Ausstellungstipp: Von Kühen und Menschen
Gute Stube oder Museum? So klar ist es auf den ersten Blick nicht. Das Kunstmuseum St. Gallen widmet seine aktuelle Ausstellung der Bauernmalerei aus dem Appenzell und dem Toggenburg. Neben Möbeln werden auch Täfer oder Fensterläden gezeigt. Die ältesten Stücke sind rund dreihundert Jahre alt.
Während im 18. Jahrhundert ein reicher Bauer Täferelemente mit höfisch anmutenden Rocaille-Ornamenten und zarten Blumen bemalen liess, wollte ein Dachdecker im 19. Jahrhundert sein Bett mit Bildern seiner Arbeit und seiner Werkstatt versehen haben. Anfangs waren es reiche, im Dorf eine führende Stellung einnehmende Bauern, die ihr Haus standesgemäss ausstatten wollten und deshalb vor allem die Wände ausschmückten. Bunte Bauernmöbel, wie man sie heute kennt, kamen erst später auf. Mit Schränken, Stühlen und Truhen wurden die Motive vielfältiger. Als Vorlagen dienten Bilder aus Andachtsbüchern. Landschaften mit Kirchen und Schlössern kamen hinzu. Im 19. Jahrhunderte fand eine Wende statt: Jetzt nahmen auch Handwerker die Dienste der Dorfmaler in Anspruch und liessen sich bei der Arbeit auf ihren Möbeln verewigen. Und bei den Bauern wurde der Alltag ebenfalls zum Thema: Unter anderem schmückten Alpaufzüge wie als prächtige Bänder die Stallwände.
Mit der Industrialisierung verbreitete sich das städtische Leben auf dem Land. Damit verlor die Bauernkunst an Bedeutung. Die einst über Generationen vererbten Stücke wurden verkauft oder gar entsorgt. Einige davon landeten in den Händen Liebhabern jener Kunst, die in den Darstellungen wohl nicht ein Abbild ihres Lebens sondern eines naturverbundenen Daseins suchten. (mai)