11:46 BAUBRANCHE

Aaraus analoge Wartewolke

Alle reden von der Cloud, der Wolke, doch die Stadt Aarau hat sich eine gebaut, wenngleich analog: ein organisch geformtes Bushofdach auf dem Bahnhofvorplatz mit einer teildurchsichtigen und reflektierenden Hülle. Anders als ihr digitaler Namensvetter schützt die Aarauer Wolke jedoch keine Daten, sondern vor Sonne und Regen.

Im Rahmen des 2010 eröffneten Bahnhofneubaus von Theo Hotz erhielt der Aarauer Bahnhofvorplatz jüngst eine kleine, aber feine neue Landmarke: Die Architekten Mateja Vehovar und Stefan Jauslin (vja, Zürich) schufen mit ihrem federleichten Folienkissendach einen freundlichen Ort für Pendler, die von den SBB auf die AAR Busse umsteigen. Der Wechsel von halbtransparenter und freier Fläche in der Mitte verstärkt das Gefühl, unter freiem Himmel und doch geschützt zu sein.

Erreicht wird der Effekt durch verschiedene Kunstgriffe wie die Verwendung durchsichtiger Folie in klar und blau mit einer fein austarierten Bedruckung (Stefan Jauslin mit Paolo Monaco); die in einer Achse leicht geneigten Stützen, die in das Kissen eintauchen und die „Wolke“ tragen; der ungleiche Abstand der Folien zur innenliegenden Tragstruktur; eine in die Stahlkonstruktion vollständig integrierte technische Infrastruktur für Wasser, Luft, Elektro und Sensorik sowie das über und unter dem Kissen liegende unregelmäßige Netz aus Edelstahlseilen, das den Folien die benötigte Spannweite gibt.

Die zahlreichen Folienbäuche lösen die Großform auf und sind Träger der vielen Spiegelungen und Lichtreflexe, deren Quelle die in Stützenrichtung angeordneten Langfeldleuchten (Lichtplanung: Atelier Derrer, Zürich/CH) sind.

So leicht und einfach die Wolke auch wirkt – sie erforderte ein fachkundiges und kommunikationsstarkes Planungsteam und eine enge Koordination aller Beteiligten. Die Architekten holten deshalb frühzeitig formTL ingenieure für tragwerk und leichtbau (Radolfzell/D) als Spezialisten für das Tragwerk und die Folienhülle ins Team, um die Leichtigkeit und Filigranität des Architektenentwurfes herauszuarbeiten. Das Planerteam unter Führung von suisseplan Ingenieure (Aarau/CH) verfolgte laut einer Pressemitteilung das Ziel, „das luftdichteste und im Betrieb sparsamste Luftkissen“ zu bauen. Mit der Realisierung war die Arge Folienkissen (Ruch AG, Altdorf/DE und Vector Foiltec GmbH, Bremen/DE) beauftragt und formTL war für Tragwerksplanung, Integration der TGA, Ausschreibung, Fachbauleitung und Qualitätskontrolle verantwortlich.

Mit 1070 Quadratmeter überdachter Fläche und 1810 Kubikmeter ist die Aargauer Wartewolke angeblich das weltgrößte Einkammer-Folienkissen. Je vier 120 Meter lange PE-Rohre unter der Fahrbahn versorgen das luftgestützte Kissen im Umluftverfahren mit sauberer und trockener Luft; vier weitere Leitungen führen die Kissenluft zurück in die Stützluftzentrale. Abhängig von der Witterung wird das gesamte System aus Stützluftanlage, Rohrleitung und Folienkissen auf 300-850 Pascal über Außenluftdruck per Sensoren eingeregelt.

Da nur die über die Kissenoberfläche eindiffundierte Feuchte entfernt werden muss und sowohl das Kissen als auch die Leitungen quasi luftdicht ausgeführt sind, soll das Dach „sehr sparsam im Betrieb“ sein.

Vom 26. April bis 27. Juli 2014 wird das Bushofdach in der Ausstellung „Bauen mit Luft“ in Verbindung mit einer Retrospektive 10 Jahre formTL im Luftmuseum Amberg gezeigt.(tw/pd)

Maße

  • Traufhöhe: 7 m
  • Länge: ca. 42 m
  • Breite: ca. 39 m
  • Bauhöhe Stahlbau: 0,4 m
  • Bauhöhe Kissen: 1,3 - 3,2 m
  • Überdachte Fläche: 1.070 m²

Material

  • Farbbeschichtetes Stahltragwerk mit einer Farbbschichtung in C4 lang
  • Edelstahl-Spiralseile, Seilknoten aus eloxiertem Aluminium
  • ETFE-Folie 250 µm von Nowofol: klar bzw. blau durchgefärbt und von Firma Reisewitz bedruckt
  • Stützluftleitungen unterirdisch: acht spiegelverschweißte PE-Rohre mit 250 mm Außendurchmesser in den Stützen: Edelstahlrohre mit 100 mm Innendurchmesser

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