16:05 BAUBRANCHE

Energieverbrauch der Schweizer nicht nachhaltig genug

Die alljährliche Energiestatistik der Empa und der ETH zeigt, dass von den befragten 3369 Haushalten auch die sparsamsten die Bedingungen der 2000-Watt-Gesellschaft nicht erfüllen. Laut Empa lassen sich die Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft nur mit Einschränkungen und Verzicht umsetzen; wohl aber auch nur, indem der Staat entsprechend eingreift.

Das Umweltbewusstsein in der Bevölkerung ist stetig gestiegen und die Technik ist effizienter geworden. Die vor 15 Jahren formulierte Vision einer 2000 Watt-Gesellschaft und der damit verbundene nachhaltige Lebensstil stossen auf Zustimmung. Dies hat Urnengang zur Einführung einer 2000-Watt-Gesellschaft im Kanton Zürich gezeigt.

Grundsätzlich soll zusammen mit der Reduktion des Stromverbrauchs auch der Ausstoss von Treibhausgasen auf das Äquivalent einer Tonne CO2 pro Person und Jahr gesenkt werden. Gemäss der alljährlichen Energiestatistik des Bundesamtes für Umwelt BAFU übersteigt der aktuelle Energieverbrauch das Nachhaltigkeitsziel deutlich. Die Studie teilt den Gesamtenergieverbrauch durch die Anzahl der Einwohner.

Der aktuelle Energieverbrauch pro Einwohner

Mit einer separaten Studie wollten Dominic Notter und Hans-Jörg Altlhaus von der Empa und Reto Meyer von der ETH Zürich den "ökologischen Fussabdruck" der Schweiz ermitteln, in dem sie von einem einzelnen Einwohner ausgingen. Mit einer Kombination aus Umfrage und Lebenszyklusanalysen konnten die Forscher einen detaillierten Querschnitt durch die verschiedenen Lebensstile der Schweizer Bevölkerung erstellen. Dazu beantworteten 3369 repräsentativ ausgewählte Haushalten Fragen zu Wohnen, Mobilität, Ernährung und Konsumgütern. Mithilfe der an der Empa geführten Datenbank „ecoinvent“ bestimmten die Wissenschaftler den jeweils individuellen Energieverbrauch sowie die daraus resultierenden Treibhausgasemissionen und den Gesamteinfluss einzelner Haushalte auf die Umwelt.

Dabei zeigte sich, dass es unter den 3369 Haushalten keinen einzigen gab, der die Kriterien der 2000-Watt- oder vielmehr der 1-Tonne-CO2-Gesellschaft zu erfüllen vermochte. Der Energieverbrauch der befragten Haushalte reichte von „vorbildlichen“ 1400 Watt pro Person bis zu 20‘000 Watt – daraus ergabe sich ein Durschnitt von 4200 Watt. Insgesamt liegen nur zwei Prozent der Befragten unter der 2000-Watt-Schwelle – und selbst sie emittieren weit mehr als eine Tonne CO2. Allerdings zeigte sich, dass sparsame Haushalte in allen Einkommenskategorien anzutreffen sind.

Fest steht, dass sich der Gesamtverbrauch nicht allein mit sparsamen Geräten reduzieren lässt, weil die Elektrizität nur knapp einen Viertel des Gesamtverbrauchs ausmacht. Am meisten Energie benötigt das Heizen und die Mobilität. Die sparsameren Haushalte zeichnen sich deshalb vor allem durch einen niedrigen Heizbedarf aus und oft auch durch eine zurückhaltende Mobilität. So sehen die Forscher die grössten Verbesserungs- und Sparpotenziale in den Bereichen Wohnen und Mobilität. Sie halten fest, dass gerade in Niedrig-Energiehäusern die beheizten Flächen pro Person zu gross sind. Dabei handelt es sich meist um besser isolierte neuere Gebäude, die nach den in den letzten Jahrzehnten gewachsenen Wohnflächenansprüchen pro Person gebaut worden sind. Dabei wird der Effekt des niedrigen Energieverbrauchs pro Quadratmeter durch die hohen Quadratmeter Ansprüche pro Person relativiert.

Nebenbei kann daraus abgeleitet werden, dass eine durchschnittlich isolierte Wohnung von 80 Quadratmetern, die von drei Personen bewohnt wird, im Energieverbrauch pro Kopf nicht signifikant schlechter abschneiden muss als eine besser isolierte 120 Quadratmeter Wohnung, die ebenfalls von drei Personen bewohnt wird. In diesem Sinne und angesichts der gestiegenen Wohnflächen pro Person relativiert sich die Studie indirekt die heute üblichen Heizenergie-Effizienz-Angaben pro Quadratmeter.

2000 Watt-Gesellschaft "nur unter grössten Anstrengungen"

Um das ambitiöse Nachhaltigkeitsziel zu erreichen müsste die Schweiz 80 Prozent der Gesamtenergie aus kohlenstoffarmen Quellen beziehen. Mit der Abschaltung der Atomkraftwerke bedeutet dies einen Ersatz durch erneuerbare Energien nicht nur bei der Elektrizität sondern auch bei Mobilität und Heizung. Laut der Studie braucht es neben dem technischen Fortschritt einen radikalen Wandel im Lebensstil. Dazu listen die Wissenschaftler folgende Bereiche auf: intelligente Stadtplanung, die den Reisebedarf reduziert sowie politische Massnahmen und Vorschriften, die umweltfreundliches Verhalten fördern. Einen nachhaltigen, genügsamen Lebensstil ohne Extravaganzen. Kleinere beheizte Wohnräume. Beschränkte Mobilität. Vermeidung von übermässigem Konsum von Gütern und Dienstleistungen.

Für eine 2000-Watt-Gesellschaft zu sein und auch dafür abzustimmen, gehört heute sozusagen zum Mainstream. Erst wenn die Umsetzung der 2000-Watt-Gesellschaft in Form von massiven Einschränkungen, begleitet von entsprechenden Vorschriften, für jeden spürbar zu werden beginnt, wird es sich zeigen, ob die breite Bevölkerung die 2000-Watt-Gesellschaft wirklich mittragen mag. Diese Zwiespältigkeit zeigt sich heute schon bei zahlreichen „nachhaltigen“ Energieprojekten, denen jede Menge Widerstände erwachsen. Zum Beispiel wenn durch die Erhöhung einer Staumauer und die Vergrösserung eines Stausees die Existenz von fünf „Hochalpen-Lurchen“ bedroht sein könnte. (mai)

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