11:29 BAUBRANCHE

Was tun gegen das Lädelisterben?

Umfrage bei Nationalräten bei verschiedenen Nationalräten zu ausgestorbenen Ortskernen.

Alain Ribaux: «Verschiedene, sich ergänzende Massnahmen sind nötig»

Alain Ribaux ist FDP-Nationalrat, Kanton Neuenburg und Gemeinderat
(Exekutive) der Stadt Neuenburg.

In kleineren und mittelgrossen Schweizer Ortschaften ruft das Lädelisterben Probleme hervor, die weit über längere Einkaufswege hinausgehen. Mit der sinkenden Anzahl Kleingeschäfte geht die Attraktivität der Innenstadt zurück, was grosse Auswirkungen auf Ortsstruktur und Lebensqualität hat.

Politischer Handlungsbedarf zeigt sich vor allem hinsichtlich Empfangsbedingungen, Steuern, Infrastruktur und Bürokratie. Die FDP setzt sich für optimale wirtschaft­liche Rahmenbedingungen ein. Zu grosse Bürokratie schadet den kleinen Unternehmen, ebenso wie die Beschränkung der Ladenöffnungszeiten. Zu hohe Steuern mindern die Anreize, ein kleines Unternehmen zu betreiben. Nicht zuletzt braucht es für die Zukunft der Ortszentren kleiner und mitt­lerer Ortschaften eine hervorragend funktionierende Verkehrsinfrastruktur und Parkiermöglichkeiten. Schliesslich sind die Empfangsbedingungen entscheidend: Die Ein­kaufszonen müssen einladend sein, mit Begegnungs­zonen, unterschiedlichen Geschäften und allenfalls kultureller Unterhaltung. Dies wirkt auch dem Einkaufstourismus entgegen. Eine Verbindung dieser Massnahmen erachtet die FDP als zwingend für ein erfolgreiches Wirtschaften unserer Lädeli und für mehr Leben in unseren Schweizer Ortszentren.

Viola Amherd : «Es soll eine Konsum­erlebniswelt im Ortszentrum entstehen»

Viola Amhernd ist CVP-Nationalrätin, Kanton Wallis, und Stadtpräsidentin von Brig-Glis.

Das Einkaufsverhalten der Bevölkerung hat sich in den letzten Jahren verändert. Neben dem Beschaffungskonsum, welcher bequem und schnell sein muss, spielt heute der Erlebnis­konsum, bei welchem das Einkaufen als Ereignis im Vordergrund steht, eine immer wichtigere Rolle.

Gemeinden, sowohl Dörfer wie Städte, sind gefordert, ihre Ortszentren auf die Bedürfnisse der heutigen und zukünftigen Kunden auszurichten. Einerseits sollen diese rasch und einfach in die Zentren gelangen. Dies durch eine gute Anbindung des ÖV, attraktive Fuss- und Velowege sowie zentrale Parkhäuser in Zentrumsnähe. Anderseits müssen die Zentren so gestaltet werden, dass der Konsum von Gütern zur attraktiven Freizeitbeschäftigung wird. Es sollen ein ausgewogener Angebotsmix angestrebt, die Zentren möglichst verkehrsfrei gestaltet, die Ansiedelung von starken Markengeschäften gefördert und die Inszenierung durch themen­orientierte Warenpräsentationen, Wochenmärkte und Events (wie Shows, Kleinkunst, Musik oder Erlebnisgastronomie) aufgebaut werden. Zusammengefasst soll eine kompakte Konsumerlebniswelt im Ortszentrum entstehen, die für die ganze Familie eine erlebnisreiche Freizeitbeschäftigung bietet. Die Gemeinden und Städte sind gefordert, diesen Prozess aktiv zu gestalten.

Lorenz Hess: «Chance für mehr lokale Identität nutzen»

Lorenz Hess ist BDP-Nationalrat, Kanton Bern, und Gemeindepräsident von Stettlen.

Der Trend des «Lädelisterbens» ist bis zu einem gewissen Mass unvermeidlich. Neue Einkaufsmöglichkeiten wie Online-Shop-ping lassen sich nicht mehr rückgängig machen. Die Politik ist gefordert: Kommunale und regionale Behörden haben es in der Hand, im Rahmen der Raum- und Ortsplanungen dafür zu sorgen, dass die einheimischen Detaillisten nicht völlig verdrängt werden von einer unkontrolliert steigenden Zahl an Grossverteilerfilialen.

Betroffene Ortschaften müssen ihre Chan­ce nutzen, denn sie können gerade heute und in Zukunft die­jenige Identität schaffen, die den Bürger­innen und Bürgern angesichts der Globalisierung und der wachsenden Anonymität verloren geht.

Dazu ist es nötig, Ortszentren bewusst zu planen. Das heisst, nach städteplanerischen Grundsätzen die Gewohnheiten und Bedürfnisse der Bevölkerung analysieren. Eine schöne Sitzbank, ein Brunnen und ein Baum machen noch kein Zentrum. Generell sollten in der Siedlungs- und Verkehrsplanung Strukturen angestrebt werden, die Wohnen, Arbeiten und Einkaufen weitgehend in der gleichen Region möglich machen.

Hans Killer: «Sind die Konsumenten oder die Politik Schuld am Lädelisterben?»

Hans Killer ist SVP-Nationalrat, Kanton Aargau.

Der Trend ist vielerorts erkennbar: Am Rand oder ausserhalb der Dörfer entstehen Einkaufszentren mit umfassenden Angeboten und grosser Auswahl. Es wird dann festgestellt, dass dadurch den traditionellen Detailläden in den Dörfern der Umsatz und die Existenz entzogen wird. Den älteren Leuten wird dadurch die Möglichkeit des Einkaufens in Fussdistanz genommen. Begleitet sind diese Entwicklungen meist auch von einem Attraktivitätsverlust der Dorfzentren und es werden Wünsche an die Politiker herangetragen, das Dorfleben wieder zu fördern.

Grundlage für solche Steuerungen ist in aller Regel die Raumplanung, welche die
lokalen Politiker zu lösen haben. Mit entsprechender Zonenplanung kann gesteuert werden, wo in den Siedlungsgebieten Einkaufszentren sinnvoll sind. Dabei können durch entsprechende Detailregelungen auch in Dorfzentren attraktive grössere Zentren entstehen, wie viele gute Beispiele in unserem Land zeigen.

Aber auch das Einkaufs- oder Konsumverhalten ist entscheidend, ob ein Dorfladen eine Zukunft hat. Wenn er nur dazu dient, beim Grosseinkauf Vergessenes noch zu ergänzen, wird dieser Quartierladen über kurz oder lang verschwinden. Dass damit für viele nicht mehr mobile Konsumenten das selbstständige Einkaufen verunmöglicht wird, bedeutet für diese Leute eine Verminderung der Lebensqualität, die zu bedauern ist.

Louis Schelbert: «Sind die Konsumenten oder die Politik Schuld am Lädelisterben?»

Louis Schelbert ist Nationalrat der Grünen Partei, Kanton Luzern.

Der Trend ist vielerorts erkennbar: Am Rand oder ausserhalb der Dörfer entstehen Einkaufszentren mit umfassenden Angeboten und grosser Auswahl. Es wird dann festgestellt, dass dadurch den traditionellen Detailläden in den Dörfern der Umsatz und die Existenz entzogen wird. Den älteren Leuten wird dadurch die Möglichkeit des Einkaufens in Fussdistanz genommen. Begleitet sind diese Entwicklungen meist auch von einem Attraktivitätsverlust der Dorfzentren und es werden Wünsche an die Politiker herangetragen, das Dorfleben wieder zu fördern.

Grundlage für solche Steuerungen ist in aller Regel die Raumplanung, welche die
lokalen Politiker zu lösen haben. Mit entsprechender Zonenplanung kann gesteuert werden, wo in den Siedlungsgebieten Einkaufszentren sinnvoll sind. Dabei können durch entsprechende Detailregelungen auch in Dorfzentren attraktive grössere Zentren entstehen, wie viele gute Beispiele in unserem Land zeigen.

Aber auch das Einkaufs- oder Konsumverhalten ist entscheidend, ob ein Dorfladen eine Zukunft hat. Wenn er nur dazu dient, beim Grosseinkauf Vergessenes noch zu ergänzen, wird dieser Quartierladen über kurz oder lang verschwinden. Dass damit für viele nicht mehr mobile Konsumenten das selbstständige Einkaufen verunmöglicht wird, bedeutet für diese Leute eine Verminderung der Lebensqualität, die zu bedauern ist.

Cédric Wermuth: «Mit mehr öffentlichem Immobilenbesitz gegen den Einheitsbrei»

Cédric Wermuth ist SP-Nationalrat, Kanton Aargau.

In meiner Wohnstadt Baden ist das Problem des Lädelisterbens leider topaktuell. Das lokale Gewerbe wird zunehmend von Gross­ketten verdrängt: Nespresso und Starbucks, McDonald’s und Burger King oder Sunrise und Orange prägen das Stadtbild – mit der Folge, dass die Einkaufspassage im Stadtzentrum zunehmend jeder beliebigen anderen Einkaufspassage in einer Schweizer Durchschnittsstadt zum Verwechseln ähnlich sieht. Die so genannte «Aufwertung» zerstört Individualität und Identität der Städte.

Der Stadt gehen regionale Wertschöpfungsketten verloren – die grossen Multis nehmen wenig Rücksicht auf regionale KMU. Ihr Hauptziel sind möglichst tiefe Einkaufspreise und hohe Margen. Ein vergleichsweise sozial nachhaltiges und durch seine Kleinräumigkeit auch ökologisch nachhaltigeres Netz geht verloren. Das Stadtzentrum stirbt an den Abenden und Wochenenden zunehmend aus: Lokale Initiativen, kleine Läden oder Kulturveranstalter können sich die Mieten im Zentrum nicht mehr leisten und werden verdrängt.

Diese Entwicklung ist kein Naturgesetz. Die Städte können ihrer Verödung entgegenwirken, indem sie die Anteile an öffentlichem und genossenschaftlichem Immobilienbesitz ausbauen und so dem lokalen Gewerbe und Kulturschaffen zahlbare Mieten statt Renditetreiberei anbieten können.

(Aufgezeichnet von Marcel Müller)

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