US-Handelspolitik wirkt sich auf Schweizer Wirtschaft aus
Die wirtschaftspolitische Unsicherheit hat sich im zweiten Quartal wegen der unberechenbaren Handelspolitik der USA herhöht. Und auch die Zölle trüben den Konjunkturausblick. Trotz einer verschlechterten Einschätzung hält die Konjunkuturforschungstelle der ETH (KOF) aber an ihrer Prognose eines realen sportbereinigten BIP-Wachstums von 1.4 % für 2025 fest (1.0 % unbereinigt). Für 2026 wurde die Prognose des BIP-Wachstums hingegen um 0.4 Prozentpunkte auf 1.5% gesenkt (unbereinigt 1.9%).
Der internationale Handelskonflikt sei stärker ausgeprägt als im Frühling erwartet worden sei und führe zu einer deutlicheren Eintrübung der konjunkturellen Einschätzungen, schreibt die Konjunkturforschungsstelle der ETH (KOF) zu ihrer aktuellen Konjunkturprognose; Die Prognose basiert auf der Annahme, dass die seit Anfang Juni geltenden Zölle auf Exporte in die Vereinigten Staaten und die entsprechenden Gegenmassnahmen über den gesamten Prognosezeitraum hinweg aufrechterhalten werden. Dies entspricht einem Zoll von pauschal 10 Prozent auf die meisten Importe in die USA; davon ausgenommen sind grösstenteils pharmazeutische Produkte.
Unternehmen ziehen Exporte in die USA vor – Gegenbewegung dürfte folgen
Die grosse Unsicherheit bezüglich des weiteren Verlaufs der Handelspolitik der Vereinigten Staaten sowie die Ankündigung von Erhöhungen der Zolltarife gegenüber Ländern weltweit haben Unternehmen dazu bewogen, ihre Produktion und den Export ihrer Waren in die Vereinigten Staaten so weit als möglich zeitlich vorzuziehen. Dies führte laut KOF zu einem überaus starken Wachstum des Welthandels im ersten Quartal und zu einem starken BIP-Wachstum in exportorientierte Länder wie Deutschland. Derweil führte das überproportionale Wachstum der Importe in den Vereinigten Staaten hingegen zu einem negativen Quartal.
Kurzfristig habe die Nachfrage nach Auslandgütern jene nach Inlandgütern verdrängt und sich damit negativ auf die Produktion in den USA ausgewirkt, heisst es in der Medienmitteilung weiter. Für die nächsten Quartalen erwartendie KOF-Experten mit Gegenbewegungen. Für den weiteren Verlauf lasteten die höheren Zölle und die hohe Unsicherheit auf der Weltkonjunktur, schreibt die KOF. Insbesondere in Europa dürften laut den Fachleuten der KOF die sinkende Inflation, eine lockere Geldpolitik sowie zunehmende fiskalische Impulse stützend wirken.
Investitionsklima und Konsumentenstimmung in der Schweiz schwächen sich ab
In der Schweiz war das erste Quartal gemäss ebenfalls von Vorzieheffekten geprägt. Das Verarbeitende Gewerbe verzeichnete ein überdurchschnittliches Wachstum, das von Exporten pharmazeutischer Produkte in die Vereinig-ten Staaten getrieben wurde. Aber auch der Handel sowie die finanz- und wirtschaftsnahen Dienstleistungen zeigten ein starkes Quartal. Kurzfristig sei auch in der Schweiz mit einer Gegenbewegung zu rechnen, schreibt die KOF. Langfristig dürften insbesondere diese konjunktursensiblen Branchen unter der protektionistischen Handelspolitik der Vereinigten Staaten leiden. Zuletzt haben sich das Investitionsklima sowie die Konsumentenstimmung verschlechtert und dürften vorerst gedämpft bleiben.
Der private Konsum leidet zunehmend unter einem sich abschwächenden Arbeitsmarkt, er wirkt jedoch weiterhin stützend. Die niedrige Inflation und die akkommodierende Geldpolitik werden gemäss Prognose im weiteren Verlauf stützend wirken.
Abkühlung am Schweizer Arbeitsmarkt setzt sich fort und starker Franken drückt Inflation
Derweil bleiben die Aussichten am Arbeitsmarkt bleiben: Vorlaufindikatoren wie der KOF Beschäftigungsindikator haben sich wieder dem langfristigen Mittelwert angenähert. Während die Seco-Arbeitslosenquote bis Ende Jahr auf ein konjunkturneutrales Niveau von 3% steigen dürfte, erwartet die KOF aufgrund der wirtschaftspolitischen Unsicherheit im Sommer eine langsamere Dynamik bei der Zunahme der Beschäftigtenzahlen als in den Vorquartalen, die mit der konjunkturellen Erholung langsam wieder anziehen dürften.
Der starke Franken und die gesunkenen Energiepreise drücken die Inflation. Wegen tiefer als erwarteter Dienstleitungsteuerung passt die KOF ihre Inflationsprognose für das laufende Jahr von 0.5% auf 0.2% an. Für das Jahr 2026 korrigiert die KOF ihre Prognose von 0.6% auf 0.5%. Die Inflation liegt aktuell knapp unter null. Angesichts dieser rückläufigen Inflationsdynamik und des starken Schweizer Frankens, rechnet die KOF mit einer Zinssenkung der Schweizerischen Nationalbank (SNB) um 25 Basispunkte im Juni. Die KOF geht davon aus, dass die SNB ihre Geldpolitik über den Prognosezeitraum nicht weiter lockern wird und somit ihren Leit-zins auf null belassen wird.
Handelskrieg, hohe Staatsverschuldung und geopolitische Konflikte als Prognoserisiko
Die Prognoserisiken seien nach wie vor vielfältig, schreibt die KOF. Eine weitere Eskalation der Handelsbeschränkungen mit Gegenreaktionen könnte empfindliche Lieferketten treffen, die Inflation erneut anheizen und die Notenbanken zur abermaligen Straffung der Geldpolitik zwingen. Die hohe Staatsverschuldung in vielen europäischen Ländern sowie in den Vereinigten Staaten könnte Regierungen zu stärkeren Konsolidierungsmassnahmen zwingen und den fiskalischen Spielraum weiter einschränken. (mgt/mai)