10:17 BAUPROJEKTE

Ark Nova: Eine aufblasbare Konzerthalle in Luzern

Geschrieben von: Katrin Ambühl
Teaserbild-Quelle: Seraina Wirz, Copyright Lucerne Festival, Anish Kapoor

Die Lidowiese, der «Vorgarten» des Verkehrshauses der Schweiz, wurde im Spätsommer für zehn Tage um ein besonderes Bauwerk bereichert: um die Ark Nova, eine aufblasbare, mobile Konzerthalle. Sie hat keinerlei tragende Konstruktion. Das Projekt ist ein Gemeinschaftswerk mit einem tragischen Hintergrund. Ein Blick auf die Geschichte, die Eigenschaften der magischen Hülle und  die Herausforderungen von Transport und Technik.

Ark Nova bei Nacht von aussen

Quelle: Seraina Wirz, Copyright Lucerne Festival, Anish Kapoor

Im beleuchteten Zustand erscheint die Ark Nova pink, da die Kunststoffhaut transluzent ist. Links im Bild die Container für die drei Gebläse, die den mobilen Bau stabil halten. Foto: Seraina Wirz,  Lucerne Festival, Anish Kapoor.

Der heimliche Star des diesjährigen Lucerne Festival war die organische Riesenhülle auf der Lidowiese am Vierwaldstättersee. Der Anblick der Skulptur erinnerte an ein geheimnisvolles Meereswesen oder an einen Donut. Zwischen dem 4. und 14. September besuchten rund 12'000 Gäste Konzerte in der Ark Nova, ohne dabei tief in die Tasche greifen zu müssen: Die Ticketpreise begannen bei 15 Franken, zudem gab es Gratiskonzerte.

Die Idee, Kultur möglichst vielen Menschen für wenig Geld zugänglich zu machen, entspricht exakt der Ausgangsidee dieses einzigartigen Gemeinschaftsprojekts: Nur einen Tag nach der verheerenden Nuklear- und Naturkatastrophe in Fukushima vom März 2011 rief der Luzerner Kulturmanager und Intendant des Lucerne Festival, Michael Haefliger, seinen japanischen Berufskollegen Masahide Kajimoto an. Er fragte, wie es ihm gehe, was er tun könne beziehungsweise was sie gemeinsam machen könnten, um die betroffene Bevölkerung zu unterstützen. Die befreundeten Kulturprofis kamen zum Schluss, dass sie den Menschen rasch und unkompliziert Zugang zu kulturellen und musikalischen Veranstaltungen bieten wollten, um ihnen ein Stück Glück und Hoffnung zu schenken.

Sie holten zwei weltbekannte Grössen ins Boot, die spontan zusagten: einerseits den berühmten Architekten und Pritzker-Preisträger Arata Isozaki (1931–2022) und andererseits den britischen Künstler Sir Anish Kapoor (*1954). Die Figur, die beide Künstler entwickelten, basiert auf Kapoors Werk «Leviathan», das zum Zeitpunkt der Katastrophe in Japan in Paris ausgestellt war. «Ark Nova ist das Ergebnis meiner langjährigen Beschäftigung mit der nach innen gerichteten Form und der Verschiebung des Massstabs. Wir haben versucht, eine Struktur zu schaffen, die sowohl als Konzertsaal funktioniert als auch leicht zu transportieren ist», sagte Kapoor bei der Ersterrichtung der mobilen Ark Nova 2013 im japanischen Matsushima. Während Kapoor für die künstlerische, formale Gestaltung zuständig war, arbeitete der Architekt mit seinem Büro Arata Isozaki & Associates die Statik und die technischen Details aus.

Luft statt tragende Konstruktion

Die Haut ist eine PVC-beschichtete Polyestermembran, die 1700 kg wiegt – ein Leichtgewicht für ein Gebäude, das 18 Meter hoch ist, eine Innenfläche von 680 Quadratmetern hat und bis zu 500 Menschen aufnehmen kann. In Luzern wurde die Ark Nova mit 300 Sitzplätzen bestuhlt. Eine tragende Konstruktion gibt es nicht, die Hauptstruktur ist ein pneumatisches Membrantragwerk. Die Luft allein sorgt für Statik und Stabilität.

Bei der Form handelt es sich um ein Toroid, eine Art Ring mit einem Loch in der Mitte, wie zum Beispiel ein Rettungsring. Bei der Ark Nova geht die röhrenförmige Öffnung jedoch nicht vertikal durch den Körper, sondern diagonal. Dies sorgt für Stabilität der Konstruktion und für Lichtbezüge. So konnte man etwa von aussen durchs Gebäude hindurch in den Himmel blicken. Über 9000 Kubikmeter Volumen bildet die Haut – ein Hightech-Material mit einer Dicke von gerade mal 0.63 Millimeter. Das Material vom Unternehmen Aerotrope, das auch Anish Kapoors Kunstwerk «Leviathan» gefertigt hatte, ist transluzent. Dadurch changiert die Ark Nova je nach Lichteinfall in ihrer Farbe: von aussen eher in dunklen Auberginetönen, innen in warmem Rot bis hin zu Pink.

Die Ark Nova war nach der Ersterrichtung 2013 noch in Sendai (2014), in Fukushima (2015) sowie in Tokio (2017) aufgeblasen worden. Ausserhalb von Japan war das skulpturale Werk noch nie zu sehen. Nun hatte sie ihren ersten Auslandauftritt in Luzern. Dass dem so ist, ist hauptsächlich Michael Haefliger zu verdanken. Der Intendant des Lucerne Festival hegte als einer der Väter der Ark Nova schon lange den Wunsch, die mobile Konzerthalle nach Luzern zu holen. Doch es gab Hürden, die grösste davon war die Coronazeit. Dass er und viele Mitstreiter, allen voran das Verkehrshaus der Schweiz, das kunstvolle Gebilde in die Schweiz brachten, ist die Krönung von Haefligers Karriere, der – just nach Ende des diesjährigen Lucerne Festival – nach 26 Jahren Amtszeit seinen Posten weitergab. 

Er selbst wohnte am 25. August natürlich dem spektakulären Aufbau der Ark Nova der nur wenige Stunden dauerte, auf der Lidowiese bei. Wie das genau ablief und was es alles brauchte, um das faszinierende Gebilde in die Schweiz zu holen, ist im folgenden Interview zu erfahren.

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