11:10 BAUPROJEKTE

Neues Architektur-Kleinod auf dem Vitra Campus: Umbrella House von Kazuo Shinohara

Teaserbild-Quelle: Dejan Jovanovic

Ein Haus wie ein Schirm? Der Vitra Campus in Weil am Rhein hat Zuwachs bekommen, das Umbrella House von Kazuo Shinohara (1925 – 2006), erbaut worden ist es 1961. International zwar noch wenig bekannt, gilt Shinohara in Japan neben Kenzo Tange als einer der bedeutendsten Architekten des Landes.

Umbrella House auf dem Vitra Campus

Quelle: Dejan Jovanovic

Die Inspiration für das Umbrella House fand Kazuo Shinohara in der Traditionellen Architektur von Japan.

Seinen Namen verdankt das Umbrella House seinem Dach, dessen Konstruktion im Innern an einen aufgespannten Schirm erinnert. Shinohara hatte das in Holzständerbauweise aus Zeder, Kiefer und Douglasie errichtete Haus als Wohnung für eine kleine Familie konzipiert. Die Idee für dessen pyramidenförmiges Dach hatte er in der traditionellen Tempelarchitektur Japans gefunden. Damals waren derartige Konstruktionen nur bei Tempelanlagen gebräuchlich. Ausserdem hatte Shinohara darauf geachtet, dass nur einfache, kostengünstige Materialien zum Einsatz kamen, wie die Zementfaserplatten der Fassade. Für den japanischen Architekturdiskurs der 1960er Jahre sei das Umbrella House neuartig und anregend gewesen, heisst es dazu in der Medienmitteilung des Vitra Design Museums.

Familienwohnung von 55 Quadratmetern

Das Umbrella House ist das Kleinste und eines der letzten noch erhaltenen Wohnhäuser aus Shinohara sogenanntem Ersten Stil. - Shinohara hat sein Werk in vier Stile unterteilt, in denen er sich jeweils mit unterschiedlichen Fragestellungen auseinander setzte.

Der Bau umfasst auf einer quadratischen Grundfläche von 55 Quadratmetern eine Küche mit Esstisch, einen Wohnraum, ein Badezimmer und ein traditionelles Tatami-Zimmer mit 15 Tatami-Matten in halber Grösse, das der ganzen Familie Platz zum Wohnen und Schlafen gedient hatte. Es ist leicht erhöht gelegen und mit einer flachen Decke versehen. Mit Hilfe von fünf Schiebetüren lässt es sich vom Wohnraum abtrennen. Die Türen schmücken Drucke der japanischen Künstlerin Setsu Asakura, auch sie gehen auf Shinoharas Vorgabe zurück. Über dem Tatamizimmer befindet sich ein halbhoher Raum der als Stauablage genutzt und über eine Leiter erschlossen wurde.

Die Möbel haben Shinohara und der Designer Katsuhiko Shiraishi entworfen. Wie das Vitra Design Museum in seiner Medienmitteilung schreibt, besteht das Mobiliar des Hauses künftig teils aus Nachbauten und aus Originalmöbeln.

Neues Leben in Weil am Rhein wegen Strassenbauprojekt

Dafür, dass das Umbrella House auf dem Vitra Campus gelandet ist, hat ein Strassenbauprojekt gesorgt. Es hätte abgebrochen werden müssen. Um es vor dem Ende zu retten, übernahm Vitra das Haus: Im Sommer 2020 baute man es sorgfältig auseinander und zerlegte es in seinen Einzelteile, danach wurde es verpackt und nach Weil am Rhein verfrachtet. Der Wiederaufbau auf dem Vitra Campus startete vergangenen September in enger Abstimmung mit dem Tokyo Institute of Technology und konnte vor kurzem abgeschlossen werden.

Wie das Vitra Design Museum mitteilt, soll das Gebäude als Ort für kleinere Zusammenkünfte dienen und dem Publikum „in ein bedeutendes Zeugnis moderner Architektur Japans“ bieten. Neben dem geodätischen Dom von Buckminster Fuller/George Howard (1975) und einer Tankstelle von Jean Prouvé (1953) ist es das Umbrella House das dritte historische Bauwerk, das an seinem alten Standort ab- und auf dem Vitra Campus wieder aufgebaut worden ist. 

«Die Verlegung eines Gebäudes ist dann sinnvoll, wenn seine Konstruktion dies problemlos zulässt», sagt Vitra-Museumsgründer Rolf Fehlbaum. «Und natürlich muss es in den Kontext des neuen Ortes passen. Das Umbrella House erfüllt beide Kriterien: Es ist relativ leicht zu versetzen und steht in Verbindung mit der starken japanischen Präsenz – Tadao Ando, SANAA und bald auch Tsuyoshi Tane – auf dem Vitra Campus.» (mai/mgt)

Artikel vom 14. Juni  2022, 12.16 Uhr, aktualisiert am 4. August 2022, 11.11 Uhr


Kazuo Shinohara

Ursprünglich hat der 1925 in Shizuoka geborene Kazuo Shinohara 1947 seinen Bachelor in Mathematik an der Tokyo University of Science abgeschlossen. Doch dann entschied er nach einem Besuch der Tempelanlagen von Nara, sich zum Architekten auszubilden: Die historischen Anlagen hatten ihn derart fasziniert, dass er sich 1950 am Tokyo Institute of Technology für ein  Architekturstudium einschrieb.

Neben einer Reihe von theoretischen Schriften besteht Kazuo Shinoharas Werk vorwiegend aus kleineren Wohnhäusern. Shinohara war bis zu seinem Tod 2006 als Architekt tätig.

Posthum wurde ihm 2010 anlässlich der XII. Architekturbiennale in Venedig der Goldene Löwe verliehen, eine Auszeichnung neben vielen anderen. (mgt/mai)

House auf dem Vitra Campus

Quelle: Dejan Jovanovic

Das Umbrella House war als Wohnung für eine kleine Familie geplant gewesen.

Umbrella House auf dem Vitra Campus (Innenraum)

Quelle: Dejan Jovanovic

Die Möbel stammten ursprünglich aus der Feder von Shinohara und dem Designer Katsuhiko Shiraishi entworfen; Im Innern des wiederaufgebauten Haues stehen Originale aber auch Nachbauten.

Umbrella House, Tokio, ca. 1963-1964

Quelle: Akio Kawasumi

Blick ins Innere des Haues, kurz nach seiner Ferstigstellung, zwischen 1963 und 1964.

Umbrella House, Tokio, ca. 1963-1964

Quelle: Akio Kawasumi

Die Dachkonstruktion des Umbrella House.

Umbrella House, Tokio, ca. 1963-1964

Quelle: Akio Kawasumi

Der Küchen- und der Wohnbereich lassen sich voneinander abtrennen.

Umbrella House auf dem Vitra Campus

Quelle: Dejan Jovanovic

Seinen Namen vedankt das Umbrella House seiner Dachkonstruktion.

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