07:17 BAUBRANCHE

Systemwechsel beim Eigenmietwert könnte Hypothekenwachstum bremsen

Teaserbild-Quelle: ChatGPT/mai

Die Schweizer Bankbranche sieht der Volksabstimmung zur Abschaffung des Eigenmietwerts gelassen entgegen. Ein Systemwechsel dürfte zwar zu vermehrten Rückzahlungen von Hypothekarkrediten führen. Das seit Jahren anhaltende Wachstum des Schweizer Hypothekenmarkts würde damit aber wohl lediglich etwas verlangsamt.

Die Vergabe von Wohnhypotheken gehört zum zentralen Geschäft für inlandorientierte Banken wie Kantonal- und Regionalbanken oder die Raiffeisen-Institute. Sie profitieren dabei von einem Markt, der gemäss Studie des Immobilienvermittlers Moneypark seit Jahren im Schnitt um 3 Prozent wächst.

Im 2024 legte das Hypothekarvolumen mit einem Plus von 2,6 Prozent oder 32 Milliarden Franken auf mehr als 1200 Milliarden Franken zu. Dabei weist die Schweiz eine der weltweit höchsten Hypothekarverschuldungen pro Kopf auf - und dies, obwohl nur gerade jeder dritte Haushalt (36 Prozent) in den eigenen vier Wänden wohnt. Zurückgeführt wird diese hohe Pro-Kopf-Verschuldung immer wieder auch auf das geltende System der Eigenmietwertbesteuerung. Denn die steuerliche Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen in der Schweiz veranlasst Immobilienbesitzer oftmals dazu, ihre Verschuldung nicht abzubauen. Vorhandene Vermögen investieren sie stattdessen lohnender in Wertpapier-Anlagen.Dabei gewinnen Banken gewinnen oft gleich doppelt: Neben den Zinseinnahmen aus den Hypotheken verdienen sie auch noch Kommissionserträge im Wertpapiergeschäft.

Hypotheken: 3 bis 7 Prozent Rückzahlungen

Dennoch erwarten Fachleute erwarten keine grosse Rückzahlungswelle von Hypotheken, sollte das Schweizer Volk einem Systemwechsel beim Eigenmietwert zustimmen: «Es gibt nicht sehr viele Menschen, die einen substanziellen Betrag ihrer Hypothek einfach zurückzahlen können», sagt etwa Bankenexperte Andreas Dietrich von der Hochschule Luzern (HSLU). Er erwartet, dass bei einem Systemwechsel über fünf Jahre hinweg etwa 40 bis 80 Milliarden Franken der Hypotheken zurückbezahlt würden. Das entspricht etwa 3 bis 7 Prozent des heutigen Gesamtmarkts. Der Bankenprofessor ist damit zurückhaltender als die Experten von Moneypark, welche die Rückzahlungen auf 50 bis 150 Milliarden schätzen. 

Die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) hingegen keinerlei Prognosen dazu abgeben: «Der Effekt lässt sich nur schwer abschätzen und dürfte je nach Institut unterschiedlich ausfallen - insbesondere in Abhängigkeit vom jeweiligen Hypothekar- und Kundenportfolio», erklärt eine Sprecherin.

Auch weiterhin dürfte der Hypothekarmarkt wachsen

Derweil wächst Hypothekarmarkt aber auch seit vielen Jahren um 25 bis 40 Milliarden Franken jährlich, wie Dietrich betont. Und gehe dieses Wachstum so weiter, so wäre der Hypothekarmarkt in fünf Jahren trotz Eigenmietwertabschaffung noch immer grösser als heute - auch wenn die Wachstumsquoten wohl etwas tiefer ausfallen würden. Der Einfluss eines Wechsels beim Steuersystem würde graduell über mehrere Jahre erfolgen, sagt auch Finanzanalyst Andreas Venditti von der Bank Vontobel. Die meisten Hypothekarkunden hätten ja Festhypotheken abgeschlossen, die im Durchschnitt noch einige Jahre liefen. «Der Systemwechsel könnte über die nächsten Jahre zwar zu tieferen Wachstumsraten im Hypothekargeschäft führen - einen unmittelbaren Einbruch erwarte ich jedoch nicht», so Venditti weiter. 

Ohnehin wird das Steuersystem wohl nur einer der Faktoren für die hohe Hypothekarverschuldung in der Schweiz sein. Als wichtigere Treiber hält Bankenprofessor Dietrich etwa das Bevölkerungswachstum, die Entwicklung der Immobilienpreise und auch das Tiefzinsniveau.

Bankiervereinigung vertritt eine «neutrale Position»

Derweil hält sich die Bankenbranche aus dem Abstimmungskampf um die Abschaffung des Eigenmietwerts auffallend heraus. Die Schweizerische Bankiervereinigung etwa vertrete in dieser Frage eine «neutrale Position», sagt die Sprecherin des Branchenverbands. Einerseits habe sich der Status quo bewährt, heisst es beim Verband entsprechend: So habe beispielsweise die Abzugsfähigkeit der Schuldzinsen eine «moderat eigentumsfördernde Wirkung». Andererseits wirke sich eine Abschaffung des Eigenmietwerts bzw. eine Einschränkung der Schuldzinsabzugsfähigkeit tendenziell positiv auf die Stabilität des gesamten Finanzmarktes aus. (Thomas Pohl, AWP / mai)

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