06:01 BAUBRANCHE

Einstige Schweizer Solarhoffnung Meyer Burger steht vor dem Aus

Teaserbild-Quelle: Lucie Morel. Unsplash

Für Meyer Burger geht bald das Licht aus: Das Schweizer Solarunternehmen ist in seiner bisherigen Form Geschichte. In den USA stoppte es die Produktion, alle 280 Beschäftgiten erhielten die Kündigung. Für die deutschen Töchter mit über 600 Beschäftigten beantragte Meyer Burger die Insolvenz. Damit dürfte eine über 70-jährige Industriegeschichte zu Ende gehen.

Gestern Montag ist auch der Handel der Aktien des einstigen Börsenhighflyers an der Schweizer Börse SIX bis auf Weiteres ausgesetzt worden.  Zur Spitzenzeit 2011 lag der Börsenwert bei rund 2,1 Milliarden Franken. Zuletzt betrug er noch 24 Millionen. Neben der Gesellschaft in den USA ohne Tätigkeit verbleibt nun einzig noch die Schweizer Einheit in Thun mit 60 Mitarbeitenden - ein KMU.

Ohne verbleibendes operatives Geschäft gehe es nur noch um die Verwertung von Vermögenswerten, schrieb die Zürcher Kantonalbank in einem Analystenkommentar zum Wochenbeginn. Angesichts der Nettoverschuldung von geschätzt über 400 Millionen Franken dürften die Gläubiger jedenfalls erhebliche Verluste erleiden und die Aktionäre leer ausgehen. Das Thuner Unternehmen selbst erklärte am Wochenende, vor dem Hintergrund laufender Finanzie-rungsgespräche zu einer Restrukturierung eine Fristverlängerung zur Vorlage der Geschäftszahlen 2024 zu beantragen. Die bisherige Frist war am Samstag abgelaufen.

Von Uhrensteinen zu Halbleitern

1953 war das Unternehmen von Hans Meyer und Willy Burger in Hünibach am Thunersee gegründet worden. Zu Beginn lag der Schwerpunkt der Firma auf Uhrenstein-Herstellungsmaschinen. Im Jahr 1970 stieg Meyer Burger in das Geschäft für Schneidemaschinen von Siliziumwafern für die Halbleiter-branche ein. Und Anfang der 1980er-Jahre  erschloss das Unternehmen die Photovoltaik-Industrie, auch hier vor allem durch seine Schneideblätter. Die erste Drahtsäge für die rasant wachsende Solarindustrie wurde 2002 eingeführt. Ende 2006 ging Meyer Burger schliesslich an die Börse. In der Folge gewann die Gesellschaft an Grösse und kaufte 2011 den deutschen Anlagenbauer für Photovoltaik- und Halbleiterindustrie Roth & Rau dazu. Damit erschloss Meyer Burger ein neues Geschäftsfeld.

Darauf richtete sich Meyer Burger immer stärker selber auf die Entwicklung und Produktion von Solarmodulen aus. Dazu wurde auch das angestammte Geschäft mit photovoltaikbezogener Diamantdrahtproduktion verkauft. Und wenig später wurde ebenso das Wafer-Anlagen- und Servicegeschäft für Photovoltaik- und Spe-zialmaterialien abgestossen. 2020 gab das Unternehmen dann einen weiteren Strategiewechsel bekannt und setzte fortan ganz auf die Herstellung von Solarzellen und -modulen. Dazu kaufte Meyer Burger auch Fabriken von in-solventen Solarherstellern in Deutschland auf, um dort eine Zell- und Modulproduktion aufzubauen.

Photvoltaik-Konkurrenz aus China überrollt Meyer Burger

Aber so richtig zum Fliegen kamen die Geschäfte nie. Vor allem wegen des Preisdrucks durch billigere Solarmodule aus China war Meyer Burger nicht wettbewerbsfähig. Die Verluste häuften sich entspre-chend über die Jahre an. Weil das Geschäft in Europa nicht mehr profitabel betrieben werden konnte und auch eine Unterstützung der Politik ausblieb, zog das Unternehmen schliesslich im Frühjahr 2024 einen Schlussstrich unter sein Engagement in Europa. Geplant war ein Neuanfang in den USA, wo schon eine neue Fertigung im Bau war. Allerdings kam dieser Entscheid zu zu spät, vor allem da sich auch ein anderes Projekt zur Zellfertigung zerschlagen hatte. 

Und Im November 2024 kam es dann zum Knall: Der grösste Kunde, das US-Unternehmen Desri, sprang ab und kündigte den Vertrag per sofort. Die liquiden Mittel flossen schnell ab und die Fertigung konnte nicht mehr rechtzeitig hochgefahren wer-den. Nicht zuletzt entzog die neue US-Regierung, die die Solarenergie weit weniger oder gar nicht mehr fördern wollte, dem Geschäftsmodell von Meyer Burger den Boden.

Insolvenzverfahren für deutsche Tochterfirmen am Samstag eingeleitet

Schliesslich wurde die Solarmodulproduktion am US-Standort Goodyear mit einer Jahreskapazität von 1,4 Gigawatt am Donnerstag an Auffahrt eingestellt. Die 282 dort noch verbliebenen Mitarbeitenden erhielten die Kündigung. In Goodyear wurden die am deutschen Standort Thalheim produzierten Solar-zellen für den US-Markt zu Solarmodulen verarbeitet. Kurz darauf leitete das Solarunternehmen am Samstag auch für seine beiden deutschen Tochterfirmen das Insolvenzverfahren ein. Davon betroffen sind über 600 Beschäftigte. (awp/sda/mai)


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