12:17 BAUBRANCHE

Energiestrategie: Schlechte Noten für den Bundesrat

Nachdem der Bundesrat gestern das erste Massnahmenpaket zur Energiewende verabschiedet hat, sind die Reaktionen gemischt. AKW-Gegner bemängeln den fehlenden Mut des Bundesrates, Branchenverbände wollen klarere Rahmenbedingungungen und die economiesuisse möchte, dass der Markt für Ökostrom stärker gefördert wird.

Energieministerin Doris Leuthard hält den Entscheid zum Ausstieg aus der Atomenergie nach wie vor für richtig. Die Energiewende sei eine grosse Chance für die Schweiz, wenn sie sich gut positioniere, erklärte Leuthard gestern anlässlich der Präsentation der Botschaft zur Energiestrategie 2050 in Bern. „Die Energiewende findet bereits statt", sagte Leuthard mit Blick auf den Anstieg bei den erneuerbaren Energien. Gleichzeitig räumte sie aber auch ein, dass es schwierig sei, die Entwicklungen in den kommenden Jahrzehnten abzuschätzen. „Leider bin ich nicht Göttin, nicht einmal Königin“, antwortete sie auf die Frage, zu welchen Teilen die langfristigen Ziele mit dem ersten Massnahmenpaket zu erfüllen sind. Der Bundesrat gehe jedoch nach wie vor davon aus, dass die Ziele mit diesen Massnahmen zu rund der Hälfte erreicht werden könnten.

Damit die Ziele ganz erreicht werden können, braucht neben technologischm Fortschritt, aber eine Lenkungsabgabe, die nach 2020 schrittweise das Fördersystem ablösen soll und für ein zweites Paket vorgesehen ist. All dies ist liegt noch in weiter Ferne. In den Gesetzesrevisionen, die nun ans Parlament gehen, will der Bundesrat denn auch nur Ziele für 2020 und 2035 verankern. Die Ziele bis 2050 bleiben bestehen, sollen aber nicht gesetzlich verankert werden, weil der Bundesrat Schätzungen bis dahin für zu unsicher hält.

Geändert hat der Bundesrat den Kostendeckel zur Finanzierung der Einspeisevergütung (KEV) für erneuerbare Energien: Er will den maximalen Netzzuschlag bei 2,3 Rappen pro Kilowattstunde festlegen. Das ist leicht höher als zunächst vorgesehen. Ausserdem hat der Bundesrat bei der Ausgestaltung der Einspeisevergütung die Beschlüsse berücksichtigt, die das Parlament in der Zwischenzeit dazu gefällt hat.

AKW-Kritiker wollen Korrektur der bundesrätlichen Vorlage

Die Stossrichtung der Energiestrategie 2050 des Bundesrats begrüssen die AKW-Kritiker zwar, vor allem weil die Energiestrategie keine Rahmenbewilligung für neue AKW vorsieht. Dennoch geben die AKW-Gegner dem Bundesrat für seinen fehlenden Mut bei der AKW-Laufzeitbeschränkung eine schlechte Note. Ihrer Meinung nach, hat er es verpasst, verbindliche Laufzeiten für AKW festzulegen. Aus diesem Grund wollen die Grünen an ihrer Atomausstiegsinitiative festhalten: Eine Befristung trage zur Planungssicherheit für Investitionen in Energieeffizienz und erneuerbare Energien bei.

Für die Atomkritiker ist klar, dass das Parlament die bundesrätliche Vorlage korrigieren muss. Sie verweisen auf jüngste, „beunruhigende Meldungen aus Fukushima“. In der Schweiz nehme das Risiko für die Bevölkerung mit jedem Jahr zu, hält die wie etwa die Allianz Atomausstieg in einem Communiqué fest. Die Reaktoren von Beznau und Mühleberg zählten weltweit zu den ältesten. „Die Schweiz begibt sich auf ein prekäres Experimentierfeld, dessen Folgen im Falle eines Unglücks nicht auszudenken sind“, warnt die Allianz.

„Ein solcher Atomausstieg wird zum russischen Roulette für die Bevölkerung“, sagt sich Jürg Buri, Geschäftsleiter der Schweizerischen Energie-Stiftung (SES). Für die SES wird mit der bundesrätlichen Botschaft klar, dass der Bundesrat nur eine „halbherzige Energiewende“ vorsehe. Auch Greenpeace spricht von einer verpassten Chance: „Solange die bestehenden Atomkraftwerke die Stromnetze verstopfen, kann es noch Generationen dauern, bis die Schweiz auf eine nachhaltige und effiziente Energieversorgung umsteigt“, wird Georg Klingler, Energie-Experte von Greenpeace Schweiz, in einer Mitteilung zitiert. Aus dem selben Grund bezeichnet Swisscleantech die Vorlage als „Minimallösung“. Neben der fehlenden Laufzeitenregelung bemängelt der Wirtschaftsverband der grünen Wirtschaft die unzureichenden Massnahmen für mehr Energieeffizienz und die tiefen Ausbauziele für erneuerbare Energien. Trotzdem fordert swisscleantech alle Akteure auf, diese Minimalvariante mitzutragen.

Branchenverbände verlangen stärkere Gesamtbetrachtung

Der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen (VSE) fordert eine stärkere Gesamtbetrachtung bei der Energiepolitik: Er vermisst klare Bedingungen für Investitionen in die Stromspeicherung und den Ausbau der Stromnetze. Auch die Agentur für Erneuerbare Energien (A EE) wünscht sich klare Rahmenbedingungen. Der VSE begrüsst die Änderungen bei der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV). Allerdings ist aber laut dem Verband eine Reform des Fördermodells nötig, damit erneuerbare Energien wie Wind- und Solarstrom stärker in den Strommarkt zu integriert werden können. Zudem verlangt der VSE, dass die Wasserkraft durch die KEV nicht benachteiligt wird. Für die A EE ist wichtig, dass die Energiepolitik auf Kontinuität ausgerichtet ist. Die Agentur sieht bei der Energiestrategie zudem die Energieträger Holz und Biomasse sowie insbesondere die Sonnenenergie zu wenig berücksichtigt.

economiesuisse lobt Abkehr von überambitionierten Zielen

Zufrieden ist mehr oder weniger der Wirtschaftsverband economiesuisse mit der vom Bundesrat verabschiedetenBotschaft zur Energiestrategie: Sie sei ein kleiner Schritt in die richtige Richtung. Die Abkehr von überambitionierten Zielen für die nächsten 40 Jahre und die stärkere Ausrichtung der Energiepolitik am Markt sei aus Sicht der Wirtschaft positiv. Ebenfalls auf dem richtigen Weg sei die erst jüngst vorgeschlagene Revision der Energieverordnung zur Begrenzung der kostendeckenden Einspeisevergütung (KEV). Laut economiesuisse soll anstatt ständig höherer Subventionen der Ökostrom stärker über den Markt gefördert werden. Dies sei dringend notwendig, wie die immer deutlicher sichtbar werdenden Probleme einer stark subventionierten Energiepolitik in Deutschland zeigten. Diese Fehler dürfe die Schweiz nicht wiederholen. (mai/mgt/sda)

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