Nico Lutz: «Familienverträgliche Arbeitszeiten gegen Fachkräftemangel»
Nico Lutz, Geschäftsleitungsmitglied der Unia, beschäftigt sich in seiner Kolumne mit der Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Er fordert bessere Lösungen für Bauarbeiter in Anbetracht der Tatsache, dass Aufträge teilweise an weit entfernte Orte vergeben werden und es für die Mitarbeitenden in der Folge zu enorm langen Arbeitstagen kommt.

Quelle: zvg
Nico Lutz, Sektorleiter bei der Unia sowie Geschäftsleitungsmitglied, fordert ein Umdenken im Bezug auf die Arbeitszeiten auf Baustellen.
In der Schweiz wird viel gebaut. 20 Prozent mehr Umsatz im Hoch- und Tiefbau in den letzten zehn Jahren. Die Bauarbeiter sind stolz auf ihren Beruf. Sie sehen jeden Abend, was sie geschaffen haben. Es ist aber immer schwieriger, die Fachkräfte zu finden, die auf dem Bau arbeiten oder nur schon in der Branche bleiben. Über 20 Prozent der Maurer werden bis 2030 fehlen, gar über 30 Prozent bis 2040, so eine Studie im Auftrag des Schweizerischen Baumeisterverbandes.
Wo liegt das Problem? Wenn wir die Bauarbeiter fragen, sagen
viele: Die sehr langen Arbeitstage. Im Sommer beträgt die geplante Arbeitszeit
auf der Baustelle oft schon 9 Stunden. Dann können noch eine oder zwei
Überstunden dazu kommen. Und zusätzlich zählt die Reisezeit von der Baufirma
oder vom Magazin bis zur Baustelle nicht zur eigentlichen Arbeitszeit und wird
auch nur teilweise bezahlt. Weil Baufirmen immer mehr auch überregional
arbeiten, kommen für zahlreiche Bauarbeiter nochmals eine bis zwei Stunden
Reisezeit dazu.
Bauarbeiter sind vernünftig. Sie wissen, dass sie manchmal
auch mal eine Decke fertig betonieren müssen und es dann etwas länger dauert.
Das ist auch akzeptiert. Wer aber über Wochen oder gar länger hinweg aus dem
Haus muss, wenn die Kinder noch am Schlafen sind und am Abend müde zurückkommt,
wenn die Kinder schon bald wieder ins Bett gehen, der fragt sich dann schon, ob
er noch im richtigen Beruf arbeitet.
Eines der Hauptprobleme ist, dass Arbeitszeit und die
Reisezeit vom Betrieb auf die Baustelle nicht gesamthaft betrachtet werden. Der
Bauarbeiter hat keinen Einfluss darauf, wo seine Firma einen Bauauftrag
annimmt. Wenn er seine Kinder einmal die Woche von der Krippe abholen muss,
dann geht es nicht, wenn sein Arbeitsschluss zwar wie gewohnt um 17.30 Uhr ist,
er aber zu diesem Zeitpunkt noch 80 Kilometer vom Wohnort entfernt ist. Es
weiss dann nie, ob er es bis 18.30 Uhr zur Kinderkrippe schafft, die dann schliesst.
Darum braucht es eine Gesamtbetrachtung, Arbeitszeit inklusive Reisezeit. Das
würde dann heissen: Wenn die Firmen Aufträge in grosser Entfernung annehmen,
dann muss sich die Arbeitszeit auf der Baustelle reduzieren.
Das ist einerseits eine zusätzliche Herausforderung für
Firmen, würde aber gleichzeitig auch dazu führen, dass weniger kreuz und quer
unnötig durch die Schweiz Aufträge angenommen werden. Berner Oberländer Firmen,
die Bern oder Fribourg bauen. Luzerner Firmen, die in Bern bauen. Und Firmen
aus dem Rheintal in Zürich. Und es würde dazu führen, dass die Bauarbeiter
familienverträglichere Arbeitszeiten haben und so weniger zwischen Beruf oder
Familie entscheiden müssten.
Die Branche wird in diesem Bereich umdenken müssen. Und das im ureigenen Interesse. Denn sonst werden sich kaum mehr die qualifizierten Personen finden lassen, welche die Schweiz weiter bauen.