14:09 BAUPRAXIS

CFK-Pionier Urs Meier wird 80

Teaserbild-Quelle: Empa

Kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe (CFK) im Bau galten vor rund 40 Jahren als revolutionär, wenn nicht gar utopisch. Heute gehören sie im Bauwesen zum «Stand der Technik». Dazu hat Urs Meier, ehemaliger Direktor des Empa-Standorts in Dübendorf, Wesentliches beigetragen.

Urs Meier

Quelle: Empa

Urs Meier mit seinen Arbeitsmaterialien: CFK-Lamellen und Beton.

An der ETH zum Bauingenieur zum ausgebildet, war er nach dem Studium als Projektmanager für die Untersuchung grosser Bauteile an der Empa tätig. 1972 wurde er Leiter der Abteilung «Kunststoffe/Composites», 1979 zum Leiter des Ressorts «Baustoffe». Ab 1989 führte er die Empa am Standort Dübendorf als Direktor. Und schliesslich stieg er 2002 zum stellvertretenden Leiter der Empa ernannt auf.

Die Forschung, Entwicklung und Anwendung von CFK  im Bauwesen verdankt Meier viel, er hat laut Empa seit den 1980er-Jahren Pionierleistungen erbracht. Seine Idee, das bis zuvor nur in der Raum- und Luftfahrt gebräuchliche Material auch für Bauprojekte zu nutzen, löste zahlreiche Innovationen aus. Die nachträgliche Verstärkung von Bauwerken und anderer Strukturen mit CFK sei eine ökologisch sinnvolle Massnahme, da sie einen Beitrag zur Reduktion des Verbrauchs an Ressourcen im Bau leiste, schreibt die Empa. Damit könne auf die energie- und rohstoffintensive Erstellung neuer Bauwerke oft verzichtet werden, weil sich mit CFK bauliche Schäden beheben oder bestehende Bauten neuen Anforderungen anpassen liessen.

Die Entwicklungen von Meier und seinem Team hat einigen Schweizer Unternehmen sowohl national als auch international neue Geschäftsfelder eröffnet.

CFK-Lamellen für die Sanierung der Ibachbrücke

Erstmals eingesetzt wurden die CFK in Lamellenform, im Jahr 1991 bei der Sanierung der Ibachbrücke in Luzern 1991. Sie waren leichter, ermüdungsfester und korrosionsresistenter als die bis dahin verwendeten Stahllaschen. -  Seither folgten zahlreiche erfolgreiche Projekte, etwa 1996 die Eröffnung der Storchenbrücke in Winterthur, bei der erstmals zwei Tragseile aus CFK verbaut wurden.

Doch Bauwerke haben immer auch einen kulturellen Aspekt: So hat die Anwendung von CFK-Lamellen bei der Sanierung historischer Bauwerke wie der Reussbrücke im aargauischen Sins und des Landesmuseums in Zürich zum zu Erhalt des kulturellen Erbes beigetragen. Die jährlich verwendete Menge an CFK nimmt daher stetig zu. Dies ist laut Empa nur dank Meiers „unermüdlichem Einsatz“ möglich gewesen, der die Entwicklung bis heute präge und begleite.

Vorlesungen an der ETH

In seiner Laufbahn erwarb Meier mehrere Patente und veröffentlichte gegen 300 wissenschaftlich-technische Publikationen und hielt weltweit hunderte von Vorträgen und Kursen zur Verwendung von Verbundwerkstoffen, insbesondere CFK im Bauwesen.

Ab 1975 hielt er Vorlesungen an der ETH Zürich, 1989 wurde ihm von der ETH Zürich der Professorentitel verliehen. Für seine Arbeiten erhielt Meier immer wieder namhafte Auszeichnungen, so etwa 1990 im Wettbewerb «Technologiestandort Schweiz».

Gutachten für Autobahnbrücke bei Stuttgart

Stadtbahnbrücke in Stuttgart-Degerloch

Quelle: sbp/Andreas Schnubel

127 Meter lang, rund 1500 Tonnen schwer und ein Pionierbauwerk: Bei der Stadtbahnbrücke wurden die ursprünglich vorgesehenen Stahlseile mit vorgespannten CFK-Hängern ersetzt.

Obwohl er 2008 pensioniert worden ist, ist  Meier weiterhin für die Empa tätig und arbeitete seither bei verschiedenen Projekten mit. Eine der neueren Arbeiten war ein Gutachten zur Stadtbahnbrücke in Stuttgart-Degerloch (D): Ursprünglich war die Brücke mit herkömmlichen Stahlhängern geplant gewesen. Danach kam die Idee auf, die Stahlseile durch vorgespannte CFK-Hänger zu ersetzen.

Für neue Produkte und Konstruktionen dieser Art ist in Deutschland eine bauaufsichtliche Zulassung nötig – in diesem Fall war für das völlig neue Bauprodukt eine sogenannte Zustimmung im Einzelfall möglich. Allerdings erforderte diese den detaillierten Nachweis der Eignung. Neben Ermüdungseigenschaften der CZFK-Seile beachtete Meier daher auch Fragen zu Witterungsbeständigkeit, Blitzschlag oder Brand.  Zudem wurde der Einfluss elektrischer und magnetischer Felder sowie Vandalismus einkalkuliert. 2018 erlaubte die baden-württembergische Zulassungsbehörde die Verwendung von CFK-Hängern beim Bau der Brücke über die Autobahn A8 unter bestimmten Auflagen.

Eröffnet wurde die 127 Meter lange Stadtbahnbrücke schliesslich im 2020 –mit  72 Hängeseile komplett aus CFK. Vor Kurzem wurde das filigrane Bauwerk mit dem Deutschen Ingenieurbaupreis 2022 ausgezeichnet. (mgt/mai)

Mehr zur Autobahnbrücke im Artikel Deutscher Ingenieurpreis für mit Hilfe der Empa erstellte Brücke vom 5. August 2022. 



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