12:11 BAUBRANCHE

Mammutprojekt soll Venedig vor Hochwasser schützen

Teaserbild-Quelle: nasa.org

Das Projekt Mose soll Venedig in der Zukunft vor den steigenden Hochwassern schützen. Mit einer Art Schutzwall aus künstlichen Inseln soll es nach seiner Fertigstellung die Fluten abwehren. Am 4,6 Milliarden-Euro-Projekt wird derzeit gebaut.

Für viele ist die Serenissima die schönste Stadt der Welt. Der alljährliche Ansturm von Touristen scheint das zu bestätigen. Derweil wird für die Venezianer das Leben in der Lagunenstadt immer teurer und unattraktiver. Jeden Tag kehrt ein Venezianer seiner Stadt den Rücken. Im Oktober sank die Einwohnerzahl unter 60'000. In den 50er Jahren waren es noch 170'000.

Während die Stadtflucht aus den Zentren in die Vororte oder Peripherie bei anderen Städten meist bedeutet, dass man zwar vom Zentrum wegrückt aber dennoch Teil der Stadt bleibt, ist dies im Falle von Venedig schwierig: Die Stadtgrenze ist das Wasser und die Nabelschnur zur Stadt ist ein Damm. Wer einmal etwa ins nahe gelegene Padua oder nach Vicenza gezogen ist, kommt kaum mehr zurück. Die bessere Infrastruktur und die bessere Verkehrslage macht das Leben auf dem "Festland" problemloser, vielfältiger und günstiger.

Die Stadtverwaltung sehe in den immer aufmüpfigeren Venezianern nur ein Hindernis für gewinnträchtige Grossprojekte, beschwert sich die Wahlvenezianerin Petra Reski in ihrem Buch "Mafia - Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern". Die Serenissima brauche dringend frisches Blut in Form von engagierten Bürgern. Eine solche Entwicklung würde begünstigt durch weniger Bürokratie, intelligente Finanzanreize und eine gut unterhaltene, erneuerte Infrastruktur. - In Venedig wird viel gebaut und gebaggert. Alte Palazzi und Häuser werden von Investoren aus aller Welt übernommen, aufwändig restauriert und sind danach aber für Einheimische unerschwinglich.

Steigender Meeresspiegel

Das grösste Problem der Stadt ist die steigende Anzahl von Hochwassern, mit denen vier bis fünf Mal pro Jahr gerechnet wird. Nur mit Gummistiefeln und Holzstegen lässt sich jeweils noch einigermassen trocken durch Venedig kommen. Denn die auf Millionen von Holzpfählen errichtete Stadt ist in den vergangenen 100 Jahren um durchschnittlich 23 Centimeter "abgesackt". Den Grund dafür sehen viele in einer früheren Exploration von Erdgasvorkommen unter der Adria, aber auch in der Klima-Erwärmung und dem damit verbundenen Anstieg des Meeresspiegels.

Diesem Problem will man mit einer milliardenschweren Investition beikommen, dem Projekt Mose: Bei Flutsituationen soll es die Stadt in naher Zukunft gegen das Meer hin abriegeln. Dabei soll Venedig mit Hilfe einer Kette von vor der Stadt künstlich aufgeschütteten und befestigen Inseln geschützt werden. Dazwischen werden auf dem Grund, in einer Tiefe von neun Metern, riesige, auf Betonrinnen mit beweglichen Scharnieren gelagerte Stahlkästen platziert. Sie haben eine Grösse von 30 x 20 x 5 Metern (L/B/H). Diese Gigakanister sind mit Wasser gefüllt. Droht eine Flut, wird das Wasser mit Druckluft aus den Stahlkästen gedrückt. Die Kästen steigen nach oben und schliessen die drei Öffnungen/Einfahrten zwischen den Inseln. Der Vorgang dauert zirka eine halbe Stunde.

Auf der Baustelle des Projektes Mose arbeiten 1500 Menschen. Die Gesamtkosten werden sich auf gegen 4,6 Milliarden Euro belaufen und danach rechnet man mit jährlichen Betriebskosten von etwa 20 Millionen Euro.

Allerdings ist das Projekt ist bei Fachleuten auch über Italien hinaus heftig umstritten: Unter anderem wird kritisiert, dass durch die sich tendenziell häufenden Hochwasserlagen das ökologische Gleichgewicht in der Lagune aus dem Lot gerät. Denn mit dem Projekt reduziert sich der ohnehin empfindliche, natürliche Austausch mit dem Meer. Zudem ist der Regen bei geschlossener Lagune ein Hochwasserfaktor.

Unsicherheitsfaktor "Klimawandel"

Nimmt die Häufigkeit von Überflutungen und Stürmen bedingt durch den Klimawandel noch zu, wie es es der Uno-Weltklimarat prognostiziert, nützen die Abriegelungs-Massnahmen höchstens während der nächsten Jahrzehnte. Die Szenarien für die Anzahl Hochwasser pro Jahr bis zur Jahrhundertwende gehen von 20 Mal bis zu 250 Tagen Hochwasser aus. Solche Prognosen gründen darauf, dass die Adria bis zur Jahrhundertwende um 12 bis 53 Zentimeter ansteigen könnte.

Ein kühner Vorschlag sieht vor, in die tieferen Gesteinsschichten unter der Lagune Wasser zu pumpen und die Stadt damit insgesamt anzuheben. Allerdings ist man bei den Verantwortlichen des Staudammprojektes aber davon überzeugt, dass das Projekt Mose all diesen Herausforderungen gewachsen sein wird. – Erst künftige Generationen werden sich davon überzeugen können. (mai)

So soll das Projekt Mose funktionieren. (Keystone)

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