Achtung, Lebensgefahr beim Betreten von Horizontalverglasungen
Glasbauteile werden auch für Böden, Balkone, Treppen und Dächer eingesetzt. Bei deren Nutzung und Unterhalt kann es zu schweren Ab- und Durchsturzunfällen kommen. Für die Planung und Sicherheit der betret- und begehbaren Horizontalverglasungen müssen laut Schweizerischem Institut für Glas am Bau (Sigab) wesentliche Merkmale gewährleitet sein.

Quelle: Sigab
Nicht betretbare Horizontalverglasungen aus Drahtglas dürfen zu keiner Zeit betreten oder begangen werden, denn Drahtglas ist kein Sicherheitsglas.
Von Barbara Loepfe, Sigab *
Im Glasbau kommen Vertikalverglasungen wie Fenster,
Glastüren, Glaswände und gläserne Brüstungen am häufigsten zur Anwendung.
Verglasungen, die in ihrer Neigung um mehr als 15 Grad von der Vertikalen
abweichen, gelten gemäss SIA-Merkblatt 2057, das seit dem 1. August 2021 gültig
ist, als Horizontalverglasungen. Gewöhnliche Horizontalverglasungen sind
normalerweise nicht für den Personenverkehr gedacht.
Neben den nicht betretbaren Horizontalverglasungen gibt es
auch betret-, begeh- und befahrbaren Verglasungen. Dazu sind bereits bei der
Planung verschiedene Normen und Richtlinien zu beachten, damit die Sicherheit
gewährleistet ist.
Bei Horizontalverglasungen wird in der Regel davon
ausgegangen, dass sich Personen unter der Verglasung aufhalten werden. Für
Überkopfverglasungen wird deshalb im Falle eines Glasbruchs eine
Resttragfähigkeit (gemäss SIA-Merkblatt 2057 und Sigab-Richtlinie 002)
gefordert. Diese soll gewährleisten, dass Personen, die sich unter der
Verglasung aufhalten, bei einem Glasbruch ausreichend Zeit haben, sich aus der
Gefahrenzone zu begeben, bevor ein Versagen der Verglasung eintritt.
Glasbruch vorbeugen
Eine einfach verglaste Horizontalverglasung beziehungsweise
die unten angeordnete Scheibe eines Isolierglases muss deshalb als
Verbund-Sicherheitsglas (VSG) aus Floatglas oder VSG aus teilvorgespanntem Glas
(TVG) geplant werden. Die Robustheit eines Tragelements aus VSG wird durch die
Anzahl Glasscheiben, deren Dimensionierung und die Glasart beeinflusst. Je
grösser die Anzahl der Glasscheiben ist, desto geringer ist die
Wahrscheinlichkeit eines Versagens des Bauteils.
Kein Sicherheitsglas ist hingegen Drahtglas. Das
eingebettete Drahtgeflecht hält bei einem Glasbruch die grob brechenden
Splitter zwar teilweise zusammen, trotz allem können sie sich aus dem Geflecht
lösen und zur Verletzungsgefahr werden. Drahtgläser dürfen deshalb zu keiner
Zeit betreten oder begangen werden.
Oft bestehen ältere Glasdächer bei überdachten
Bahnhofshallen aus Drahtglas. So zum Beispiel auch am Hauptbahnhof Zürich, wo
sich vor ein paar Jahren ein tragischer Unfall ereignete, als vier Jugendliche
nachts auf das Dach kletterten. Eine Scheibe des Drahtglases brach unter dem
Gewicht der jungen Leute. Eine Person stürzte rund zwölf Meter in die Tiefe und
verstarb noch vor Ort. Zudem löste sich eine Glasscherbe aus dem Drahtgeflecht
und verletzte einen der Helfer.

Quelle: Sigab
Für begeh- und befahrbare Glasflächen kommen nur Aufbauten mit Verbund-Sicherheitsglas zur Anwendung. Ein wesentliches Sicherheitskriterium für die horizontalen, begeh- und befahrbaren Verglasungen ist die Rutschhemmung. Entsprechende Massnahmen müssen gewährleistet sein.
Betretbar für Unterhaltsarbeiten
In Einzelfällen müssen Horizontalverglasungen jedoch
kurzzeitig durch geschultes Fachpersonal für Unterhaltsarbeiten betreten
werden. Gemäss Norm SIA 261 beziehungsweise SIA-Merkblatt 2057 sind betretbare
Verglasungen als «nicht begehbare Dächer» zu verstehen, die nur für Montage-
oder Reinigungsarbeiten betreten werden. Dies können zum Beispiel Wintergärten,
Gewächshäuser sowie Glasdächer über Hauseingängen, die nicht auf einer Leiter
stehend bewirtschaftet werden können, sein. Betretbare Glaskonstruktionen bestehen
stets aus VSG. Gegen das Absturzrisiko bei den Unterhaltsarbeiten sind die
einschlägigen Vorschriften zu befolgen.
Begeh- und befahrbar
Als begehbare Verglasungen gelten Böden, Treppen, Balkone
und ähnliche Glasbauteile, welche gemäss vorgesehener Nutzung durch Personen
begangen werden können. Dies können auch begehbare Glasdächer sein. Für
begehbare Glasflächen gelten die konstruktiven Vorgaben von horizontalen
Verglasungen und es kommen nur Aufbauten mit VSG in Frage.
Bei begehbaren Verglasungen aus Mehrfach-Isolierglas ist die
obere Schicht in VSG aus Floatglas oder in VSG aus TVG auszuführen. Bei VSG aus
drei oder mehr Gläsern kann auch Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG) verwendet
werden. Die Verglasung muss mit den Auflagerungen so verbunden sein, dass ein
selbständiges Verrutschen oder Abheben bei üblicher Nutzung verhindert wird.
Bei grosser Beanspruchung der Oberfläche wird der Einsatz einer
Verschleissschicht empfohlen.
Bei Verglasungen, welche sich als Bodenglasplatten
beziehungsweise Lichtschächte auf einem Pausen- oder Parkplatz befinden, wo
auch Personen- und Lieferwagen fahren, spricht man von befahrbaren
Verglasungen. Dabei sind befahrbare VSG-Aufbauten für Fahrzeuge über 3,5 Tonnen
nicht zu empfehlen.
Zudem sollten keine Kiesplätze, Steingärten oder ähnliches
in der Nähe einer befahrbaren Verglasung geplant werden. Fahrzeuge mit Steinen
in den Reifen erhöhen nämlich das Risiko von Glasbrüchen bei befahrbaren
Verglasungen enorm. Befahrbare VSG-Aufbauten sind mit mindestens drei
Einzelscheiben auszuführen, wobei das oberste Glas als Deckglas beziehungsweise
Verschleissschicht gedacht ist und nicht zum statischen Tragsicherheitsnachweis
herangezogen wird.
Die befahrene Schicht ist – wie bei begehbaren Verglasungen
– in VSG aus Floatglas oder in VSG aus TVG auszuführen. Bei VSG aus vier oder
mehr Glasscheiben kann auch ESG verwendet werden.

Quelle: • Zairon CC BY-SA 4.0
Ein historisches Glasdach im Rathaus von Calais.
Zur Rutschhemmung
Ein wesentliches Sicherheitskriterium bei
Horizontalverglasungen ist die Rutschhemmung. Unbehandeltes Glas wird leicht
rutschig, vor allem wenn Flüssigkeiten oder fetthaltige Materialien darauf
gelangen. Bei begeh- und befahrbaren Verglasungen muss die Rutschsicherheit
durch entsprechende Massnahmen gewährleistet sein.
Für die Rutschhemmung von Glasböden gelten die gleichen
Anforderungen wie für andere Bodenbeläge (Vorgaben gemäss BFU-Fachdokumentation
2.032, Norm DIN 51130 und 51097). Um die Rutschhemmung von Glasbauteilen zu
verbessern, eignen sich verschiedene Verfahren der Oberflächenbehandlung, zum
Beispiel Ätzung, Aufrauen durch Sandstrahlung, Siebdruck beziehungsweise
Emaillierung sowie Laserstrukturierung.
Ein wesentliches Sicherheitskriterium bei
Horizontalverglasungen ist die Rutschhemmung. Unbehandeltes Glas wird leicht
rutschig, vor allem wenn Flüssigkeiten oder fetthaltige Materialien darauf
gelangen. Bei begeh- und befahrbaren Verglasungen muss die Rutschsicherheit
durch entsprechende Massnahmen gewährleistet sein.
Für die Rutschhemmung von Glasböden gelten die gleichen
Anforderungen wie für andere Bodenbeläge (Vorgaben gemäss BFU-Fachdokumentation
2.032, Norm DIN 51130 und 51097). Um die Rutschhemmung von Glasbauteilen zu
verbessern, eignen sich verschiedene Verfahren der Oberflächenbehandlung, zum
Beispiel Ätzung, Aufrauen durch Sandstrahlung, Siebdruck beziehungsweise
Emaillierung sowie Laserstrukturierung.
* Der Artikel wurde bereits auf der Website des
Schweizerischen Instituts für Glas am Bau (Sigab) veröffentlicht.

Quelle: • Herbert Heim CC BY-SA 4.0
Das Glasdach im Vorarlbergmuseum in Bregenz.
Wichtige Normen und Richtlinien
- SIA-Merkblatt 2057 «Glasbau» (neu seit 01.08.2021)
- Norm SIA 260 «Grundlagen der Projektierung von Tragwerken»
- Norm SIA 261 «Einwirkungen auf Tragwerke»
- SIGAB-Richtlinie SR 002 «Sicherheit mit Glas – Anforderungen an Glasbauteile»
- BFU-Fachdokumentation 2.032 «Anforderungsliste Bodenbeläge»
- BFU-Prüfreglement R 9729 «Klassifizierung von Bodenbelägen mit rutschhemmenden Eigenschaften»
- Norm DIN 51130
- Norm DIN 51097