Schulraum im Hochhaus: Wo das Klassenzimmer ein paar Etagen entfernt ist
Dübendort wächst – und damit braucht es auch mehr Schulräume. Ein pragmatisches Vorzeigeprojekt befindet sich in den untersten beiden Geschossen der Three-Points-Türme: Hier ist eine Primarschule unterbracht.

Quelle: Annick Hess
Die Farben im Innern konstrastieren mit der antrhtazitfarbenen Fassade.
Der Wind pfeift zwischen den drei Hochhäusern, die das
boomende Dübendorfer Quartier Stettbach im Hochbord dominieren. Es zieht auch
durch die Eingänge der Three-Points-Türme, wie die bis zu 38 Stockwerke hohe
Überbauung genannt wird. Die Vorgabe für die Maier Hess Architekten, aus deren
Feder das Projekt stammt, war: Die untersten beiden Geschosse sollen öffentlich
genutzt werden. Zusammen mit der Stadt Dübendorf und der Primarschule Dübendorf
wagte man ein damals in der Schweiz einmaliges Projekt: In den ersten beiden
Stockwerken von zweien der drei Türme sind seit vergangenem Sommer vier
Primarklassen untergebracht. Noch ist Three Point eine Aussenstelle des
Schulhauses Birchlen am anderen Ende des Stettbach-Quartiers, zehn Gehminuten
entfernt.
Brigitta Würsch, Vizepräsidentin der Primarschulpflege
Dübendorf und Vorsteherin des Steuergremiums war massgeblich am Vorhaben
beteiligt. Wegen der Statik musste die Schule in die vorgegebene Struktur der
Hochhäuser eingebettet werden. Würsch ist selbst Architektin. «Man suchte
jemanden, der den entsprechenden Hintergrund und das Wissen mitbringt und als
Bindeglied zwischen Schulpflege und Schule agiert. Wir brauchten wegen des
rapiden Zuzugs rasch zusätzlichen Schulraum und kamen mit dieser Lösung zu einer
zeitnahen und sehr schönen Erweiterung, die am Ende gegenüber einem separaten
neuen Schulhaus den Vorzug erhielt.»
Claudio Bischoff, Leiter der Schule Three Point sagt: «Am Anfang gab es für uns viele Fragezeichen. Aber es hat sich herausgestellt, dass der Betrieb einer Schule in einer Wohnüberbauung sehr gut funktioniert.» Würsch fügt hinzu: «Da dies hauptsächlich ein Betriebs- und Wohnquartier ist, fürchteten wir, dass es unbelebt sei.» Doch das Gegenteil ist eingetreten. «Der Park wird rege genutzt», erklärt Würsch. «Nicht nur von den Schülern. Es gibt viele ältere Leute, die den Kindern in der Pause gerne beim Spielen zusehen und sich daran erfreuen. Andere führen ihren Hund Gassi.»
Nicht zuletzt fördern die Schulkinder die Dynamik – und ihre Eltern. «Da man mit dem Auto nicht zu den Türmen fahren kann und an den Strassen rundum Halteverbot ist, warten viele Mütter und Väter in den Cafés rundherum auf ihren Nachwuchs, was wiederum zur Belebung des Quartiers beiträgt. Das ist eine Generationen-Durchmischung par Exellence», so Würsch. Sie fügt an: «Es ist grossartig, eine Bildungsstätte in ein Wohngebiet integrieren zu können. Man steht als Schule nicht separat da und verbraucht keinen zusätzlichen Boden.»

Quelle: Annick Hess
Zwischen den Three-Point-Türmen gedeiht befindet sich viel Grün.
Ein grüner Hügel für die Turnhalle
Für die Kinder ist der zentrale Platz zwischen den drei Türmen als Pausenplatz tabu, weil sich da die Bewohner bewegen. Die Rücksicht auf die Nachbarschaft stellte die Schule vor diverse Herausforderungen: «Wir durften keine Pausenglocken im Freien anbringen. Nun haben wir grüne Lichter, die den Schülern anzeigen, wann der Unterricht weitergeht», erzählt Claudio Bischoff. Ein weiteres Problem, das es zu lösen gab, war die anfangs nicht existente Turnhalle. «Im Park fand sich Platz dafür», erzählt Würsch. «Wir mussten sie allerdings so bauen, dass sie sich aus der Sicht der bewohnten Etagen der Türme in die Umgebung einfügt.» Ein grosser Teil des Gebäudes ist nun teils unterirdisch in den Hügel im Park des Quartiers angelegt. Das Dach ist mit Grün bedeckt und lädt zudem zum Verweilen ein.
Einzelne Räumlichkeiten werden abends und am Wochenende an Private vermietet – die Turnhalle für sportliche Aktivitäten, das Musikzimmer für Erwachsenenbildung. die Nähe zum Bahnhof ist dafür natürlich ein zusätzliches Plus. Und wenn die Bewohner nach der Arbeit nach Hause kommen, sind die Schüler längst daheim, die Lärmemissionen bereiten also keine Probleme. Mit Jugendlichen, die abends oder am Wochenende auf dem Schulgelände abhängen oder gar Vandalismus betreiben, musste sich die Three-Points-Schule bisher nicht befassen. Würsch und Bischoff sind sich einig, dass dies damit zu tun hat, dass das ganze Areal einsehbar ist: Störenfriede würden sofort entdeckt und höchstwahrscheinlich der Polizei gemeldet.
Bunte Wände und ein Hauch Coworking Space
Die Schule besticht durch fröhliche Farben und die ungewohnte Einrichtungen der Klassenräume – die Kinder können wie in einem Coworking Space ihre Sitzplätze selbst wählen, ihre Utensilien sind in eigens dafür eingerichteten Schubladen-Regalen verstaut. Und trotz der eher kleinen Zimmer herrscht ein Gefühl von viel Raum. Das liegt an den hohen Räumen und den vom Boden bis zur Decke reichenden Fenstern. Diese zieren teilweise selbstgebastelte Kreationen der Schülerinnen und Schüler. Beim Busuch des Baublatts sind es Schneemänner.
Klagen über die Schüler im Quartier gibt es praktisch keine. Dass die Kinder anfangs überall aus Jux klingelten, führte zu etwas Aufregung bei den Mietern, die sich allerdings rasch wieder gelegt hat. Es gibt einen separaten Zugang zur Schule und einen für die Bewohner. «Manchmal braucht es Mut für Neues», betont Würsch. «Wir sind Vorreiter, wir verwirklichen etwas, das es bisher in der Schweiz so nicht gegeben hat.»

Quelle: Foto: Myrtha und Bernard Garon
Die Turnhalle, die ebenfalls zur Schule gehört, befindet sich zum Teil unter dem Boden.
Weitere Türme und weitere Schulzimmer in Hochhäusern?
In Zukunft wird die Schule in den Three-Points-Türmen unabhängig vom Birchlen eine eigenständige Schuleinheit sein und alle Stufen der Primarklasse umfassen, inklusive Kindergarten und Hort, die sich in Fussnähe im Quartier befinden. In jährlichen Einschätzungen erheben die Verantwortlichen der Primarschule Dübendorf, welcher Zuwachs im Quartier Stettbach und Dübendorf zu erwarten ist. Und somit wie viel neuer Schulraum benötigt wird. Gerade wenn Familien mit Primarschülern zuziehen. Eine weitere Studie, die bis ins Jahr 2050 angelegt ist, integriert diese zu erwartenden Aspekte ebenfalls. Sollte sich weiterer Bedarf abzeichnen, wird die Primarschule eine Erweiterung wiederum in den Sockelgeschossen neuer Bauprojekte im Stettbach-Quartier prüfen. Das Projekt hat sich bewährt.
Stettbach ist ein attraktiver Wohnort: Die Lage – in zehn Minuten ist man im Grünen, im gleichen Zeitraum über die nahe gelegenen Verbindungen mit den Öffentlichen Verkehrsmitteln im Zentrum von Zürich. In der unmittelbaren Nachbarschaft von Three Points werden demnächst drei neue Wohntürme erstellt. «In diesem neuen Wohnprojekt, in dem die ersten Stockwerke für Gewerbe reserviert sind, wollen wir die Schule erweitern. Diesmal werden wir unser Anliegen rechtzeitig einreichen», sagt Würsch. Im Three Points seien sie fast zu spät dran gewesen.
Und in den Türmen ist eigentlich noch mehr Platz: «Im Moment belegen wir zwei Drittel der uns zur Verfügung stehenden Fläche», erklärt Bischoff. Der Rest füllt sich, wenn die Schule Birchlen demnächst neu gebaut wird. Zurzeit werden im Three Points Schulkinder der ersten, zweiten und sechsten Klasse unterrichtet. Ein Teil der Klassen aus dem Birchlen werden dann im Three Point integriert, andere in den Schulhäusern Högler und Dorf.

Quelle: Foto: Simone Matthieu
In den Klassenzimmern können sich die Schülerinnen und Schüler wie in einem Cowokring Space ihre Plätze aussuchen.
Ein kostengünstiges Schulhausprojekt
Die Finanzierung und Realisierung der Schulräumlichkeiten von Three Points verabschiedeten sowohl der Gemeinderat als auch die Bevölkerung an der Urne mit etwas über 16 Millionen Franken, am Ende kostete alles in allem 18,6 Millionen. Hätte man die Schule als eigenständiges Objekt gebaut und dafür Bauland erwerben müssen, wäre das einiges teurer geworden. Würsch rechnet mit einer Summe, die ungefähr eineinhalbmal bis doppelt so hoch gewesen wäre. «Eine eigenständige Schule zu bauen, dauert acht bis zehn Jahre. Nur schon diese Zeitersparnis kürzte das Budget massiv.»
Mittlerweile interessieren sich viele Gemeinden und Schulleitungen, wie das funktioniert, wenn Schulen in bereits bestehende Gebäude in Quartieren und Boomregionen integriert werden. Mit ihrem Alleinstellungsmerkmal ist die Primarschule Three Points ein Vorzeigeprojekt, das neue Massstäbe setzt und eine Zukunftsperspektive für Schulen in verdichteten Gebieten schafft.
Annick Hess: «Ein bunteres Farbkonzept lag auf der Hand»
Den Ausschlag für die Schule hatte letztlich der
Quartierplan gegeben, der eine «publikumswirksame Erdgeschossnutzung»
vorgeschrieben hatte, wie Annick Hess von Maier Hess Architekten erklärt. «Die Fussgängerfrequenz lässt an dem Ort noch keine Läden zu und schliesslich
hat es beim gut frequentierten Bahnhof Stettbach schon einige Läden.» Der Ort sollte
belebt werden. «Wir glauben, dass gerade eine Schule in dieser Hinsicht sehr
viel bringt», so die Architektin. Bei der Stadt Dübendorf sah man es ähnlich.
Zumal die Schule auch von dem Park, der sich zwischen den drei Türmen befindet,
profitiert. «Die Schule braucht viel Pausenfläche und Grünraum und das ist hier
gegeben», sagt Hess. «In unserem Fall profitierten beide Parteien, Schule und
Investoren.»
Die Planung der Schule brachte auch Herausforderungen mit
sich. So musste sie so angelegt werden, dass Bewohner und Schule einerseits
entflochten und andererseits aber auch verbunden sind. Zudem war die Struktur
bereits gegeben – es mussten relativ grosse Räume in der geringen Bautiefe
eines Hochhauses Platz finden. Hess dazu: «Die Tiefe der Schulzimmer grenzen an
den Kern. Die Statik und die Haustechnikstränge sind vorgegeben und waren auch
eine Herausforderung in der Planung.» Der freundlich bunte Eingangsbereich und
die farbigen Toiletten ergaben sich beinahe von selbst. «Die Fassade der Türme
spielt mit den Vor- und Rücksprüngen ihrer Betonelemente. Die Fensterrahmen
sind anthrazitfarben. So lag der Gedanke ein bunteres Farbkonzept für die
Schule zu machen auf der Hand.» Die Klassenzimmer sind allerdings nicht so
bunt – Farben sollen Schülerinnen und
Schüler bringen.» (mai)
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