle Bereiche weiblichen Lebens abdecken. Organisiert hatte sie der Dachverband «Bund Schweizerischer Frauenvereine» gemeinsam mit Vereinen und Frauenzentralen. Dass die Saffa 1958 bis heute ein Begriff ist, liegt hauptsächlich an der Architektur. War sie doch auch eine Architektinnen-Ausstellung: Annemarie Hubacher-Constam amtete als Chefarchitektin, unter ihr arbeiteten über 50 Berufskolleginnen, neben anderen waren Beate Schnitter, Verena Fuhrimann und Berta Rahm mit von der Partie.

Berta Rahms Pavillon: «Etwas Kühnes und Anziehendes»

Eine der Attraktionen war der zehnstöckige Wohnturm, eine filigran anmutende Stahlkonstruktion aus der Feder von Hubacher-Constam: Er zeigte unterschiedliche Wohnsituationen – vom Lehrlingszimmer über die kleine Wohnung einer Grafikerin und die Dreizimmerwohnung einer Schneiderin mit Kind bis hin zum Zuhause einer jungen Familie.

Nach dem Ende der Saffa wurden Turm, Ausstellungspavillons und alles Übrige rückgebaut. Manches erfüllte später an anderen Standorten einen neuen Zweck. Eine dieser Bauten war der Annex des Club-Pavillons, in dem neben einer Garderobe und Toiletten auch ein Leseraum für Journalistinnen und Journalisten untergebracht war. Bei dem Club-Pavillon handelte sich um einen bestehenden Bau aus der Feder des Mailänder Architekten Carlo Pagani, der vor allem für die Warenhauskette Rinascente tätig war. Berta Rahm (1910 – 1998) erweiterte den Bau mit einem dessen Formensprache adaptierenden Anbau.

Der Konstruktion aus Aluminiumrohren und vertikal strukturierten Aluminiumwandelementen attestierte Hubacher-Constam rückblickend in der Zeitschrift «Das Werk» «etwas Kühnes und Anziehendes im Äusseren durch Linie und Material». Das filigran anmutende, elegante kleine Bauwerk dürfte das einzige öffentliche Projekt gewesen sein, das die Schaffhauser Architektin in ihrer Karriere umsetzen konnte.

Als unverheiratete Frau der Belastung nicht gewachsen?

Rahm gehörte zu den ersten Frauen, die an der ETH Architektur studierten, mit ihrem Büro realisierte sie vor allem Einfamilien- und Ferienhäuser, Umbauten zählten auch dazu. Bei Architekturwettbewerben war ihr wenig Erfolg beschieden. Obwohl ihre Vorschläge regelmässig in der Finalrunde landeten, schaffte sie es nicht auf den ersten Platz. So war Rahm auch als Chefarchitektin für die Saffa im Gespräch gewesen. Weil sie aber nicht verheiratet war, traute man ihr nicht zu, dass sie der Belastung, die eine solche Aufgabe mit sich gebracht hätte, gewachsen ist. Wenige Jahre später repräsentierte sie in Paris bei der Gründung der «Union Internationale de Femmes Architectes» die Schweiz.

Einer Frau ist es auch zu verdanken, dass Berta Rahms Bau all die folgenden Jahre erhalten geblieben ist: Die Pilzzüchterin Erica Hauser kaufte es der Saffa für ihre «Hauser Champignon Kulturen AG» als Betriebskantine für ihren Betrieb in Gossau ZH ab. Das nun Clubhaus genannte kleine Gebäude wurde wirkungsvoll in das Firmengelände bei einem wie ein Teich angelegten Kühlbecken integriert. Zudem nutzte es Hauser auch als Demonstrationsküche, um ihren internationalen Kunden Pilzgerichte präsentieren zu können. Doch 2009 ging das Unternehmen in Liquidation. 2014 wurde die Nachfolgefirma «Fine Funghi AG» gegründet. Und die Demonstrationsküche hatte sich in der Zwischenzeit zum Lagerraum gewandelt.

Nationalfonds-Forschungsprojekt zur Saffa 1958

Dass der Saffa-Pavillon von Berta Rahm heute noch steht, verdankt er einzig dem Zufall: Der neue Liegenschaftseigentümer Patrick Romanens kannte die Geschichte des Gebäudes nicht und plante schon seit längerer Zeit einen Ersatzneubau. Dafür erhielt er am 28. Januar dieses Jahres eine rechtskräftige Baubewilligung, der Abbruch wäre noch vor Ostern geplant gewesen.

Glücklicherweise fragte ebenfalls am 28. Januar Eva Nägeli, Projektleiterin Inventarisation bei der Schaffhauser Denkmalpflege, bei der Denkmalpflege des Kantons Zürich nach, ob diese ein Gebäude der Schaffhauser Architektin Berta Rahm kenne, welches auf der Saffa 1958 stand und danach in Gossau ZH wieder aufgebaut wurde. Sie war auf einen Hinweis in der Dissertation von Evelyne Lang Jakob «Les premières femmes architectes de Suisse et leurs précurseuses au niveau international» von 1992 gestossen. Es sei keine dringende Anfrage, sie wolle wissen, ob es dieses Gebäude noch gebe.

Die Sache ins Rollen gebracht hat schliesslich Pietro Wallnöfer von der Denkmalpflege des Kantons Zürich. Aktenkundig war der Saffa-Pavillon bei der Denkmalpflege zwar nicht. Er wäre aber im Rahmen der laufenden Inventar-Revision im Sommer begutachtet worden. Wohl zu spät. «Ich habe mich vor Jahren mit dem Pavillon beschäftigt, ihn danach aber wieder aus den Augen verloren», sagt Wallnöfer, der sich im Rahmen einer Archivarbeit schon einmal mit dem kleinen Bau befasst hatte. Als er von der Anfrage aus Schaffhausen hörte, nahm er einen Augenschein vor Ort und sah die noch ausgesteckten Baugespanne. Er informierte daraufhin Nina Hüppi vom eben erst gestarteten Nationalfonds-Forschungsprojekt zur Saffa 1958 über den akut vom Abbruch bedrohten Saffa-Pavillon. Denn da eine rechtskräftige Abbruchbewilligung vorliegt und es sich um kein inventarisiertes Schutzobjekt handelt, sind der Denkmalpflege die Hände gebunden.

Ein Verein zur Rettung

Nun hat das Team des Nationalfondprojekts «Saffa 1958» zusammen mit engagierten Architektinnen eigens zur Rettung des bedrohten Pavillons den Verein «prosaffa1958-pavillon» gegründet, um mittels Spendengeldern den Pavillon zu retten. Bei dem kleinen Bau handle es sich nicht nur um ein Architekturjuwel aus den 1950er-Jahren, sondern auch um «ein gewichtiges, kulturhistorisches Zeugnis der schweizerischen Frauengeschichte». Romanens unterstützt die Rettungsaktion und wartet mit dem Neubau zu.

Laut dem Verein ist ein Raum für die Lagerung bereits gefunden. Überdies sind in diesen Tagen die Rückbauarbeiten abgeschlossen worden. Zurzeit arbeite man mit Hochdruck daran, die Finanzierung und die Logistik für eine fachgerechte Demontage zu organisieren, heisst es auf der Website.

80'000 Franken werden benötigt

Praktische Unterstützung gibt es unter anderem vom Baubüro «in situ» und Freiwilligen. Da die Abbruchbewilligung schon erteilt worden sei, könne man zwar keine finanzielle Unterstützung bieten, fachliche Hilfe aber schon, so Wallnöfer. Dies gilt etwa für die Vermessung und Dokumentation des Baus. Zudem wird über das Vorhaben auf dem Blog der Behörde berichtet. Allerdings braucht es nicht nur tatkräftige, sondern auch finanzielle Unterstützung: Aktuell rechnet der Verein damit, dass total 80 000 Franken für die Demontage und Lagerung benötigt werden. Gesucht wird dafür noch die finanzielle Unterstützung.

Sobald die nötigen Mittel zusammen sind, kann die Planung des Wiederaufbaus in Angriff genommen werden. Dabei stellt sich die Frage, welchen Zweck der Pavillon künftig haben und wo er aufgebaut werden soll. Für Sonja Flury, Architektin und Co-Präsidentin des Vereins «prosaffa», ist der Standort weniger wichtig als die Nutzung. «Natürlich wäre es schön, wenn er an einem exponierten Ort stünde. Aber entscheidend wäre für mich, dass er im Sinne seiner Architektin Berta Rahm genutzt würde. Und zwar im Geiste der Frauenförderung.» 

Spenden für den Wiederaufbau
Spenden für den Pavillon mit dem Vermerk «Saffa 1958-Pavillon» und Adressangaben für Spendenbestätigung auf Konto ZKB, ProSaffa1958-Pavillon, IBAN: CH81 0070 0114 8034 6417 9

Weitere Informationen: www.prosaffa1958-pavillon.ch

Ausstellungstipp: «Frau Architekt» bis 17. Juli, Zentrum Architektur Zürich

Die Ausstellung stellt Pionierinnen und Vertreterinnen der Baukultur aus der Schweiz und Deutschland vor, indem sie die neuere Architekturgeschichte aus der Perspektive von denjenigen Frauen erzählt, die seit über 100 Jahren die Architektur prägen und gestalten. Dies geschieht anhand von Plänen, Modellen, Fotos und Video- Interviews. Ein grosses Gewicht haben dabei auch die Saffa und ihre Architektinnen.

Weitere Informationen: www.zaz-bellerive.ch

Geschrieben von

Chefredaktorin Baublatt

Ihre Spezialgebiete sind Architekturprojekte, Kultur- und Wissenschaftsthemen sowie alles Schräge, was im weitesten Sinn mit Bauen zu tun hat.

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