12:06 VERSCHIEDENES

Die einst grösste Asbest-Mine der Welt

Geschrieben von: Pascale Boschung (pb)
Teaserbild-Quelle: Denis-Carl Robidoux flickr CC BY-NC 2.0

Inmitten der kanadischen Städte Quebec, Montreal und Sherbrooke liegt eine Stadt mit einem denkbar schlechten Namen: Asbestos. Und die ungewöhnliche Namensgebung kommt nicht von ungefähr. Die Region beherbergt die einst grösste Asbest-Mine der Welt.

Asbest war nicht immer ein negativer Begriff. Früher, bevor die toxischen Eigenschaften des Materials bekannt waren, wurde es sogar als Wunderfaser bezeichnet und in der Herstellung und Konstruktion sehr geschätzt. Heute ist der Begriff für viele gleichbedeutend mit Gift und Krankheit. Für die 7‘000 Einwohner der kanadischen Stadt Asbestos ist es aber der Name ihrer Heimat.

Das faserige, silikatbasierte Naturmineral Asbest wurde seit der Antike weltweit abgebaut und hat mehrere begehrte Eigenschaften. So zeichnet sich das Material durch hohe Festigkeit aus, ist hitze- und säurebeständig und eignet sich hervorragend zur Dämmung. Die umfangreiche Produktion des Minerals startete Mitte des 19. Jahrhunderts.

Und die Verwendung nahm auch im 20. Jahrhundert noch zu, da das Material damals als erschwinglich und langlebig galt. Spätestens als Beweise aufkamen, dass das Material zum Tod führen kann und es in Verbindung mit einer besonders schmerzhaften Form von Lungenkrebs gebracht wurde, wurde die Verwendung von Asbest in den meisten Ländern verboten.

Grösste Asbest-Mine der Welt

Der kanadische Asbest wurde in den 1870er Jahren in Quebec entdeckt. Auf die Entdeckung folgte sogleich die Gründung der Stadt Thetford Mines, die später zum Mittelpunkt für eine der grössten asbestproduzierenden Regionen der Welt wurde. Jahre später wurde rund 80 Kilometer südlich der Stadt die Jeffrey Mine eröffnet.

In der Blütezeit des Abbaus wandelte sich die Mine schliesslich zur grössten Asbestmine der Welt und lieferte rund die Hälfte aller Asbestvorräte weltweit aus. Rund um den Abbauort entwickelte sich daraufhin rasch eine neue Stadt, die sich kurzerhand selbst nach der Wunderfaser benannte – Asbesto war geboren.

Während Kanada sich schlussendlich zum grössten Asbestexporteur der Welt wandelte, wurden immer mehr Arbeiter auf mysteriöse Weise krank, begannen Blut zu husten und klagten über Atembeschwerden. Die erste Verbindung zwischen der Krankheit und dem tödlichen Mineral wurde schliesslich in den frühen 1900er Jahren gemacht.

Verbot in Kanada

Ein Leichenbeschauer führte eine postmortale Untersuchung eines jungen Mannes durch, der an Lungenfibrose gestorben war und zuvor 14 Jahre in einer Asbesttextilfabrik gearbeitet hatte. In den Lungen des Opfers wurden Spuren des Minerals gefunden. Daraufhin trat die erste Asbest-Industrieverordnung 1932 in Kraft, die einige Vorschriften mit sich zog.

Trotzdem dauerte es aber noch ein halbes Jahrhundert, bis die Verwendung in Kanada endgültig verboten wurde. So setze die Jeffrey Mine ihre Produktion noch bis Ende 2011 fort, ehe man sie schliesslich stilllegte.

Riesiges Loch bleibt zurück

Von der früheren Produktion zeugt in Quebec auch heute noch ein riesiges Loch, das fast einen Sechstel der 12 Quadratkilometer grossen Stadt Asbestos einnimmt. Und natürlich war die grösste Asbestmine Kanadas früher auch der grösste Arbeitgeber der umliegenden Stadt. In der Blütezeit beschäftigte sie mehr als 2‘000 von 7‘000 Einwohnern Asbestos.

Mit der Stilllegung der Mine und dem wegfallen des grössten Arbeitgebers suchte die Stadt schliesslich nach einer neuen Identität und Mitteln, um die Bevölkerung Asbestos für die Zukunft zu unterstützen. Dabei kam auch die Idee auf, den Namen der Stadt zu ändern. Die Bewohner stimmten jedoch dagegen.

Seit der Schliessung der Jeffrey Mine haben andere Unternehmen in der ehemaligen Bergbaustadt Fuss gefasst. So eröffnete ein Unternehmen für Feinkostprodukte ein Fleischverarbeitungszentrum, das Arbeitsplätze für mehr als hundert Einwohner bietet.

Und nördlich der Stadt nahm ein Skigebiet weitere hundert Angestellte auf. Asbestos erholt sich langsam aber sicher von seiner schwierigen Vergangenheit. Auch wenn Fahrzeugen, die die Aufschrift der Stadt Asbestos tragen, teilweise heute noch die Einreise in die Vereinigten Staaten verweigert wird.

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Redaktorin Baublatt

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