10:15 BAUBRANCHE

Gebäudeprogramm: Nehmen energetische Sanierungen ab?

Geschrieben von: Pascale Boschung (pb)
Teaserbild-Quelle: Tim Reckmann, ccnull.de, CC-BY 2.0

Bund und Kantone haben 2024 im Rahmen des Gebäudeprogramms 528 Millionen Franken an energetische Sanierungen von Gebäuden ausgezahlt – gleich viel wie im Vorjahr. Die Auszahlungen stagnierten damit erstmals seit 2016. Das Baublatt hat beim BFE nachgefragt.

Thermografie eines Gebäudes

Quelle: Tim Reckmann, ccnull.de, CC-BY 2.0

Thermografie eines Gebäudes: Die Auszahlungen aus dem Gebäudeprogramm für energetische Sanierungen stagnieren erstmals seit 2016.

Laut dem Bundesamt für Umwelt (BAFU) sind die Gebäude der Schweiz für zirka einen Viertel der landesweiten Treibhausgasemissionen sowie 40 Prozent des Energieverbrauchs verantwortlich. Entsprechend hoch ist ihr Potenzial für den Klimaschutz. Um dieses auszuschöpfen, haben die Kantone und der Bund – vertreten durch das BAFU und das BFE – 2010 das Gebäudeprogramm lanciert. Dieses unterstützt seither Hausbesitzer bei energetischen Sanierungen und beim Umstieg auf erneuerbare Energien. 

Mit jährlich mehreren Hundert Millionen Franken an Fördermitteln leistet das Programm einen wichtigen Beitrag an die nationalen Klimaziele. Die Finanzierung erfolgt über die Teilzweckbindung der CO2-Abgabe und durch die Kantone. Letztere sind auch für die Umsetzung zuständig und legen individuell fest, welche Massnahmen sie zu welchen Bedingungen fördern. 

Normalisierung nach Boomjahren

Seit seiner Lancierung flossen im Rahmen des Gebäudeprogramms bis Ende 2024 über 4,1 Milliarden Franken an Förderbeiträgen. Ab 2018 stiegen die Auszahlungen Jahr für Jahr an – zuletzt vor allem in den Bereichen «Haustechnik» und «Systemsanierungen». Doch im Berichtsjahr 2024 kam es nun erstmals zu einer Stagnation: Die Auszahlungen blieben mit rund 528 Millionen Franken auf dem Niveau des Vorjahres. Ein Zeichen für einen Rückgang von energetischen Sanierungen?

Das Bundesamt für Energie verneint. Dabei handle es sich vielmehr um eine Normalisierung nach aussergewöhnlich starken Jahren, schreibt das BFE auf Anfrage. So standen die Themen Energieversorgungssicherheit, Energiesparen und Energiekrise im Berichtsjahr in der Gesellschaft nach wie vor im Fokus. Hinzu kommt, dass die Energiepreise noch immer deutlich über dem Niveau von 2022 liegen – wodurch der wirtschaftliche Anreiz für eine energetische Sanierung vorhanden ist, die mit weniger Heiz- und Nebenkosten verbunden wäre. Zugleich haben Bund und Kantone ihre Förderbudgets und teilweise auch die Beiträge erhöht.

«Das hat 2023 und 2024 zu einer besonders hohen Nachfrage nach dem Ersatz fossiler oder elektrischer Heizungen sowie bei energetischen Sanierungen geführt», schreibt das BFE. Viele Eigentümer nutzten diese Gelegenheit. Nach diesen Ausnahmejahren setze sich nun der frühere Trend fort – mit einer kontinuierlichen, aber weniger ausgeprägten, jährlichen Zunahme der Nachfrage. Genaue Prognosen seien zwar schwierig. Für 2025 rechnet die Behörde aber damit, dass die Auszahlungen nicht über dem Niveau von 2024 liegen werden und sich die Zahlen weiter stabilisieren.

Gebäudetechnik im Hoch

Ein Blick in die Detailzahlen im vergangenen Jahr zeigt: Der grösste Teilbereich der Förderungen entfiel mit rund 228 Millionen Franken auf gebäudetechnische Anlagen – was einem Plus von fünf Prozent gegenüber Vorjahr entspricht. Insgesamt wurden laut dem Jahresbericht 25’633 Öl-, Gas- oder Elektroheizungen ersetzt, davon 84 Prozent durch klimafreundliche Wärmepumpen. Für Wärmedämmprojekte flossen 131 Millionen (2023: 139 Mio.), für Systemrenovierungen 86 Millionen (2023: 98 Mio.) und für Fernwärmeprojekte 23 Millionen Franken (2023: 30,7 Mio.).

Zusätzlich wurden 17 Millionen Franken in Informations- und Ausbildungsprojekte sowie Qualitätssicherung investiert, zwei Drittel davon in die Erstellung von kantonalen Energieausweisen mit Beratungsbericht (GEAK Plus). Besonders markant war der Anstieg bei energieeffizienten Neubauten nach Minergie-P- oder GEAK-A/A-Standard: Hier wurden im vergangenen Jahr 43 Millionen Franken ausbezahlt – ein Plus von 76 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Insgesamt wurden nach Angaben des BFE 499 Neubauten gefördert (2023: 389).

Grafik Auszahlungen des Gebäudeprogramms 2014 bis 2024

Quelle: Das Gebäudeprogramm

Seit 2010 sind im Rahmen des Gebäudeprogramms über 4,1 Milliarden Franken Fördergelder ausbezahlt worden. Seit 2018 gibt es auch Auszahlungen für indirekte Massnahmen. Grafik: Auszahlungen im Rahmen des Gebäudeprogramms in den Jahren 2014 bis 2024, in Millionen Franken.

Neue Mittel aus Klimagesetz

Die Verpflichtungen für Subventionen beliefen sich 2024 auf 542,5 Millionen Franken – also rund 40 Millionen weniger als 2022 und 2023. Laut dem Bundesamt entspricht dies fast den gesamten verfügbaren Mitteln aller Kantone. Mit 190 Millionen Franken geht der mit Abstand grösste Teil davon an Haustechnikprojekte (2023: 235 Mio. Franken). Mit diesen Mitteln sollen rund 19’300 Heizungen ersetzt werden. Für Systemsanierungen wurden 123 Millionen Franken verpflichtet – neben der Sanierung der Gebäudehülle ist hierbei auch der Austausch von fast 1700 Heizungen vorgesehen.

Zusätzlich zu den kantonalen Mitteln in Höhe von 275 Millionen Franken (2023: 271 Mio.) hat der Bund im laufenden Jahr rund 247 Millionen Franken in Form von Globalbeiträgen aus der CO2-Teilzweckbindung an die Kantone ausbezahlt. Damit stehen 2026 insgesamt rund 607 Millionen Franken für Massnahmen zur Reduktion des Energieverbrauchs oder der CO2-Emissionen zur Verfügung. Weitere Gelder liefert das im Juni 2023 angenommene Klima- und Innovationsgesetz, (KIG), das in den nächsten zehn Jahren zusätzliche zwei Milliarden Franken bereitstellt.

Nach Angaben des BFE wurden damit im Jahr 2025 zusätzlich zu den Globalbeiträgen 127 Millionen Franken an die Kantone ausbezahlt. «Das Impulsprogramm ergänzt das bestehende Gebäudeprogramm und konzentriert sich auf Bereiche, in denen die derzeitige Förderung bislang nicht ausreicht». Gemäss dem KIG hat so etwa der Ersatz fossiler Heizungen in grossen Gebäuden Priorität. Ein weiterer Schwerpunkt sei der Ersatz ineffizienter Elektroheizungen durch moderne Heizsysteme, die mit erneuerbaren Energien betrieben würden. Erste Zahlen zu diesen Förderanträgen sollen im Jahresbericht 2025 veröffentlicht werden.

Belastungsprobe durch Sparpaket

Gleichzeitig zeichnet sich für das Gebäudeprogramm mittelfristig eine Belastungsprobe ab: Angesichts der angekündigten Defizite in den Bundesfinanzen hat der Bundesrat im Januar 2025 ein Massnahmenpaket zur Einsparung von Ausgaben in die Vernehmlassung geschickt. Davon betroffen sind neben anderen Bereichen auch das Gebäudeprogramm. Umwelt- und Energieminister Albert Rösti sagte im letzten Herbst: «Das Gebäudeprogramm würde auf 2027 zurückgefahren. Natürlich wird das nicht ohne Auswirkung bleiben. Das wird eine gewisse Abbremsung geben.»

Das befürchten auch die Kantone. Martin Neukom, Zürcher Baudirektor und Vorstandsmitglied der Konferenz Kantonaler Energiedirektoren, sagte im Februar gegenüber «SRF»: «Die Kantone finanzieren ihre Gebäudeprogramme zu einem grossen Teil über die Bundesbeiträge. Streicht der Bund seine 400 Millionen jährlich, könnte das der Anfang vom Ende des Gebäudeprogramms sein.» Der Energieverbrauch bleibe dann hoch, und die Klimaziele seien deutlich schwerer zu erreichen. «Das Gebäudeprogramm ist ein Marathon, da ist man schon seit mehr als zehn Jahren dran und es wird noch lange dauern, bis die Gebäude saniert sind.»

Ob eine Reduktion der Fördermittel tatsächlich die Sanierungsraten im Gebäudesektor bremsen würde, ist laut BFE derzeit offen. «Die Gespräche mit den Kantonen über das Entlastungspaket laufen noch», schreibt das Bundesamt dazu. Welche Kürzungen konkret denkbar sind, ist unklar – für eine Aussage sei es deshalb noch zu früh. Auf Antrag der Kantone prüft das UVEK derzeit in Zusammenarbeit mit der Konferenz der kantonalen Energiedirektoren, ob und wie die verschiedenen Förderprogramme überarbeitet werden könnten, um den Kantonen entgegenzukommen. 

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Redaktorin Baublatt

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