3D-Druck per Lichtbogen: Gedruckte Brücken aus Metall
Neben dem bekannten 3D-Druck von Kunststoffen und Beton ist
es seit einigen Jahren auch möglich, mit Metallen zu drucken. Das Verfahren
basiert auf dem additiven Prinzip des Lichtbogenschweissens. Dabei sind verschiedene
Techniken möglich.

Quelle: Institut für Stahlbau und Werkstoffmechanik, TU Darmstadt
Nach mehr als zehn Jahren Forschung zum 3D-Druck mit Metallen an der TU Darmstadt wurde im Herbst 2019 die erste reale Brücke im 3D-Druckverfahren aus Stahl ausgedruckt.
Indirekt angefangen hat alles 2007 mit dem «Heatwave
Radiator», der Abschlussarbeit von Joris Laarman an der Design Akademie in
Eindhoven. Dieser ist – technisch gesehen – ein normaler, modular
aufgebauter Heisswasserheizkörper, den man additiv zu einem grösseren
Heizkörper verbinden kann. Er lässt sich nicht nur an eine Wand montieren,
sondern auch um Raumecken führen. Laarman bezeichnet ihn aufgrund seiner
floralen Form selber als «Rokoko-Heizkörper».
In seinem Schaffen wendet sich Laarman offensiv gegen die
Maxime der Moderne, dass die Form der Funktion zu folgen habe, und kreiert
bewusst von Ornament überbordende Objekte. Mit dieser Haltung fiel bei ihm der
damals aufkommende 3D-Druck mit seinen gestalterischen Möglichkeiten auf
besonders fruchtbaren Boden: Er war mit der erste Designer überhaupt, der
3D-Druck zu seinem künstlerischen Sujet machte. Gleichwohl der «Heatwave
Radiator» selber noch nicht ausgedruckt wurde, kann er als dessen unmittelbarer
Vorläufer bezeichnet werden.
Zwei Verfahrensweisen
Der 3D-Druck unterscheidet zwei Techniken: das additive und
das subtraktive Verfahren. Während beim subtraktiven Verfahren mit einem Laser
oder mit einer robotergeführten Fräse Material aus einem Werkstoff weggenommen
wird, wird beim additiven Verfahren ein Werkstück mit einer computergesteuerten
Düse aufgebaut.
Zu den etablierten Produkten zählen computergeschnittene Pappen im Modellbau (subtraktives Verfahren), der kunststoffbasierte 3D-Druck in kleinen Kammern sowie seit kurzer Zeit der 3D-Druck von ganzen Gebäuden mit dem Werkstoff Spritzbeton. Auf diese Weise wurde Anfang des Jahres 2021 im westfälischen Beckum das erste Wohnhaus auf deutschem Boden «ausgedruckt».

Quelle: Robert Mehl
Das erste in Deutschland ausgedruckte Wohnhaus steht in Beckum.
Die allgemein verbreiteten Kunststoffdruckverfahren beziehungsweise das Verfahren mit Spritzbeton, welches beim Beckumer Projekt verwendet wurde, arbeiten mit sogenannten Gentry-Druckern: Dabei bewegt sich die materialgebende Spritzdüse auf einem Schlitten, der über ein entsprechendes Schienensystem in allen drei Dimensionen im Raum verschoben werden kann. Die zu erstellenden Werkstückdimensionen sind durch die Arbeitsraumgrösse limitiert.
Alternativ zu diesem System besteht die Möglichkeit, sowohl die additiv arbeitende Düse, wie auch einen subtraktiv arbeitenden Laser oder eine Fräse an einem Roboterarm zu montieren. Damit entfällt der definierte Raum, das «bedruckbare» Volumen entspricht der Reichweite des Roboterarms – in der Regel einem Mass von rund 3,5 Metern. Montiert man darüber hinaus den Roboter auf einer Schiene, kann in einer Achse die realisierbare Werkstückdimension beliebig verlängert werden. Dies geschieht es derzeit beim «White-Tower-Projekt» der ETH Zürich, wo mehrere Meter lange Säulen aus Beton in einem Stück gedruckt werden.

Quelle: Peri GmbH
Das Gentry-Verfahren arbeitet mit orthogonal angeordneten Schienen, auf denen ein Schlitten gleitet.

Quelle: Peri GmbH
Auch hier entstehen dünne horizontale Druckschichten.
Druckverfahren mit Metallen
Auf diesen grundlegenden Prinzipien basiert auch das Drucken
von Metallen, insbesondere das von Stahl. Denn das Lichtbogenschweissen ist im
Grunde genommen ein additives Verfahren. Ein Schutzgasschweissgerät verfügt
über eine Spitze, an die ein Schweissdraht herangeführt wird. Über einen
energiereichen Lichtbogen wird ein kleiner Teil des Drahtes für
Sekundenbruchteile verflüssigt und einem Werkstück in definierter Menge
angefügt.
Mit dem Schutzgas verhindert man eine unmittelbare Oxidation
und steuert zudem die Erstarrungsdauer des aufgeschmolzenen Stahltropfens.
Dessen Grösse kann man mathematisch ein definiertes Volumen zuweisen. So lassen
sich mit dem Lichtbogenschweissen nicht nur bestehende Bleche zu einem Bauteil
verbinden, es ist auch möglich – sofern der Schweisskopf präzise
geführt wird – ganze Werkstücke zu erstellen, also «auszudrucken».

Quelle: Claus Voelker, Institut für Stahlbau und Werkstoffmechanik, TU Darmstadt
Für den 3D-Druck wurde auf den Roboterarm ein speziell entwickelter Lichtbogen-Schweisskopf montiert. Gearbeitet wurde in einem Zelt.

Quelle: Claus Voelker, Institut für Stahlbau und Werkstoffmechanik, TU Darmstadt
Die Brücke wurde zwar über einer Wasserfläche in-situ gedruckt. die Arbeiten erfolgten jedoch in einem Schutzzelt.
Brückenschlag der TU Darmstadt
Das Institut für Stahlbau und Werkstoffmechanik der TU Darmstadt unter der Leitung von Professor Jörg Lange beschäftigt sich schon seit einigen Jahren mit diesem Verfahren. Dabei liegt der Forschungsschwerpunkt auf einer robotisch erstellten Verbindung von konventionell gewalzten Stahlträgern, wie sie im Hallen- oder Brückenbau erforderlich sind.
Fischer hatte in seiner Doktorarbeit
nachgewiesen, dass 63 Prozent der Produktionszeit im Stahlbau auf das
Erstellen von Anschlüssen und Knotenpunkten wie etwa Kopfplatten, Steife oder
Fahnenbleche entfallen. Diese Arbeiten erfolgen durchweg manuell und sind zudem
entsprechend fehleranfällig. [1]
Insgesamt dauerten die Forschungen an der TU Darmstadt zum 3D-Druck mit
Metallen mehr als zehn Jahre. Nach der Erstellung verschiedener kleinerer
Demonstratoren entschied sich das Forschungsteam um Lange im Herbst 2019 für
den Ausdruck einer realen Brücke im 3D-Druckverfahren aus Stahl.
Mit dem in zwei Monaten realisierten Objekt, das eine Spannweite von 2,80 Metern
besitzt, wiesen die Wissenschaftler zwei Dinge nach: Zum einen, dass es auch
mit Stahl möglich ist, «schräg» zu drucken, also nicht nur vertikal eine neue
Schicht auf einer älteren zu platzieren, sondern dass man sich mit einem über
fünf Achsen gesteuerten Roboterarm beim Stahldruck auch frei im Raum bewegen
kann.
Zum anderen zeigten sie, dass der Brückenschlag auch über eine Wasserfläche
hinweg erfolgen kann. Es ist nicht erforderlich, die Werkstücke in einem
definierten Raum, wie einer Werkshalle, vorzuproduzieren. Obwohl die
Darmstädter Brücke mit ihren Brückendimensionen eher bescheiden ist, wurde
diese Ortsunabhängigkeit bislang nicht übertroffen.

Quelle: Institut für Stahlbau und Werkstoffmechanik, TU Darmstadt
Die Wasserfläche für den Brückenbau befand sich auf dem Campus der TU Darmstadt. Das Zelt wurde nach der Fertigstellung wieder abgebaut.
Brücke für Amsterdam
Dieses Jahr kam erneut Bewegung in die Entwicklung des
3D-Druck-Verfahrens mit Metallen: Im Juli 2021 wurde über die Oudezijds
Achterburgwal, einer kleinen Gracht in der Amsterdamer Altstadt, eine kleine
Fussgängerbrücke geschlagen. Das Ereignis erregte viel Aufmerksamkeit, da die
Brücke von der Niederländischen Königin Maxima eingeweiht und der
Öffentlichkeit übergeben wurde. Doch es handelt sich dabei nicht um die
weltweit erste im 3D-Druck-Verfahren erstellte Brücke, wie bei der Übergabe
verkündet wurde, sondern «nur» um ein etwa doppelt so grosses Projekt, an
dessen Design jedoch sichtbar Hand angelegt wurde.

Quelle: Institut für Stahlbau und Werkstoffmechanik, TU Darmstadt
Seitenansicht der Brücke: Gut erkennbar sind die horizontalen Schichtlagen. Allerdings zeigte die TU Darmstadt, dass man auch geneigte Lagen erzeugen kann.
Entworfen wurde die Brücke von Joris Laarman, dem bereits erwähnten geistigen Vater des «Rokoko-Heizkörpers». Realisiert wurde das Projekt mit der Computerdruckfirma MX 3D. Professor Jörg Lange von der TU Darmstadt stellt zur Brücke fest, dass diese in einer Werkshalle vorproduziert wurde.
Zudem war die Amsterdamer Brücke für den Druck um 90 Grad in der
Senkrechten gedreht wurden, quasi hochkant auf der Seite stand, als die
Metalllagen horizontal aufeinander liegend aufgetragen wurden.
Darüber hinaus besteht sie aus mehreren Bauteilen, die von
bis zu sechs Robotern gleichzeitig ausgedruckt wurden. Der Transport der Brücke
zur Baustelle erfolgte in Einzelteilen. Dort wurde sie von Hand
zusammenschweisst. In ihrer finalen Position verlaufen nun diese Schweisslagen
senkrecht, was die Regenwasserdrainage begünstigt. Horizontale Rillen, in denen
sich Staunässe bildet, gibt es keine.
Die Brücke über die Oudezijds Achterburgwal wurde aus
Edelstahl gedruckt, um sie unempfindlich gegenüber dem Wettergeschehen zu
machen. Die Darmstädter Brücke besteht hingegen aus dem handelsüblichen
Schweissdraht «G3Si1», der natürlich zur Korrosion neigt.

Quelle: Robert Mehl
Die Brücke von MX 3D überquert in Amsterdam den Oudezijds Achterburgwal auf Höhe der Hausnummer 116 B. Der Blick aus nördlicher Richtung auf die Brücke.
Materialforschung am Bau
Die Darmstädter Wissenschaftler hatten es sich primär zur
Aufgabe gesetzt, zu beweisen, dass auch mit herkömmlichen Materialien ein
Metalldruck möglich ist. Zwischenzeitlich konnten sie jedoch aufzeigen, dass
mit dem Schweissdraht «G3Si1» gedruckte Werkstücke ein vergleichbares
Elastizitätsmodul – wie etwa bei gewalztem Stahl – besitzen und
Knotenverbindungen damit problemlos zu erstellen sind. Bei Edelstahl wurde
hingegen dessen starke Neigung zur Orthotropie nachgewiesen, das heisst, dass
dessen Festigkeit in Druckrichtung deutlich höher als quer zu dieser ist.
Nach dem erfolgreichen Bau des Brückendemonstrators
beschäftigte sich das Institut für Stahlbau und Werkstoffmechanik der TU
Darmstadt mit zwei grundlegenden Themen: Zum einen wollte man das Drucken von
Metallen berechenbar machen, sodass entsprechende Prüfnachweise erstellt werden
können, die für einen Prüfingenieur nachvollziehbar sind und die von der
Bauaufsicht anerkannt werden.

Quelle: Robert Mehl
Die Brückenform hat im Grundriss eine geschwungene S-Form. Um die Brücke in ihrer Mitte leichter zu machen, sind die Geländergefache perforiert.
Zum anderen betraf es die Oberflächen, denn sowohl bei
der Darmstädter wie auch bei der Amsterdamer Brücke war gestalterisch eine
strukturierte Oberfläche erwünscht. Es gibt aber auch Anwendungen, wo sich dies
als Nachteil erweist. Bei zyklisch beanspruchten Bauteilen ist eine glatte
Oberfläche relevant, um deren Materialermüdung vorzubeugen, da strukturierte
Oberflächen zu einer Kerbwirkung beim Bauteil neigen.
Im konkreten Fall betraf es die robotische Nachbearbeitung
mit Fräsaufsätzen. Statt dem Schweisskopf wurde der Roboter mit einer Fräse
bestückt. Diese Materialabtragung könnte man als weiteren, diesmal subtraktiven
3D-Druck bezeichnen. Ein Problem stellt hier die Druckungenauigkeit beim
Lichtbogenschweissen dar, da es durch die unvermeidlichen, schnellen
Temperaturwechsel zu Schweissverzügen kommt.
Deshalb muss das Werkstück vor einer subtraktiven
Nachbearbeitung mit einem 3D-Scanner eingemessen werden, da der reale Ausdruck
nur bedingt dem virtuellen Computermodell entspricht. Und auf Basis dieser
Realgeometrie wird dann individuell eine «passende», glatte Oberfläche gefräst.

Quelle: Robert Mehl
An den Brückenköpfen gehen die Geländer in eine trichterartige Spirale über. Die Formen erinnern an den Jugendstil.
Schutzgas ist nicht gleich Schutzgas
Unlängst hat sich das Darmstädter Institut auch mit dem
Einfluss von Schutzgas beim 3D-Druck beschäftigt. Grundsätzlich wird hier das
Edelgas Argon unter Zugabe unterschiedlich hoher Kohlendioxid- und
Sauerstoffanteile verwendet. Handelsüblich ist ein etwas über 80 Prozent
liegender Anteil an Argon, der Rest ein zweistelliger Kohlendioxidwert und eine
einstellige Sauerstoffbeimischung.
Diese Zusammensetzung hat sich beim Metalldruck als weniger effizient herausgestellt als ein Arbeiten mit hochprozentigen Edelgasmengen. Grund ist, dass im entstehenden Schweissplasma, also bei 2000 bis 3000 Grad Celsius, auch das Kohlendioxid in seine Bestandteile aufgespalten wird. Es verbrennt dann ebenfalls und steigert damit noch einmal die Plasmatemperatur.
Dieser Effekt verlängert wiederum die Zeitspanne, die für die Erstarrung des
zuvor gesetzten Schweisspunkts erforderlich ist. Im Resultat druckt der Roboter
deshalb langsamer. Hier ist abzuwägen, was wirtschaftlicher ist: Die schnellere
robotische Fertigung oder das teurere Schutzgas.

Quelle: Robert Mehl
Um die Brücke in ihrer Mitte leichter zu machen sind die Geländergefache perforiert.
Metalldruck mit Pulver
Neben dem oben beschriebenen WAAM-Verfahren (Wire Arc Additive
Manufacturing) gibt es im 3D-Metalldruck eine laserbasierte Technologie, die
auf der Verwendung von Metallpulver beruht. Hier schmilzt ein leistungsstarker
Laser selektiv ein Pulverbett auf, während fortwährend eine Maschine weitere
Schichten gleichmässig in diesen Arbeitsraum einbringt. Dieses Verfahren ist
dem zu Anfang beschriebenen Gentry-Bereich zuzuordnen, prozesstechnisch ähnelt
es dem 3D-Kunststoffdruck.
Tatsächlich existiert dieses Verfahren schon seit mehr als einer Dekade und
wird vor allem durch die Automobilindustrie vorangetrieben. Der grosse Vorteil
des Verfahrens ist eine bis in den Mikrometerbereich gehende Präzision, die mit
dem WAAM-Verfahren unerreichbar ist.
Für das Bauwesen nachteilig sind die vergleichbar geringen
Verarbeitungsmengen. Während Jörg Lange den Druckausstoss bei dem
schweissdrahtbasierten Verfahren auf fünf bis zehn Kilogramm pro Stunde
beziffert, schätzt er bei dem Metallpulververfahren eine Maximalmenge von
100 Gramm pro Stunde.
Als zweiten Faktor nennt er die exorbitanten Materialkosten. So wäre für das
besonders feine, natürlich vollkommen entmagnetisierte Stahlpulver ein Preis
von mehr 100 Euro pro Kilogramm anzusetzen, wohingegen der handelsübliche
Schweissdrahtpreis zwischen einem und zwei Euro pro Kilogramm liegt.
Dennoch sieht Lange für das WAAM-Verfahren zum roboterbasierten Drucken im Bauwesen eine Zukunft. Er konnte nachweisen, dass das Verfahren keine Konkurrenz für die klassischen Stahlbautrieben darstellt, sondern für diese eine interessante Option sein kann, um die hohen Produktionskosten langfristig zu senken. Ein entsprechendes Feedback hat er von seinen Industriepartnern bereits erhalten.