Chefsache mit Urs Hauser: «Kritik muss möglich sein»
Ihm sei es wichtig, eine offene Feedback-Kultur zu pflegen, sagt Urs Hauser, Direktor von Wohnbaugenossenschaften Schweiz. In der Interview-Serie «Chefsache» nimmt er Stellung zu Fragen rund um das Thema Führung.

Quelle: zvg
Urs Hauser ist Direktor von Wohnbaugenossenschaften Schweiz, dem Verband der gemeinnützigen Wohnbauträger.
Wie lautet Ihr allerwichtigster Führungsgrundsatz?
Urs Hauser: Ich würde meinen Führungsstil als situativ
beschreiben. Das bedeutet: Jede mitarbeitende Person ist nach ihren
Bedürfnissen, Motiven und Fähigkeiten zu führen. Dabei sollen allen
Mitarbeitenden möglichst grosse Handlungsspielräume haben. Dadurch entsteht Innovation
und Kreativität.
Was macht Sie zu einem guten Chef?
Dass viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter seit Jahren oder
sogar Jahrzehnten dem Verband treu bleiben, könnte immerhin ein Zeichen sein,
dass ich kein schlechter Chef bin. Die gegenseitige Wertschätzung sehe ich als
Grundvoraussetzung für eine gute Zusammenarbeit. Zudem ist es mir ein Anliegen,
meine Mitarbeitenden in wichtige Entscheidungsprozesse einzubinden. Wichtige
Qualifikationen für einen guten Chef sind meiner Meinung nach Lernfähigkeit,
Kreativität, Entscheidungsfreude, Kooperationsfähigkeit, Flexibilität und
Verantwortungsbereitschaft.
Wie gehen Sie mit Kritik um?
Ich nehme Kritik ernst. In einem guten Arbeitsumfeld muss
Kritik möglich sein, positive oder negative. In unserem Verband haben wir über
1200 Mitglieder mit unterschiedlichen Hintergründen und Denkmustern. Es liegt
auf der Hand, dass wir es nie allen recht machen können. Wichtig ist mir, dass
wir eine offene Feedback-Kultur pflegen.
Wie fördern Sie Ihre Mitarbeiter?
Ich gewähre den Mitarbeitenden eine hohe Selbständigkeit und
damit auch eine hohe Verantwortung. Fördern bedeutet für mich Potenziale zu
erkennen und Mitarbeitenden auch neue Funktionen oder Verantwortungsbereiche zu
übertragen.
Wollten Sie immer schon Chef werden? Weshalb oder weshalb
nicht?
Nein, ich habe keine Chefposition angestrebt. Entscheidend
ist für mich die Möglichkeit, mich für eine gute Sache voll und ganz
einzusetzen. Als Chef schätzte ich es sehr, Verantwortung zu übernehmen und
gemeinsam mit einem Team die Entwicklungen aktiv mitzusteuern.
Dar ein Chef oder eine Chefin auch Schwächen zeigen? Warum?
Meine Schwächen kennen meine Mitarbeitenden, die muss ich
nicht zeigen. Und jede Schwäche kann sich ja in anderer Form auch als Stärke
erweisen.
Wie schätzen Sie die aktuelle Lage der Bauwirtschaft ein?
Ich denke, die Baubranche ist grundsätzlich sehr stabil. Für
die Zukunft sehe ich ein riesiges und anspruchsvolles Umbau- und
Sanierungspotenzial. Das ist eine grosse Herausforderung, vor allem in dichten
und städtischen Gebieten, wo Ersatzneubauten schwierig realisierbar sind.
Sehen Sie in der Digitalisierung eine Chance oder eine
Gefahr?
Auf jeden Fall eine Chance. Gerade im Zusammenhang mit
Homeoffice ist die Digitalisierung eine Grundvoraussetzung. Wir müssen aber
noch lernen, mit dieser neuen Arbeitsform umzugehen. Und wir müssen auch
bedacht sein, alle in dieses neue Zeitalter mitzunehmen. Sodass es eben nicht
nur Gewinner oder Verlierer gibt. Und damit die Digitalisierung uns wirklich
dient und die Arbeit erleichtert.
Was wünschen Sie der Schweiz?
Nicht nur Bestandssicherung des Erreichten, sondern
insbesondere auch Kreativität, Innovation und Offenheit gegenüber Neuem. Vor
allem wünsche ich mir für die Schweiz, dass alle Menschen Zugang zu einer guten
und bezahlbaren Wohnung haben.
Welche Fähigkeiten möchten Sie besitzen?
Die Gelassenheit, die Dinge hinzunehmen, die ich nicht
ändern kann, und den Mut, die Dinge zu ändern, die ich ändern kann.
Wie bringen Sie Beruf und Privatleben unter einen Hut?
Mit der Entwicklung der neuen Technologien und der
steigenden Informationsflut wird auch die Präsenzzeit für den Beruf immer
höher. Umso wichtiger sind mir kleine Auszeiten, in denen ich nicht erreichbar
bin.
Wo können Sie wirklich abschalten?
Bei einem guten Buch, einem guten Essen mit meiner Frau oder
einer Wanderung in der Natur. Und natürlich wenn ich mit meinen kleinen
Enkelinnen unterwegs bin – dann kann ich gar nicht anders als
abschalten. (stg)
Chefsache
In der Interview-Serie «Chefsache» nehmen bekannte
Exponenten der Bauwirtschaft in loser Folge Stellung zu Fragen rund um das
Thema Führung. Alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer erhalten die gleichen 20
Fragen, von denen sie zwölf auswählen und schriftlich beantworten können.