21:26 BAUBRANCHE

Ein Standard setzt sich durch

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Das Label Minergie wird Gebäuden verliehen, die sowohl tiefen Energie­ver­brauch wie auch hohe Wohnqualität garantieren. Dank einer klaren Marktstrategie konnte sich Minergie in 13 Jahren erfolgreich als Brand etablieren.

Von Antonio Milelli
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Beispiel eines mit Label Minergie-P zertifizierten Gebäudes im Kanton Zug: Das Einfamilienhaus in Risch wird zu 100 Prozent über eine Erdwärmesonde beheizt.

Vom besten Bauen profitieren alle – Hausbesitzer, Gebäudenutzer, Planer und Architekten ebenso wie Baumeister, Holzbauer und Heizungsinstallateure. Zu den Gewinnern gehören auch die Umwelt, die Industrie und die Volkswirtschaft. Wer besser baut, geniesst mehr Komfort, handelt wirtschaftlich, schont die Umwelt, fördert die Wertschöpfung im Inland und trägt dazu bei, dass Arbeitsplätze erhalten oder neu geschaffen werden.

Dicke Luft ist unangenehm und ungesund

Wer nach Minergie baut, sichert sich den höchsten Wohnkomfort bei tiefstem Energieverbrauch. Die Komfortlüftung sorgt für frische Luft rund um die Uhr, selbst bei geschlossenen Fenstern. Sie macht keinen Lärm, es zieht nicht und die eingebauten Pollenfilter sind insbesondere für Allergiker ein grosser Vorteil. Feuchtigkeit wird kontinuierlich abtransportiert, wodurch feuchtigkeitsbedingte Bauschäden verhindert werden. Diese sorgen in dicht gedämmten Häusern ohne Komfortlüftung immer wieder für Probleme, ganz besonders im Winter, wenn bei kalten Temperaturen weniger gelüftet wird. Dicke Luft ist nicht nur unangenehm, sondern auch ungesund: Hohe CO2-Konzentrationen und Emissionen von Materialien und Oberflächenbehandlungsmitteln wie Farben und Lacken können sowohl das Wohlbefinden der Menschen wie auch ihre Konzentrations- und Leistungsfähigkeit reduzieren. Solche Raumluftbelastungen werden dank der Komfortlüftung ebenso zuverlässig entsorgt wie allfällige Belastungen durch Radon, ein Edelgas, das aus dem Boden ins Hausinnere gelangt. In der Schweiz verursacht Radon 200 bis 300 Todesfälle pro Jahr und ist nach dem Rauchen die wichtigste Ursache für Lungenkrebs.

Von Minergie zu Minergie-P

Der Standard Minergie-P bezeichnet und qualifiziert Bauten, die einen noch tieferen Energieverbrauch als Minergie anstreben. Er stellt hohe Anforderungen an das Komfortangebot und die Wirtschaftlichkeit. Ein Muss sind unter anderem die gute und einfache Bedienbarkeit des Gebäudes und der technischen Einrichtungen sowie der Einsatz energieeffizienter Haushaltsgeräte. Dazu gehört auch die Beleuchtung: Rund 15 Prozent des jährlichen Stromverbrauchs in der Schweiz gehen auf Kosten der Beleuchtung. Von diesen 9 Milliarden (!) Kilowattstunden könnten ohne Komforteinbusse 20 bis 30 Prozent eingespart werden, wenn die Beleuchtung besser geplant und energieeffiziente Leuchtmittel eingesetzt würden.

Ein Minergie-Gebäude verbraucht rund 50 Prozent weniger Energie als ein herkömmlicher, vor 2009 erstellter Bau. Kommt Minergie-P zur Anwendung, reduziert sich der Energieverbrauch des Hauses gar um ca. 70 Prozent dessen, was ein vergleichbares, konventionell erstelltes Gebäude benötigen würde. Dass sich damit Geld sparen lässt, liegt auf der Hand – selbst angesichts der Mehrkosten, die für ein Minergie-Gebäude rund 4 bis 6 Prozent betragen.

Das Plusenergiehaus wird Standard

Mit Minergie-A hat die Schweiz seit März 2011 einen Nullenergie-Standard. Damit geht der Verein Minergie noch einen Schritt weiter als das von der EU für das Jahr 2020 proklamierte «Nahe-null-Konzept» (Nearly Zero-Energy Building, NZEB). Minergie-A ist die konsequente Ergänzung der bewährten und beliebten Standards. Die Anforderungen passen haargenau in das Bewertungsschema von Minergie und der SIA-Normen. Das erleichtert Kombinationen verschiedener Standards nach dem Baukastenprinzip und erleichtert die Berechnung, die Optimierung und die Zertifizierung der Bauten nach einem einheitlichen Verfahren. Ein Minergie-A-Haus hat in der Energiebilanz eine schwarze Null. Das bedeutet, dass der Aufwand für Raumwärme, Wassererwärmung und Lufterneuerung, allenfalls auch für Klimatisierung, vollständig durch erneuerbare Energien gedeckt wird. Also durch Sonnenenergie und Biomasse, durch Erdwärme und

Wärme aus der Aussenluft. Typisch für Minergie-A-Häuser werden Kombinationen von Anlagen zur Nutzung dieser Energien sein, zum Beispiel Wärmepumpen und Solar­zellen oder Sonnenkollektoren und Holzheizungen.

Top-Werte bei Energie und Ökologie

Wer nicht nur Top-Werte beim Energieverbrauch, sondern auch ein Maximum an Ökologie erreichen will, setzt auf den Zusatz Eco. Dieser weist sich durch eine sehr gute Arbeits- und Wohnqualität, beispielsweise aufgrund von optimalen Tageslichtverhältnissen oder schadstofffreien Innenräumen aus. Weitere Kriterien sind die geringe

Umweltbelastung und die Schonung der Ressourcen,

und zwar von der Erstellung des Gebäudes bis zum Rückbau. Die ökologischen und gesundheitlichen Qualitäten von Bauten werden in einem zuverlässigen Nachweis­verfahren bewertet.

Der Wert des Zertifikats

Die Zertifizierung eines Minergie-Gebäudes ist mehr als eine blosse Formsache: Nur das Zertifikat garantiert, dass die Anforderungen des Standards erfüllt sind. Immer wieder werben Bauunternehmen für ihre Projekte mit dem Argument, zwar nach Minergie zu bauen, aber auf die Zertifizierung zu verzichten. Bei näherer Prüfung bemerkt der kritische Bauherr nicht selten, dass beispielsweise die Gebäudehülle punkto Dichtigkeit den Minergie-Anforderungen entspricht, dass aber die Komfortlüftung fehlt. Diese ist jedoch ein Muss für Minergie-Bauten, denn ohne sie kann ein dichtes Gebäude nicht ausreichend belüftet werden. Die Folge sind unter Umständen Feuchtigkeitsschäden, eine mangelhafte Raumluftqualität und damit verbunden eine beträchtliche Komforteinbusse. Das Zertifikat bürgt für die Minergie-Qualität des Baus – eine genau definierte Qualität und ein wichtiges Argument, wenn es irgendwann um den Verkauf des Hauses gehen sollte.

Bisher rund 22 000 Zertifikate

Die Minergie-Idee wurde vom Ökonomen und Marken­experten Heinz Uebersax und Energieingenieur Ruedi Kriesi 1994 kreiert. Im selben Jahr konnten die ersten zwei Minergie-Häuser in Kölliken realisiert werden. Basis dazu bildeten die Bau- und Betriebserfahrungen mit der 1988 bis 90 von Ruedi Kriesi und dem Architekten Ruedi Fraefel realisierten Null-Heizenergiesiedlung Wädenswil. Die Marke war danach im Privatbesitz von Heinz Uebersax, bis sie 1997 von den Kantonen Zürich und Bern übernommen wurde. Während diesen Jahren verdichteten sich Kriesis Vision und technische Konzepte und Uebersax’s Marketingkonzept und Geschäftsmodell zum heutigen Betriebskonzept von Minergie, mit Kriesi als Leiter der Zürcher Energiefachstelle als erstem Implementator bis zur Gründung des schweizerischen Vereins 1998. Seither agiert Franz Beyeler als erster Geschäftsführer und Ruedi Kriesi als Vize-Präsident. Minergie ist eine geschützte Marke, die vom gleichnamigen Verein getragen wird. Mitglieder des Vereins sind die Kantone, der Bund, Schulen, Verbände, Firmen und Einzelpersonen. Das erste Produkt war Minergie als Niedrigenergiestandard. 2002 wurde der Niederigstenergiestandard Minergie-P eingeführt, 2006 folgte die Öko-Ergänzung Eco und seit Anfang 2011 hat der erfolgreiche Baustandard mit Minergie-A einen Plusenergiestandard. Bis heute sind in der Schweiz 21 893 Minergie-, 1155 Minergie-P-, 204 Minergie-Eco-, 278 Minergie-P-Eco-, 5 Minergie-A- und 6 Minergie-A-Eco-Gebäude zertifiziert. Die Energiebezugsfläche aller Standards beträgt aktuell rund 24 Millionen Quadratmeter.

Der Verfasser ist Mitarbeiter der Geschäftsstelle Minergie in Bern.

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