16:10 BAUBRANCHE

Über den Fluss und direkt in den Hügel

Teaserbild-Quelle: Thomas Kümin

Der Kanton Solothurn investiert in Olten massiv in den Tiefbau, um das Hauptstrassennetz der Region und die wichtigsten städtischen Strassen zu entlasten. Die Entlastungsstrasse des Projekts Entlastung Region Olten ERO vereint auf wenigen Kilometer eine Brücke und einen Steg über die Aare, einen Tunnel durch den Hausmatthügel, Strassenüber- und unterführungen.

Die Region Olten ächzt jeden Tag unter einer Blechlawine, die sich jeweils zu Stosszeiten durch die Stadt und über die Hauptstrassen der umliegenden Ortschaften wälzt. Der motorisierte Individualverkehr kommt nur zähflüssig voran, genauso wie die Fahrzeuge der Busbetriebe, die nur mit Mühe ihren Fahrplan einhalten können. Insbesondere bei den grossen Knoten Handelshof, Bahnhofplatz und Postplatz kommt es immer wieder zu Behinderungen. Radfahrer und Fussgänger sind in ihrer Sicherheit gefährdet, und die Anwohner der Verkehrsachsen leiden unter Lärm und Smog, verursacht von bis zu 30 000 Fahrzeugen pro Tag. Wegen des Ausweichverkehrs wächst auch der Druck auf die Nebenstrassen der Innenstadt und der Wohnquartiere. Um diese Misere zu beenden, lässt der Kanton Solothurn ein Bündel von Massnahmen realisieren, nachdem das Solothurner Volk 2002 mit einem Volksentscheid grünes Licht für das Projekt gegeben hatte. Wichtigstes Element der «Entlastung Region Olten ERO» ist die Entlastungsstrasse H5b, die parallel zur H5 gebaut wird. Das Amt für Verkehr und Tiefbau des Kantons Solothurn verspricht sich davon eine beträchtliche Wirkung: Die H5b soll mehr als die Hälfte des Verkehrs durch Oltens Stadtzentrum und auf der H5 aufnehmen.

Das Projekt wird durch den Bund, den Kanton Solothurn und die Gemeinden Olten, Wangen b. Olten, Rickenbach, Hägendorf, Trimbach, Winznau und Starrkirch-Wil finanziert. Die Gesamtkosten der ERO betragen 317,2 Millionen Franken auf der Preisbasis von Oktober 2007). Mit zwei Kantonsratsbeschlüssen in den Jahren 2006 und 2008 wurden Verpflichtungskredite gesprochen, welche die Finanzierung des Grossprojekts bis auf die teuerungsbedingten Mehr- oder Minderkosten sichert. Der Kanton zahlt seinen Anteil aus dem Strassenbaufonds. Dieser wird wieder aus dem Ertrag der Motorfahrzeugsteuern, den Beiträgen aus dem Treibstoffzoll und dem Ertrag der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) gespiesen. Um das Entlastungsprojekt in Olten zu stützen, stimmten Solothurns Bürgerinnen und Bürger einem Zuschlag auf die Motorfahrzeugsteuer von 15 Prozent für maximal 20 Jahre zu. Zudem wird bis zur Finanzierung der Projekte die LSVA ganz und – nach bisherigem Recht – der Ertrag des Treibstoffzolls zur Hälfte dem Strassenbaufonds zugewiesen.

Maya, die neue Aarebrücke

Den spektakulärsten Teil der H5b bildet die Hausmattbrücke, die den Kreisel Säli am Ostufer der Aare direkt mit dem Ostportal des Hausmatt-Tunnels verbindet. Für Schweizer Verhältnisse ist sie relativ ungewöhnlich: Die 15,6 Meter breite und 88,5 Meter lange Brücke führt stützenfrei über den Fluss. Die Planer verzichteten auf teure Fundationen im Fluss. Einbetonierte Vorspannkabel, die in den Tunnelwänden verankert werden, verleihen dem Bauwerk die notwendige Tragkraft. Geometrisch gesehen handelt es sich beim Bauwerk um einen einfeldrigen Balken mit Trogquerschnitt und rückverankerten Betonsegel, die direkt in das Tunnelportal integriert sind. Das ausladende Portaldach wurde geschickt dazu verwendet, die einbetonierten Vorspannkabel aufzunehmen. Gleichzeitig schirmt das Dach das auf dem Hügel gelegene Quartier Hinterer Steinacker ab. Die insgesamt 28 Vorspannkabel sind in den Seitenwänden des Tagbautunnels Ost verankert. Das Widerlager West ist mit acht Bohrpfählen (Durchmesser 1,5 Meter) bis 35 Meter im Fels abgestützt. Die Schalung und Armierung der Brücke und des Dachs war laut Thomas Pareth, Leiter Realisierung ERO, keine leichte Angelegenheit. Für die Ausführungsplanung wurden darum für die Knoten der Betonsegel ein Modell im Massstab 1:1 erstellt, die besonders die Realisierung des unter Spannung stehenden Brückenkopfes garantieren sollten. Die Fahrbahnplatte ist als vorgespannte Ortsbetonrippenplatte konzipiert und erfordert für die Erstellung ein durchgehendes Lehrgerüst. Auf aufwendige Einschiebeverfahren oder Freivorbauten wurde verzichtet.. Die Brücke ist robust; sämtliche Längs- und Quertragelemente sind für ständige Einwirkungen voll vorgespannt. Auch die Betonsegel werden so vorgespannt, dass keine Zugspannungen entstehen und eine Rissefreiheit erwartet werden kann. Eine gute Dauerhaftigkeit ist damit gewährleistet und der Aufwand für den Unterhalt ist gering.

Die ästhetische neue Aarebrücke geht aus einem vor fünf Jahren durchgeführten Projektwettbewerb hervor. Aus 69 Beiträgen wurde das Projekt «Maya» von Bänziger Partner AG, Baden; ACS-Partner AG, Zürich; Eduard Imhof, Luzern und David & von Arx, Solothurn, ausgewählt. Die Verfasser wollen «ein neues Zeichen in den Flussraum setzen». Der Kraftfluss der Tragkonstruktion wird zur technischen Skulptur, die den Ort prägt. «Die Ausstrahlung des Objektes war den Verfassern wichtiger als die Integration in den Ort», heisst es im Bericht der Jury. Mitte 2013 soll das Bauwerk dem Verkehr übergeben werden.

Wenige Meter flussabwärts verläuft der bereits fertiggestellte neue Steg über die Aare. Er bietet mit fünf Metern Breite und 88 Metern Länge Platz für den Fuss- und Veloverkehr. Das vorgespannte Bauwerk mit Bohrpfahl-Fundation besteht aus Stahlbeton und ruht auf zwei Pfeilern im Flussbett. Die Arbeiten am Aaresteg wurden Mitte dieses Jahres abgeschlossen.

Tunnel mit geringer Überdeckung

Ein weiteres bautechnisches «Schmankerl» ist der Hausmatt-Tunnel, der bergmännisch auf 257,5 Meter das Wohnquartier Hausmattrain unterquert. Die Überdeckung variiert zwischen drei Metern in den Portalbereichen bis maximal 17 Meter. An manchen Stellen verläuft die Röhre sogar nur zehn Meter unter den Fundamenten des Quartiers. Die konstante geodätische Überwachung zeigte, dass sich das Gelände über dem Tunnel um 10 bis 15 Millimeter gesenkt hat. Die Projektverfasser hatten mit 30 bis 50 Millimetern gerechnet. Am 9. September dieses Jahres erfolgte der offizielle Durchschlag im Tunnel. Allerdings wurde die letzte Vortriebsetappe der Kalotte (obere Tunnelhälfte), und somit der eigentliche Durchschlag, bereits rund drei Wochen früher ausgeführt. Vor der Durschlagsfeier mussten aber erst Sicherungsmassnahmen getroffen werden. An den bergmännischen Teil des Hausmatt-Tunnels schliessen die Tagbautunnelstrecken West (Länge: 44,5 Meter) und Ost (Länge 88,5 Meter) an.

Der Tunnel verläuft durch Niederterrassenschotter, wobei sich die Sohle über zwei Drittel der ganzen Länge im Grundwasser befindet. Er wird in einer ersten Phase mittels Kalottenvortrieb im Teilausbruch aufgefahren. Das bedeutet, dass zuerst die obere Tunnelhälfte des fertigen Tunnelprofils ausgebrochen wird. Der bestehende Stollen wird dann in einer zweiten Ausbruchphase auf das endgültige Profil vergrössert. Dies geschieht mit dem Ausbruch der Strosse und Sohle (untere Tunnelhälfte).Bei diesen Arbeiten muss dann auch die bereits vorbereitete Absenkung des Grundwasserspiegels vorgenommen werden. Während der Absenkung müssen bis zu 1000 Liter Grundwasser pro Sekunde abgepumpt werden. Es wird in die nahe Aare oder den Rötzmattbach geleitet. Nach Jahreswechsel wird der ganze Tunnelausbruch abgeschlossen sein. Anschliessend erfolgt der Innenausbau. Dieser dürfte gemäss Plan Mitte 2012 beendet sein. Darauf folgt die Installation der Betriebs- und Sicherheitsausrüstung, die Inbetriebnahme ist für Ende 2013 vorgesehen.

Nähe zur SBB-Linie gesucht

Nach dem Hausmatt-Tunnel verläuft die H5b entlang der SBB-Bahnlinie. Laut Gesamtprojektleiter-Stellvertreter Markus Spring ist dies durchaus kein Zufall. Die Bündelung der Verkehrswege dient vor allem der Eindämmung des Verkehrslärms auf eine Achse. Allerdings mussten der zukünftigen Entlastungsstrasse auch entlang der Bahnlinie einige Gebäude weichen. Es handelt sich dabei vor allem um Gewerbe- und Industriebetriebe.

Die H5b westlich des Hausmatt-Tunnels beinhaltet einige Kunstbauten, welche die Strasse mit den Gebieten zwischen Olten West, Wangen b. Olten und Rickenbach verknüpft. Bemerkenswert ist auch die Überführung Gheidstrasse, die das Schienentrassee der SBB überquert. Sie war bereits einmal wegen eines zusätzlichen SBB-Gleises verlängert worden. Mit der neuen Entlastungsstrasse wurde die Brücke um weitere 16 Meter verlängert. Die Brückenverlängerung ist so gestaltet, dass sie sich vom bestehenden Teil klar abhebt. Der neue Teil tritt als eigenständige Rahmenbrücke in Erscheinung und wurde Ende 2009 abgeschlossen.

Gleich danach folgt die Dünnernbrücke, welche die neue Entlastungsstrasse parallel zu den SBB-Gleisen über den gleichnamigen Fluss führt. Das 2009 fertiggestellte Bauwerk bietet Platz für zwei Fahrspuren und überquert das Wasser ohne Stützen auf einer Länge von 23,4 Meter. Der Brückenkörper wird aus Beton hergestellt und ist in Längsrichtung vorgespannt. Der südliche Brückenrand liegt im Aufweitungsbereich des Knotens Olten Südwest. Die Brückenbreite variiert daher zwischen 9 bis 10,5 Metern.

Eine weitere Strassenüberführung ist jene beim Usego-Areal. Sie verbindet die Entlastungsstrasse mit der Solothurnerstrasse und überquert sowohl die SBB-Gleise als auch die Entlastungsstrasse. Die Gesamtlänge der Brücke beträgt 135,5 Meter, die Spannweiten zwischen den Stützen 16 bis 21,5 Meter. Im Brückenbereich ist beidseitig eine 1,25 Meter hohe Lärmschutzwand vorgesehen. Über die Brücke führen zwei je 3,5 Meter breite Fahrspuren sowie zwei 1,5 Meter breite Radspuren und ein 2 Meter breiter Gehweg. Auf der Nordseite unter der Brücke entstehen zusätzliche Parkplätze. Der Bau wurde diesen Herbst fertiggestellt.

Die längste der Strassenüberführungen ist schliesslich jene bei der Mittelgäustrasse. Die 245,1 Meter lange Strassenüberführung verbindet seit 1978 die Dorfstrasse in Wangen bei Olten mit der Mittelgäustrasse in Kleinwangen. Während der Realisierung des Projektes ERO wird die bestehende Brücke saniert. Über eine 92 Meter lange Rampe wird ein Anschluss an die Entlastungsstrasse hergestellt. Die Arbeiten werden in den Jahren 2010 und 2011 ausgeführt.

Eine weitere Brücke über die Dünnern findet sich bei der Ortschaft Rickenbach, wo auch die Entlastungsstrasse endet. Für deren Anbindung an die Mittelgäustrasse bei der Mühle Rickenbach wird die Dünnernbrücke Rickenbach erstellt. Im Anschluss an die Brücke befindet sich der Knoten Mittelgäustrasse. Die Brücke weist zwei Fahrspuren, ein Mehrzweckstreifen in der Mitte sowie auf der Unterwasserseite einen Radstreifen und ein Trottoir auf. Die Dünnernbrücke Rickenbach überquert das Flüsschen stützenlos; die Spannweite in der Brückenachse beträgt 23,6 Meter. Der Brückenkörper wird aus Beton hergestellt, ist in Längsrichtung vorgespannt und mit Pfählen fundiert.

Eine weitere Brücke über die Dünnern findet sich bei der Ortschaft Rickenbach, wo auch die Entlastungsstrasse endet. Für deren Anbindung an die Mittelgäustrasse bei der Mühle Rickenbach wird die Dünnernbrücke Rickenbach erstellt. Im Anschluss an die Brücke befindet sich der Knoten Mittelgäustrasse. Die Brücke weist zwei Fahrspuren, ein Mehrzweckstreifen in der Mitte sowie auf der Unterwasserseite einen Radstreifen und ein Trottoir auf. Die Dünnernbrücke Rickenbach überquert das Flüsschen stützenlos; die Spannweite in der Brückenachse beträgt 23,6 Meter. Der Brückenkörper wird aus Beton hergestellt, ist in Längsrichtung vorgespannt und mit Pfählen fundiert. (küm)


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